Smaragdgrün

 

Smaragdgrün schlängelt sich die Neretva durch die Schluchten Jugoslawiens.

So ein Grün, wie ich es noch nie in meinem Leben gesehen hatte.

Unser Reisebus folgt ihr bis zum Dorf Mostar.

Ein Dorf mit einer mittelalterlichen Brücke, die dieses grüne Wunder überquert.

Jungen stehen auf der Brücke, johlend stürzen sie sich hinunter in den Fluss.

Tief ist er nicht.

Unten angekommen schießen sie wie Pfeile durch das glitzernde Wasser. Ein Schauspiel, wie ich es auch noch nie gesehen hatte.

Kleine Mädchen in bunten Kleidern halten die Hand auf, um ein paar Dinar von den Schaulustigen einzusammeln.

Wir schlendern durch das Dorf, begleitet von buntem Treiben und Gerüchen, die ich nicht kannte. Wir finden uns in einer kleinen Stube wieder.

Der Hausherr reicht schwarzen süßen Tee.

In einheimischen Trachten tragen die Frauen köstliche Speisen auf.

Plötzlich steht eine Frau vor mir mit einer Tracht, und fordert mich auf, einer dieser Trachten anzulegen.

Auch ein Kopftuch gehört dazu.

Eigentlich trage ich keine Kopftücher.

Brücken bauen.

Ich sah aus wie eine kleine Türkin, mit meinen schwarzen Haaren und braunen Augen, und fühlte mich sehr wohl in dieser bunten Tracht in ihrer anderen Welt.

Bald mussten wir dieses Dorf mit seinem türkischen Einschlag, den lachenden Menschen und ihrer Gastfreundschaft wieder verlassen.

Wie gern wäre ich geblieben.

Das ist ein halbes Jahrhundert her.

Inzwischen wurde die Brücke in Mostar durch einen unseligen Krieg vollständig zerstört.

Wieder aufgebaut ist sie nicht mehr die Alte.

Brücken werden schon lange nicht mehr gebaut.

Eigentlich war ich schon immer so ein bunter Vogel, am liebsten ausgefallen gekleidet, unterwegs in südlichen Ländern, und ihrem quirligen Leben.

Doch jetzt im Alter hat mich plötzlich eine andere bunte Welt entdeckt.

Die Welt der Gudrun Sjöden.

Eines Tages fand sie mich in Form eines Prospektes in meinem Briefkasten.

Die bunten Farben der Kleider gefielen mir so gut, dass ich sie sofort in ihrem schwedischen Lädchen aufsuchen musste.

Diese Art Tracht trägt man zwar im Hohen Norden, wird aber in China, Rumänien oder Bulgarien genäht.

Ich musste über meinen Schatten springen.

Eigentlich trage ich möglichst keine Kleidung, die wohlmöglich noch von Kinderhand genäht wird.

Die freundlichen Verkäuferinnen versicherten mir, dass die Stätten regelmäßig überprüft würden.

Diese Kleider mit ihren bunten Mustern und auffälligen Farben sind wie für mich gemacht.

Manchmal streifen mich die Blicke der Menschen, verwundert, auch böse, oder freundlich.

Ich sage mir dann immer, wenn schon alt, dann wenigstens bunt.

( © Monika Zelle 26.03.2019 )

 

 

Smaragdgrün

Smaragdgrün schlängelt sich die Neretva durch die Schluchten Jugoslawiens.

So ein Grün, wie ich es noch nie in meinem Leben gesehen hatte.

Unser Reisebus folgt ihr bis zum Dorf Mostar.

Ein Dorf mit einer mittelalterlichen Brücke, die dieses grüne Wunder überquert.

Jungen stehen auf der Brücke, johlend stürzen sie sich hinunter in den Fluss.

Tief ist er nicht.

Unten angekommen schießen sie wie Pfeile durch das glitzernde Wasser. Ein Schauspiel, wie ich es auch noch nie gesehen hatte.

Kleine Mädchen in bunten Kleidern halten die Hand auf, um ein paar Dinar von den Schaulustigen einzusammeln.

