Martha Koch

Martha Koch

Martha Koch war seit nunmehr 30 Jahren eine fleißige und zuverlässige Stenographin  bei Gericht.

Meistens stenografierte sie in der Abteilung für sehbehinderte Menschen.

Sie wurde von der jungen Richterin Mertens hoch geschätzt.

Wenn ihre Arbeit in den Verhandlungen beendet war, setzte Martha sich an ihre Schreibmaschine, tippte den stenografierten Text ab, und sortierte ihn zu den Akten.

Da die Menschen, die zu ihr kamen, wie schon erwähnt, sehbehindert waren, hatte sie auch die Aufgabe, sie vorher zu betreuen, das hieß, sie in den Warteraum zu führen, und danach auch in den Gerichtssaal. 

Martha Koch erledigte auch diese Aufgabe sehr umsichtig, zuverlässig und immer freundlich. 

Als sie eines Morgens aufwachte, verspürte sie einen stechenden Schmerz in ihrem Nacken. Sie konnte ihren Kopf weder nach rechts noch nach links bewegen.

Zu Gericht konnte sie nicht gehen, was ihr im wahrsten Sinnen des Wortes, schwere Kopfschmerzen bereitete. In ihrer gesamten Dienstzeit war sie fast nie krank.

Mühsam schleppte sie sich aus dem Bett zum Telefon, und rief im Büro an.

Noch mühsamer zog sie sich an, und rief ein Taxi.

Ihr Hausarzt überwies Martha zu einem befreundeten Orthopäden, der ein schweres HWS Syndrom diagnostizierte.

Es dauerte ein halbes Jahr, bis sie nach einer OP soweit wieder hergestellt war.

Richterin Mertens rief Martha zu einem Gespräch.

Es täte ihr sehr leid, sagte die Richterin, aber nach so langer Zeit musste sie sich nach einer anderen Stenografin umsehen, und wohl in Zukunft auf ihre Dienste verzichten. 

Martha fiel aus allen Wolken. Man wollte sie also loswerden. Ging das überhaupt?

Verstört setzte sie sich an ihren Schreibtisch und überlegte.

Sollte sie einmal bei ihrem Personalrat anrufen? 

Einige von ihren Sehbehinderten schauten kurz bei ihr rein, und freuten sich, dass sie wieder da war…..

Unverrichteter Dinge verließ sie abends das Gerichtsgebäude, und lief ziellos durch die Straßen.

Nach ein paar Tagen meldete sie sich wieder krank. Sie blieb den ganzen Tag im Bett,

Nur um die Post in ihrem Briefkasten kümmerte sie sich noch.

Eines Tages erhielt Martha das Kündigungsschreiben. 

Mit letzter Kraft ging sie zu der Richterin Mertens und flehte sie weinend an, sie doch weiter zu beschäftigen. Die wollte sich etwas überlegen. 

Wieder wartete Martha tagelang untätig in ihrem Büro. 

Der straffällig gewordene sehbehinderte Reeder Nikolai Kramer sprach sie an, warum sie nicht mehr stenographierte. Martha ging mit ihm in einen Nebenraum.

Der Mann bot ihr an, bei ihm als Büroleiterin zu arbeiten.

Ihr Herz tat einen Freudensprung. 

Martha war selig. Tagelang malte sie sich aus, wie es wohl wäre, nicht mehr in den verstaubten Gerichtsräumen sitzen zu müssen, sondern in den hellen freundlichen Büroräumen des Reeders, mit Blick auf den Hafen, wo sie sich in die weite Welt träumen konnte…….

Doch dann rief die Richterin Martha zu sich und  sagte, sie könne in der Dienststelle und bei ihr zu Hause als Reinigungsfachkraft arbeiten………..

( © Monika Zelle 08.11.2022 )

Schnee

Schnee

Sobald die ersten Schneeflocken fallen, macht mein Herz vor Freude einen Sprung.

Und, ich kann ihn vorher riechen den Schnee.

„ Heute Abend gibt es Schnee“, sagte ich dann zu meinen Kindern. 

„ Wir können noch einen Schneemann bauen!“

Die Kinder jubelten.

