Der Weg ist das Ziel
Sie setzt einen Fuß vor den anderen. Neben ihr ihre Freundin Bärbel. Wie waren sie nur auf diese Wahnsinnsidee gekommen, den Jacobsweg von St. Jean, in Frankreich beginnend, nach Santiago de Compostela zu laufen, und das im Hochsommer.
Die Sonne brennt, keine Wolke in Sicht. Vollkommen verschwitzt gönnen sie sich eine Pause am Fluss Arga, der sich gemächlich durch die Landschaft schlängelt. Sie entledigt sich ihrer Kleidung, und nimmt ein erfrischendes Bad.
Die Freundin badet nur mit den Füßen. Die Blasen schmerzen, müssen verarztet werden.
Die Familie ist schon längst mit dem Flieger in La Coruna gelandet, und verbringt dort herrliche Tage am Meer. Der Flug war ein Sonderangebot, einschließlich Mietwagen und Ferienhaus. Hoffentlich sagt es ihnen zu, und ist für die zehnköpfige Familie und die beiden Hunde geräumig genug. Der Garten schien auch groß genug zu sein auf dem Foto.
Ein bisschen neidisch war sie schon, jetzt nicht bei der Familie zu sein, ihre Freundin auch.
Sie hätten eine begleitete Reise machen können, wo das Gepäck in einem Auto gefahren wird, und wenn eine Person schwächelt, in dem Auto ein Stück mitfahren kann….
Aber das wollte sie und ihre Freundin auf keinen Fall.
Frei und unabhängig sein um jeden Preis, trotz ihres relativ hohen Alters.
Ihrer Seele die Gelegenheit geben, sich von den vielen Strapazen, und gesundheitlichen Beeinträchtigungen der letzten Jahre, zu erholen.
Sie baumeln lassen…
Die beiden Frauen nehmen frisch gestärkt durch das kühle Bad, und etliche Pflaster an den Füßen ihren beschwerlichen Weg wieder auf. Wie heißt es so schön?
Wer A sagt, muss auch B sagen…..
Weiter geht’s, ein Schritt vor den anderen.
Sie übernachtet nicht in einer der überfüllten Herbergen.
Sie hatte für sich und Bärbel günstige Pensionen in den Dörfern nahe des Jakobsweges für jeweils eine Übernachtung gebucht.
Die Idee war den beiden auf ihrem Klassentreffen gekommen, das jedes Jahr am 2. Dienstag im April stattfindet. War es eine Schnapsidee? Man wird sehen!
Ihr Lehrer, 95 Jahre alt, war mit seiner Frau, 89 Jahre alt, auch immer noch dabei.
Sie bereisen oft Norwegen, um ihre Kinder hoch oben im Norden des Landes zu besuchen. Er fand die Idee der beiden Frauen sensationell.
Als ehemaliger Sportlehrer der Klasse, immer noch ziemlich fit, begrüßte er diese Idee voll und ganz.
Bärbel und sie mussten es einfach schaffen, auf Biegen und Brechen, auch wegen ihres Lehrers. Sie mussten sich beweisen.
Zumal die anderen Ehemaligen ziemlich skeptisch dreingeschaut haben.
Per Whats App konnte ihr Lehrer den Weg täglich begleiten, das hatte er sich ausbedungen.
Pamplona, die Stadt der immer noch blutigen Stierkämpfe, hatten sie inzwischen verlassen.
Täglich um 8 Uhr laufen die Stiere, begleitet von den Menschen, außer Schwangeren und Kindern, durch die Straßen. Es wird empfohlen, vorwärts zu laufen, auf keine Fall rückwärts, sonst ist man verloren.
Weiter laufen, immer weiter, jetzt haben sie über Logrona Burgos bald erreicht.
Die zwischenzeitliche Übernachtung mit dem köstlichen Abendessen hat sie für den nächsten Tag gestärkt. Auch die Blasen an den Füßen schmerzten nicht mehr so heftig.
Nach Burgos hätten sie es in ein paar Wochen über Leon und Sarria dann auch geschafft.
Aber es war noch eine ordentliche Strecke zu bewältigen.
Täglich versicherten sie ihren Angehörigen über Whats App Video, dass sie zwar sehr erschöpft, aber dennoch gesund und glücklich wären.
Immer ein Fuß vor den anderen. Der Weg ist das Ziel……
You never walk alone.
( © Monika Zelle 10.04.2025 )