Wir schlendern durch das Dorf, begleitet von buntem Treiben und Gerüchen, die ich nicht kannte. Wir finden uns in einer kleinen Stube wieder.

Der Hausherr reicht schwarzen süßen Tee.

In einheimischen Trachten tragen die Frauen köstliche Speisen auf.

Plötzlich steht eine Frau vor mir mit einer Tracht, und fordert mich auf, einer dieser Trachten anzulegen.

Auch ein Kopftuch gehört dazu.

Eigentlich trage ich keine Kopftücher.

Brücken bauen.

Ich sah aus wie eine kleine Türkin, mit meinen schwarzen Haaren und braunen Augen, und fühlte mich sehr wohl in dieser bunten Tracht in ihrer anderen Welt.

Bald mussten wir dieses Dorf mit seinem türkischen Einschlag, den lachenden Menschen und ihrer Gastfreundschaft wieder verlassen.

Wie gern wäre ich geblieben.

Das ist ein halbes Jahrhundert her.

Inzwischen wurde die Brücke in Mostar durch einen unseligen Krieg vollständig zerstört.

Wieder aufgebaut ist sie nicht mehr die Alte.

Brücken werden schon lange nicht mehr gebaut.

Eigentlich war ich schon immer so ein bunter Vogel, am liebsten ausgefallen gekleidet, unterwegs in südlichen Ländern, und ihrem quirligen Leben.

Doch jetzt im Alter hat mich plötzlich eine andere bunte Welt entdeckt.

Die Welt der Gudrun Sjöden.

Eines Tages fand sie mich in Form eines Prospektes in meinem Briefkasten.

Die bunten Farben der Kleider gefielen mir so gut, dass ich sie sofort in ihrem schwedischen Lädchen aufsuchen musste.

Diese Art Tracht trägt man zwar im Hohen Norden, wird aber in China, Rumänien oder Bulgarien genäht.

Ich musste über meinen Schatten springen.

Eigentlich trage ich möglichst keine Kleidung, die wohlmöglich noch von Kinderhand genäht wird.

Die freundlichen Verkäuferinnen versicherten mir, dass die Stätten regelmäßig überprüft würden.

Diese Kleider mit ihren bunten Mustern und auffälligen Farben sind wie für mich gemacht.

Manchmal streifen mich die Blicke der Menschen, verwundert, auch böse, oder freundlich.

Ich sage mir dann immer, wenn schon alt, dann wenigstens bunt.

( © Monika Zelle 26.03.2019 )

Migräne

 

Die  Studienrätin Jutta König fährt aus dem Schlaf.

Der Wecker.

Sie versetzt ihm einen heftigen Stoß.

Dreht sich noch einmal um.

Bitte nicht heute.

Keine Migräne.

Sie  wollte ihren Kids mal ordentlich Feuer unterm Hintern machen.

Ein Englischtest.

Sie stellt sich gerade vor, wie die Kinder ihrer Klasse wie ein Tsunami in den Klassenraum einfallen.

Meistens ist Jutta König schon 15 Minuten eher in ihrer Klasse, aber ihre Schüler beachten sie nie.

Sagen nicht einmal guten Morgen.

Früher war alles besser.

Sie sind als Kinder noch aufgestanden, wenn die Lehrkräfte die Klasse betraten, und haben gerufen:

„ Guten Morgen Herr Lehrer.

Das ist lange her.

Jutta König nimmt eine Tablette.

Heute sind die Kinder nicht zu bändigen, essen und trinken im Unterricht.

Lassen sich nichts sagen.

Erdem hat sie schon mal angespuckt.

Hat keine Achtung vor Frauen.

Aber heute, heute wird sie es ihnen zeigen.

Da wird sich herausstellen, was sie im Unterricht mitbekommen haben.

Sie wird ihnen den Spiegel vorhalten.

Und wenn die Schülerinnen und Schüler heute nicht zur Ruhe gebracht werden können, schreibt sie ihnen halt allen eine 6 ins Klassenbuch.