Denn sie wussten, wenn Mama sagte es gibt Schnee, dann konnten sie sich darauf verlassen.

Und tatsächlich, einige Stunden später schneite es in dicken Flocken vom Himmel, und wir stürmten hinaus auf die Michelwiese, um einen großen dicken Schneemann, mit Kohlenstückchen als Augen und einer Wurzel als Nase zu bauen.

Am nächsten Tag wurde dann selbstverständlich der Schlitten aus dem Keller geholt, um am Bismarck rodeln zu gehen.

Auch heute noch kann ich den Schnee vorher riechen. Frei nach meinem Lieblingsfilm

„ Miss Smillas Gespür für Schnee“. 

Wenn es dann schneit, macht mein Herz wie früher vor Freude einen Sprung, ich stürme hinaus, und genieße das Knirschen unter meinen Steifelsohlen.

Natürlich forme ich auch einen Schneeball, und werfe ihn dann gegen ein Auto oder ein Straßenschild. 

Berühren die Flocken dann mein Gesicht, bin ich der glücklichste Mensch auf der Welt.

( © Monika Zelle 30.10.2022 )

Regentage

Sie liebt Regentage, dann kann sie ihrer Melancholie nachhängen.

Ihre Traurigkeit pflegen, ihren Depressionen freien Lauf lassen.

Der Regen weint, sie weint.

Ihr Weinen hat somit eine Daseinsberechtigung.

Sie kann sich fallen lassen.

Einkuscheln in ihre warme weiche Wolldecke. 

Doch dann wendet sich das Blatt.

Sie will ihn spüren, ihren Regen.

Es gibt kein schlechtes Wetter, nur die falsche Kleidung, sagte ihre Mutter früher.

Also zieht sie ihre Regenjacke, ihre Regenhose und Gummistiefel an. 

Bloß keinen Regenschirm. Das ist was für Touristen, wie die Hamburger sagen.

Sie stürmt hinaus.

Regen peitsch ihr ins Gesicht.

Treibt ihr die Tränen in die Augen.

Keine Menschenseele auf der Straße, so kann sie ihrer Einsamkeit frönen.

Unaufhörlich stürzt das Regenwasser wie ein reißender Fluss die Straße hinunter, um von den Sielen verschluckt zu werden. 

Regen auf ihrer Haut.

Völlig durchnässt entflieht sie ihm.

Wieder in ihre warme Stube.

Eine heiße Regendusche erhellt ihr schweres Gemüt.

Der Tränenfluss hört auf. 

Sie ist erleichtert, ihr Regen hat sie für heute gerettet.

( © Monika Zelle 25.10.2022 )

Es ist wieder so weit.

Overwerder wir kommen.

Mit einer Gruppe Unerschrockener des Schwimmvereins Vorwärts geht es in die Vier-und Marschlande. Mit dem Bus natürlich. Ein Auto besitzt in den 1950iger Jahren noch fast niemand. 

Alle reden durcheinander.

Overwerder, eine kleine Gartenhaussiedlung an der Elbe. Einige Mitglieder haben hier ein Gartenhäuschen. 

Wir versammeln uns im Vereinshaus, und ziehen unsere Badeanzüge oder Badehosen an..

Außentemperatur höchstens 8°.

Erfahrungsgemäß ist das Wasser aber immer etwas wärmer.

Zitternd und frierend laufen wir die 50 Meter bis zum Wasser.

Und jetzt nichts wie rein.

Hustend und prustend schwimmen wir uns warm.

Das Wasser hat höchstens 12°.

Aber wir halten durch. 

Je länger wir aushalten, desto schneller gewöhnen wir uns an die Kälte. 

Am schönsten ist das Gefühl, aus dem Wasser herauszukommen, die Kleidung anzuziehen, und vor dem Kaminfeuer des Vereinshauses Erbsensuppe zu essen. 

Der ganze Körper kribbelt und ist wunderbar durchblutet. 

Alle Jahre wieder, das Anbaden im April.

(© Monika Zelle 26.10.2022 )

Die Geißel

Die Geißel

Das quietschende Schloss wurde geöffnet. Die braune Holztür knarrte. 

Als Hagen versuchte das spärliche Licht mit den Augen zu durchdringen, hörte er ein leises Wimmern. 

In der Ferne krähte ein Hahn.

Das Wimmern wurde lauter. 

Er schaltete das Licht an. 

Die achtjährige Lina saß zusammengekauert auf der zerschlissenen, schmutzigen Matratze. In dem kahlen Kellerraum roch es bestialisch. 

Die Kälte drang durch Mark und Bein. Selbst Hagen fror wie ein Schneider.

Lina zitterte am ganzen Laib, als er den Raum betrat. Beinahe wäre ihm das Geschirr von Tablett auf den Boden gerutscht, als er seine Wollmütze über den Kopf zog. Durch die engen Schlitze war nicht einmal seine Augenfarbe zu erkennen. 

Er stellte eine Kumme mit Milch und Cornflakes auf den Boden. 

Verängstigt schaute das Mädchen ihn an. Irgendwie tat sie ihm Leid. Doch es gab keinen Weg zurück.

Vor vier Tagen hatte Hagen sie auf ihrem Schulweg gepackt, und sie in seinen Lieferwagen gestoßen. Tagelang vorher hatte er sie beobachtet. Sie ging immer allein.

Zügig  und selbstsicher schritt sie voran. Ein selbstsicheres Mädchen fand er. 

In der Kate mitten in der Pampa angekommen, rief er über das Smartphone von Lina ihre Eltern an, und forderte 500.000 Euro Lösegeld. Keine Polizei!! Ihm stand das Wasser bis zum Hals.

Als Elektriker hatte er seine Arbeit verloren, und die Schulden wuchsen ihm über den Kopf. Bis jetzt hatten Linas Eltern nicht reagiert. Liebten sie ihre Tochter nicht?

Sie hatten doch Kohle wie Heu, eine große Villa am Stadtrand.

Lina konnte kaum den Löffel halten, um das Frühstück zu sich zu nehmen. Immer wieder kleckerte etwas Milch auf den Boden. Das machte Hagen wütend. Er riss ihr die Kumme weg, und stieß sie auf die Matratze zurück. Lina schrie, sie hatte sich den Kopf am Heizungsrohr gestoßen. „ Nur eine kleine Beuel“, meinte er,“ nicht so schlimm!“

Das Smartphone von Lina klingelte.

„ Wenn Sie glauben, dass Sie auch nur einen Cent von uns bekommen, haben sie sich geirrt, dass können Sie sich abschminken!“ Das Gespräch wurde abrupt beendet.

Wütend kettete Hagen Lina mit einer Handschelle am Heizungsrohr an. Man wusste ja nie. Er verließ den Raum, ohne dem Mädchen noch eines Blickes zu würdigen. 

Vor Wochen hatte er im Internet recherchiert. Der Vater der Kleinen, ein Bankdirektor, sollte doch in der Lage sein, seiner Tochter zu helfen. Die Eltern liebten das Kind nicht.

Das stand für Hagen fest. Genau wie er. Er war auch ein ungeliebtes Kind. 

Er ging in die kleine Wohnstube der Kate, wo ein loderndes Feuer im Kamin prasselte.

Er legte noch ein paar Scheite Holz auf, setzte sich auf das kleine Sofa an den Tisch, und goss sich ein Glass Whisky ein. 

Eine wohlige Wärme breitet sich in ihm aus.

Plötzlich sprang er auf. Wo war das Smartphone. Scheiße, er hatte es im Kellerraum vergessen. 

In der Ferne hörte er eine Polizeisirene. 

( © Monika Zelle 27.09.2022 )

Neretva

Neretva

Verschlafen lag es da, das kleine Städtchen Orebic auf seiner Halbinsel, 40 km westlich von Dubrovnic. 

Frühmorgens tuckerten die Fischer mit ihren Booten aufs Meer hinaus, um ihre Netze auszulegen, deren Fang sie Mittags am kleinen Hafen zum Verkauf feilboten.

Dann fielen sie ein, die Busse mit ihren Touristen, wie Bienenschwärme auf die Blüten, um in den neu erbauten Hotels ihre Zimmer zu beziehen.