Basta.

Gruppenhaftung nennt sich das.

Es ist schlimm genug, dass sie als Studienrätin auch die Erziehung der Kinder übernehmen muss.

Jutta König wälzt sich in ihrem Bett herum.

Die Kopfschmerzen lassen nicht nach.

Na dann eben nicht.

Auch egal.

Dann schreibt sie den Test eben morgen.

Sie greift zum Telefonhörer und ruft das Sekretariat an.

Dann kuschelt sie sich wieder unter ihre Decke und schläft sofort ein.

 

 

( © Monika Zelle  19.03.2019 )

 

Will

 

Es ist 20 Uhr.

Margit hat es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht.

Tagesschauzeit.

Will liegt auf dem anderen Sofa, starrt auf sein Smartphone.

Eigentlich tut er es gefühlt den ganzen Tag, denkt Margit.

„ Es gibt heute Abend einen tollen Film mit Bruno Ganz auf Arte!“

„ Aha.“

„ Würdest Du ihn mit mir zusammen anschauen?“

„ Kann ich machen.“

„ Der ist vor kurzem gestorben.“

„ Wer?“

Will tippt wie wild auf seinem Smartphone herum.

„ Na, Bruno Ganz der Schauspieler!“

20.15h Der Film fängt an.

„ Schaust Du jetzt mit oder nicht?“

„ Ja.“

Als Margit sich nach einer Weile nach Will umdreht, tippt er schon wieder auf seinem Smartphone herum.

„ Du wolltest doch den Film mit mir anschauen.“

„ Tu ich doch, der mit Bruno Ganz!“

„ Tust Du nicht, du hast dein Smartphone in der Hand und tippst darauf herum!“

 

Kann die mich nicht einmal in Ruhe lassen. Es ist doch nur dieser eine Level, dann habe ich gewonnen, und zwar gegen die besten Spieler überhaupt.

Nämlich gegen Tom, Susan und Jennifer.

 

„ Du hast es versprochen!“

„ Was?“

Na, diesen Film mit mir anzuschauen, und jetzt habe ich schon die Hälfte verpasst.

Keine Antwort.

 

Langsam dreht Margit sich um.

Sie traut ihren Augen kaum.

Das Sofa, leer.

 

Langsam geht sie auf den Flur.

Seine Zimmertür.

Geschlossen.

Sie öffnet sie die Tür einen Spalt.

Will liegt auf seinem Bett.

Das Smartphone in der Hand.

Seine Augen weit aufgerissen.

Margit befühlt seine Halsschlagader.

Nichts.

 

Sie geht zurück ins Wohnzimmer.

Der Film ist zu Ende.

 

( © Monika Zelle 12. März 2019 )

Falsche Schlange

 

Oberschwester Agnes eilte mit wehenden Fahnen durch die Flure des Sankt Joseph Krankenhauses, rief hier und da den Schwestern Anweisungen, besser gesagt Befehle zu, und verschwand flugs im Ordinationszimmer des Professor Maus.

Wenig später eilte eine Heerschar von Kitteln in weiß durch die Flure.

Chefvisite.

Oberschwester Agnes, mit einem Gesicht wie drei Tage Regenwetter, stand eilfertig neben Professor Maus, und folgte argwöhnische den Ausführungen von Schwester Wanda, die aus den Krankenakten vorlas.

Plötzlich stutzte Oberschwester Agnes.

Bei dieser Patientin handelte es sich doch nicht um den Magen Anders, sondern um die Gebärmutter Meier.

Sie entriss Schwester Wanda die Patientenakte, schlug sie auf, und verpasste ihr vor versammelter Mannschaft eine schallende Ohrfeige.

Die Augen Wandas wurden größer und größer, und bohrten sich förmlich in den Leib der Angreiferin.

In diesem Moment sackte diese zusammen.

Eine  Schlange wand sich um die Füße des Professor Maus.

Es war eine Giftschlange, das erkannte er sofort.

Die Schlange zischelte und wirbelte um ihn herum.

Wie von der Tarantel gestochen sprang er hin und her.

Alle anderen im Raum befindlichen Personen erstarrten vor Schreck.

Dann.

Ein gellender Schrei.

Und, der Professor war verschwunden.

Doch die Schlange brauchte nicht lange, um ihn zu finden.

Die kleine Maus hockte unter dem Schrank, und zitterte am ganzen Leib.

Blitzschnell schnappte die Schlange zu.

Die Maus verschwand in ihrem Maul.

Mühsam würgte sie sie herunter.

Dann versuchte sie sich zu häuten, und gelobte vor dem lieben Herrgott Besserung.

Doch der erhörte sie nicht.

Sie war und blieb eine falsche Schlange.

 

( © Monika Zelle 19.02.2019 )

 

Bockwurst und Brause

 

Wenn es euch interessiert, aufgepasst, Ohren gespitzt.

In den 1950iger Jahren, na, das waren noch Maifeiern, da können die Gewerkschaften von heute sich mal ne Scheibe von abschneiden.

Ein Event würdest Du heute dazu sagen.

Sternförmig sind tausende von Menschen hier in meiner Heimatstadt zum Stadtpark gepilgert.

Sternförmig waren auch die Bühnen aufgebaut.

Es gab sportliche Aufführungen.

Und die Reden von den Gewerkschaftern.

Karisma hatten die.

Toll war das kann ich euch sagen.

Für die Kinder Bockwurst und Brause umsonst. Bier für die Männer.

Wein oder Sekt für die Frauen.

Die Gewerkschaften haben sich das noch was kosten lassen.

Und Heute?

Heute stopfen sie sich die Taschen voll.

Was tun die denn noch für die Arbeiterschaft.

Seid ihr überhaupt organisiert?

Habt ihr schon mal gestreikt?

Kann ich mir nicht vorstellen.

Diese paar Piepen, die diese Alibifunktionäre heute rausholen.

Lächerlich.

Und, habt ihr einen unbefristeten Arbeitsplatz, oder seid ihr auch eins von diesen armen Schweinen mit einem Mindestlohn in prekärer Beschäftigung.

Niedriglohnempfänger ist heute das Stichwort.

Und warum?

Wisst ihr das eigentlich?

Ich weiß es.

Damit der Staat später keine hohen Renten zahlen muss.

Sozialstaat ade kann ich nur sagen.

Wo seid ihr denn?

In eurem Hamsterrad was?

Wo ihr von morgens bis abends schuftet, um Eure Schulden zu bezahlen, und Angst habt, euren Arbeitsplatz zu verlieren, der meistens auch nur befristet ist.

Auch das ist Programm.

Damit sie euch schnell wieder loswerden, wenn ihr nicht funktioniert.

Dabei hat die Masse die Macht.

Lasst euch doch nicht immer alles gefallen, ihr Einzelkämpfer.

Früher, ja früher war alles besser.

Mein Vater und mein Großvater haben noch Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaub erstritten.

Zu Tausenden sind die Arbeiter auf die Straße gegangen.

Heute werden die sozialen Errungenschaften mit Füßen getreten.

Ne, jetzt hör ich auf.

Kriege Magenschmerzen.

Lieber zurück zu meinem Maifeiertag.

Den ganzen Tag lang haben wir gefeiert.

Das war noch ein Volksfest.

Steine haben wir auch nicht an den Kopf bekommen.

Kein einziger Bulle war zu sehen.

Und auf dem Nachhauseweg? Zu Fuß natürlich.

 

Mein Vater, Gewerkschaftsfunktionär, hatte einen im Tee, torkelte neben mir her, und palawerte von dem nächsten Streik, der anstand.

Also aufgepasst, nur wer sich wehrt lebt nicht verkehrt.

Tut was!

Nur gemeinsam seid ihr stark.

Zu Haus angekommen war dann leider dicke Luft, weil ich meinen Sonntagsstaat mit Senf bekleckert hatte.

„ Wie soll ich das wieder rauskriegen“ meckerte meine Mutter, riss mir die Klamotten vom Leib, und weichte sie in Persil ein.