Die Sonne Jugoslawiens brannte, da konnten sie in den ersten zwei Tagen nur ein Schattendasein führen. Wer sich dennoch der Sonne aussetzte, musste mit einem gefährlichen Sonnenbrand bis hin zum Sonnenstich rechnen.

Eine Bergwanderung führte nicht selten zu einer Kate der bitterarmen Bergbauern, 

die ihre Gäste mit schwerem roten Landwein, Schinken und selbstgebackenem Weißbrot bewirteten, um sie dann lachend, mit den Blicken ihrer tiefschwarzen Augen zu begleiten, wenn diese wieder ins Dorf hinunter torkelten.

Bei einem abendlichen Spaziergang klang Musik aus der Dorfkneippe herüber.

Zu heimatlichen Klängen stampften die Bauern mit ihren Füßen auf, und wiegten sich im Takt. Es duftete nach Civapcici, dessen Schärfe den Nichteinheimischen beim Verzehr die Tränen in die Augen trieb. 

Nachts wies Der Mond den Gästen den Weg zu Musik und Tanz zum benachbarten Hotel.

Leise klatschten die Wellen des Meeres an den Strand.

Langsam bewegten sich die Paare zur Musik der Hotelband, oder saßen in der lauen Sommernacht bei Campari Soda an ihren Tischen und unterhielten sich leise. 

Am nächsten Morgen führte sie ihre Reise entlang des türkisfarbenen Flusses Neretva, dessen Schaumkronen wie kleine quirlige Seifenblasen auf den Wellen tanzten, zu dem Dorf Mostar, das seinen türkischen Einschlag nicht leugnen konnte.

Auf der legendären Brücke aus Römerzeiten stürzten sich junge Männer in den Fluss, um wie Pfeile durch das relativ flache Wasser zu schießen. Wieder oben angekommen reichten sie ihre Sonnenhüte für einen Dinar herum.

Noch ahnten sie nicht, dass hier in 1990iger Jahren ein blutiger Bürgerkrieg toben, der tausenden und abertausenden Menschen das Leben kosten, und ihr Land und ihre Seele tief erschüttern würde.

In einer Privatwohnung reichte eine Familie den Touristen und Touristinnen schwarzen süßen Tee. Eine Touristin mit schwarzen Haaren und dunkelbraunen Augen probiert eine bunte türkische Tracht, die sie wie eine Einheimische aussehen lässt. Ihre Freundin fängt diesen Augenblick mit einer Klick Klack ein. 

Am nächsten Tag folgte eine Pause am Strand.

Das unvergleichlich glasklare tiefblaue Wasser des Meeres lädt zum Schwimmen ein. 

So manche Liebesgeschichte findet hier ihren Anfang, sowie ein jähes Ende.

So wie die von Maria und Jelko, dem Medizinstudenten aus Sarajewo und der Touristin aus Hamburg.

Sie treffen sich, lieben sich, und werden sich am Ende nie wieder sehen.

( © Monika Zelle  13.05.2022 )

.

Vom sich Irren

Vom sich irren

Sie hatten sich geirrt

Die Menschen sind verwirrt

Als Deutschland ist besiegt

Nichts mit „ Wollt ihr den totalen Krieg“

Welcher Teufel hatte sie geritten

Als sie in den Kriegswirren sich mit anderen Ländern stritten

Und diesem Irren folgten bis ins Verderben

Um ein tausendjähriges Reich zu werden

Und nun?

Sie wollen haben nichts gewusst

Von der Ermordung und dem Verlust

Von 6 Millionen Juden

Die Hitler und seine Helfers Helfer ließ vernichten

Um am Ende sich feige selbst zu richten 

Die Nachkriegskinder haben es auszubaden

Und müssen sich fragen

Wie können Menschen sich immer wieder irren

Und verfallen diesen Kriegswirren

Immer wieder ziehen sie in Kriege

Am Ende gibt es keine Siege

Nur verbrannte Erde mit vielen Toten

Verantwortlich sind die Despoten

Die leben in ihrem Schlaraffenland

Und fahren das Leben anderer gegen die Wand

Mütter sagt Nein

Wann geht es in Eure Köpfe rein

Das Eure Söhne und Töchter keine Waffe mehr in die Hand nehmen

Sondern sich gemütlich zurücklehnen

In ihrem Sessel

Um sich zu befreien von jeglicher Fessel

Wann werden die Waffenschmieden endlich geschlossen

Und nicht mehr zurück geschossen

Die Menschen endlich in Frieden leben

Und sich die Hände und das Versprechen geben

„ Nie wieder Krieg“

und sagen sie haben sich geirrt

waren nur verwirrt

als sie Despoten gaben das Versprechen

sich an fremden Menschen zu rächen

Es könnten Freunde sein die für ihr Vater oder Mutterland sterben

Und rennen ins Verderben

Über 70 Jahre Frieden in Europa?

Abgesehen von dem Völkermord

Wo?

Im ehemaligen Jugoslawien und Kosovo!

Ja

Aber nur durch Säbel rasseln und Aufrüsten

Atombombenversuchen in den Wüsten

Die Menschen brauchen ihre Heldin ihren Held 

Und immer noch regiert das Geld die Welt

In meinem Büchergetümmel

Fand ich einen Spruch von Johannes Maria Simmel

„ Ich trinke auf das Wohl aller weisen Politiker

und tapferen Generäle

aller wunderbaren Ideologen

und verehrungswürdigen Bewahrern sämtlicher Religionen

die in dieser Welt seit Jahrtausenden um Frieden Freiheit Glück und Gerechtigkeit kämpfen

und auf das Wohl aller armen Schweine

die diesen blutigen Schlamassel auszubaden haben“

Und die Päpste segnen die Waffen

Als hätten sie nichts zu schaffen

Mit dem Gebot

„ Du darfst nicht töten“

alle Moral geht da flöten

Und wenn Menschen keine Kriege machen

Finden sie andere Sachen

Die Erde zu zerstören

Sie wollen einfach nicht hören

Auf die Schreie der Natur

Es gibt für uns nur eine Erde auf der Welt

Und am Ende können wir nicht essen unser Geld

Drum Leute hört auf die Ressourcen zu verprassen

Eure Enkel werden euch dafür hassen

Hört auf wenigstens mit kleinen Schritten

Vielleicht sogar beritten

Eure Erde auszubeuten

Um mit vielen Leuten

Wenigstens einen Anfang zu machen

Sonst hat unsere Enkelgeneration nichts mehr zu lachen

Wir können nicht sagen wir haben nichts gewusst

Um zu befeuern unseren Frust

Seit Jahrzehnten schmelzen die Pole

Nicht zu unserem Wohle

Das Ozonloch wird immer dünner

Und es kommt noch schlimmer

Die Natur lässt sich nicht betrügen

Sie wird die Menschheit mit ihren Urgewalten bekriegen und besiegen.

Es ist zu spät zu sagen wir haben uns geirrt

Und zu sein verwirrt.

( © Monika Zelle 16.08.2022 )

Was ich schon immer wusste

Was ich schon immer wusste

Was ich schon immer wusste ist, dass ich später einmal unbedingt 6 Kinder haben wollte. Was ich nicht wusste war, dass das kein Sonntagsspaziergang wird.  Mein Dilemma war, dass ich nie einen Mann kennen lernte, der gerne Kinder mit mir gehabt hätte. Am Ende sind es zwei wunderbare Kinder geworden, mit einem Mann, dem es egal war, ob er Kinder hat, oder nicht, und wenn ich wollte, dass er etwa mit Ihnen spielte, sagte er immer:“ Du wolltest die Kinder!“

Wenn ich als Kind in einen Kinderwagen schaute, wo ein Baby drin lag, fing es unweigerlich an zu weinen. Wahrscheinlich lag es an meinem bösen Blick, den man mir nachsagte, der mir aber in dem Moment überhaupt nicht bewusst war.

Auf keinen Fall aber wollte ich so früh Kinder bekommen wie mein Bruder.

Erst einmal das Leben genießen, Männer kennen lernen, Erfahrungen machen, um nicht die Katze im Sack zu kaufen. 