 

( © Monika Zelle 26.02.2019 )

Nur ein Traum

 

Stille.

Diese unvergleichliche Stille.

Nur der Ruf des Kuckucks stört den Wald.

Von Glücksgefühlen umfangen.

Die Kienäppel, eingewickelt in Zeitungspapier, wie mein Vater es mich gelehrt hat, knistern im Bullerofen.

Eine wohlige Wärme umfängt mich, vom Summen des Wasserkessels begleitet.

Tropfen zerplatzen auf der Herdplatte.

Kaffeeduft breitet sich aus, umspielt meine Nase.

Der Schatten meines Vaters, in der Hand seinen Kaffeebecher.

Ein leises Quietschen der Tür meiner Hütte ist zu vernehmen.

Barfuß.

Endlich wieder barfuß.

Die Tannennadeln des Waldbodens pieksen meine Fußsohlen.

Das weiche Moos streichelt sie.

Welch eine Wonne.

Tanzen.

Tanzen durch den Morgen.

Da!

Ein Reh am Waldessaum.

Ein Specht schlägt den Baum.

Nur ein Traum.

Nur ein Traum.

 

 

( © Monika Zelle 17.02.2019 )

 

Schwimmstunde

 

Schwerfällig kommt Arno Möller, mein Nachbar, mir auf seinen beiden Krücken entgegen gehumpelt.

„ Na, gehst Du wieder zum Schwimmen?“

„ Ja“, sage ich, wie immer zweimal in der Woche.“

„ Das ist richtig, dann geht es Dir später nicht so wie mir, bleib immer schön in Bewegung mien Deern.“

Arno Möller war Hafenfiez, und hat 50 Jahre Schwerstarbeit geleistet.

Nun kann er nicht mehr.

Während ich meine Bahnen im Außenbecken des Holthusenbades ziehe, muss ich an meinen Vater denken.

„ Weißt Du noch, als Du mir bei Onkel Heini im Hessebad in Blankenese das Schwimmen beigebracht hast? Als ich das erste mal vom Beckenrand  in Deinen Arm gesprungen bin?“

Mir ist, als sei es gestern gewesen.

Onkel Heini war Schwimmmeister, und hat den Kindern aus den Schulklassen der Umgebung der Elbvororte das Schwimmen beigebracht.

„ Und weißt Du noch Papa, als wir jeden Dienstag und Donnerstag mit Manne, Norbert, Hans-Werner, Manfred und Margrit Nagel, die in unserem Haus wohnten, und noch vielen anderen Kindern aus der Nachbarschaft zum Schwimmen gegangen sind?

Alle waren wir im Schwimmverein Vorwärts, und Du Papa hast so vielen Kindern das Schwimmen gelehrt.

Ehrenamtlich!

Manchmal hast Du sogar die Vereinsbeiträge der Kinder bezahlt, wenn die Eltern das Geld nicht hatten.

6 Kilometer gingen wir zu Fuß zum Schwimmen.

Geld für das Fahrgeld mit der Straßenbahn hatten wir nicht.

Bei Wind und Wetter, eisiger Kälte, aber auch im Hochsommer, machten wir uns auf den Weg.

Es gab Zeiten, da wollte ich keine Mütze aufsetzen, im Winter, und prompt hatte ich ein Mandelentzündung.

Du hast mich gewähren lassen, Papa, und Mama hat geschimpft, sie musste mich ja schließlich wieder gesund pflegen.

Ich habe noch die Berge von geschmierten Wurstbroten vor Augen, die wir nach unserem Schwimmtraining zum Abendbrot verspeist haben.

Zu Deinem Leidwesen konnte ich keine Schwimmmeisterschaften mitschwimmen.

Angst und Aufregung haben mir einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Als ich aus der Volksschule kam, bin ich nicht mehr zum Training gegangen, weil ich viel für die Handelsschule lernen musste.

Danach die Lehre bei einer englischen Bank.

Wieder keine Zeit zum schwimmen.

Dann die Zeit des Verliebens.

Des Tanzens.

Später die Gründung einer Familie,  für die dann zu sorgen war.

Da warst Du Papa schon gestorben.

Viele Jahre kein Schwimmen.

Die Pflege von Mama.

Es war zu viel, was ich auf meinen Schultern getragen habe.

Ich musste wieder in Bewegung kommen.

Und weißt Du noch, Papa, als ich nach meiner Arbeit jeden Tag zum Schwimmen gegangen bin? Das hat meinen Schultern gefallen.

Und Dir hat das auch gefallen.

Du hast ja ja immer zugeschaut, nicht wahr?

Und jetzt schaust Du immer noch zu, wenn ich meine Bahnen ziehe.

Hör mal, ich habe ein Gedicht geschrieben:

„Wasser

 

Wasser umspült meine Sinne

Ich beginne

zu träumen

Von

Unterwasserbäumen

 

Wasser

Mein Lebenselixir

Ich komme von Dir

Gehe zu Dir

 

Nur in Dir will ich sein

In Dir will ich leben

Nur Du kannst Leben geben

 

Auch wenn ich nicht mehr bin

In Dir liegt meine Seele verborgen

In Dir wird immer wieder Morgen

 

( © Monika Zelle  21. April 2016 )

( © Monika Zelle 16.01.2019 )

 

 

 

 

 

 

 

Ich

 

 

Zeitweise dachte ich, ich wäre gar nicht das Kind meiner Eltern, sondern das Kind meiner angeheirateten Tante, der ich, meiner Meinung nach, viel ähnlicher sah, als meinen Eltern.

Da gab es dann noch meinen Cousin, den Sohn meiner Tante, der mir ähnelte, wie ein Ei dem anderen, so dass ich der festen Überzeugung war, er ist mein Zwillingsbruder.

Mit dieser Annahme trieb ich meine Eltern zur Verzweiflung.

Meine Mutter stellte dann eine ganz logische Rechnung auf.

„ Dein Cousin kam am 10. Dezember 1947 zur Welt.

Du bist am 26. Mai 1947 geboren.

Wie soll Deine Tante schon nach einem halben Jahr wieder ein Kind geboren haben?

Das geht nach Adam Riese überhaupt nicht.

Wer war Adam Riese.

Kannte ich nicht.

Wollte ich auch gar nicht kennen.

„ Wir sind ein Zwillingspaar.

Ihr habt das Geburtsdatum gefälscht!“ behauptete ich.

Meine Mutter verdrehte die Augen und schwieg.

Ich verkroch mich in mein Zimmer, und grübelte, von wem ich wohl abstammte.

„ Vielleicht habt ihr mich adoptiert?“ fragte ich meine Mutter.

Sie holte meine Geburtsurkunde aus der Schublade, in der die Familiendokumente aufbewahrt wurden.

„ Hier, sagte sie, schau, lesen kannst Du ja schon!“

Da kann ja viel stehen, dachte ich, so kurz nach dem Krieg war alles möglich.

Bestärkt wurde ich in meiner Annahme noch durch meine Freundin Christa.

Auch sie glaubte, nicht das leibliche Kind ihrer Eltern zu sein.

„ Das schlimmste sei, dass sie uns nicht einmal gefragt haben, ob wir ihre Kinder werden wollen!“ philosophierten wir.

„ Bei so einem strengen Vater hätte ich niemals Kind werden wollen“, sagte meine Freundin.

Meine Mutter verpasste mir fast jeden Tag eine Ohrfeige, da hätte ich auf ihr Kind sein auch gut verzichten können.

Meine Tante war viel freundlicher, und ich beschloss, zu ihr zu ziehen.

Wie schön wäre es, jeden Tag mit meinem Zwillingsbruder verbringen zu können.

Daraus wurde leider nichts.

Mein gutmütiger Vater wollte auf keinen Fall auf mich verzichten.

Ich eigentlich auch nicht.

Ich war doch seine Prinzessin.

 

 

( copywrite Monika Zelle  21. November 2016 )