Als ich 16 Jahre alt war, fuhr ich meine kleine Cousine in der Heide in ihrer Karre spazieren, und ließ sie Schafsköddel essen, weil ich gehört hatte, dass kleine Kinder alles probieren und ausprobieren sollen. Später hat diese Cousine dafür gesorgt, dass mein Bruder unser Heideland an ihre Freundin verkaufte. Aber das nur so nebenbei.

Ich liebe Kinder über alles, sowie ich sie sehe, wird mir warm ums Herz.

Kinder muss man fördern, das wusste ich schon ganz früh, und habe es auch bei meinen beiden Kindern ausgiebig getan, was sich als überaus erfolgreich erwies.  

Jahrelang habe ich Kindern in einer Förderschule ehrenamtlich Geschichten vorgelesen. Sie konnten leider mit 10 Jahren noch nicht richtig lesen und verstehen.

Wenn sie Geburtstag hatten, schenkte ich ihnen ein Buch. Das glückliche Strahlen in ihren Augen vergesse ich nie. Ein Junge aus einer Romafamilie in meiner Nachbarschaft ging auch in diese Schule. Er kam dann nachmittags zu mir zum Lesen üben. Wir beide hatten eine gute Zeit. Heute ist er 30 Jahre alt, und hat eine Friseurlehre absolviert.

Ich bin stolz auf ihn, und wenn wir uns treffen, hat er immer ein gutes Wort für mich.

Heute habe ich eine kleine Enkelin. Inzwischen ist sie 8 Jahre alt.

Wie viele Kinderbücher mag ich ihr wohl vorgelesen haben? Unzählige.

Heute kann sie selbst lesen. Mein Slogan für sie heißt: „ Lesen bildet!“

Wie viele Lieder habe ich ihr wohl vorgesungen, weil Musik Balsam für die Seele ist.

Heute liebt sie Rollenspiele wie Leo und Tigres, Lena und Sarah mit Lina und Annabell,  Bibi und Tina oder Superhelden, meistens am Telefon, oft stundenlang. Wir vergessen einfach die Zeit.  Ihre Woche ist doch ziemlich ausgefüllt, seit sie in die Schule geht, Geige Spielt und tanzt. 

Gerne würde ich Kindern in Schulen oder Kitas wieder vorlesen, aber seit Corona bin ich vorsichtig geworden. Auch für meine Nachbarskinder wäre ich gerne da, aber wie gesagt. 

Kinder werden immer meine große Leidenschaft sein, und ich hoffe, dass ich sie, und auch meine Enkelin noch lange lange erleben darf. 

Ich hoffe nur für die Kinder dieser Welt, dass die Politiker * Politikerinnen, die Eltern,  und überhaupt alle Menschen dieser Erde es mit kleinen Schritten hinbekommen für sie eine lebenswertere Welt zu gestalten. 

Da fällt mir noch das Lied von Su Kramer ein. „ Kinder der Liebe sind wir alle auf der Welt.“ 

„ Kinder der Liebe sind wir alle auf der Welt.“ 

( © Monika Zelle  02. August 2022 )

Erlebnis im öffentlichen Nahverkehr

Erlebnis im öffentlichen Nahverkehr

Als unsere Enkelin noch in die Kita ging, holten wir sie einmal in der Woche von dort ab.

Zuerst ging es mit dem Bus zum Harburger Bahnhof,  weiter mit der S-Bahn bis Landungsbrücken.

Dann war es eines Tages wieder so weit. Die S-Bahn von Harburg in Richtung Innenstadt fuhr nicht, wegen Gleisbauarbeiten.

Nun hieß es rüber laufen zum Fernbahnhof und in den Metronom, der wie immer in der Zweiten Klasse völlig überfüllt war. Ja, es gibt noch die 1. Und die 2. Klasse im Metronom.

Wir begaben uns wie so oft einfach in die 1. Klasse, weil wir uns das Gedrängel in der 2. Klasse nicht zumuten wollten.

In dem Wagen der 1. Klasse saßen nur 2 weitere Personen. Na Bitte.

Eigentlich ein Unding, wie ich fand. 

Kontrolliert wurde von Harburg bis Hauptbahnhof ohnehin nicht mehr. War ja nur eine Station.

Aber einmal hatten wir uns in den Finger geschnitten. Die Zugbegleiterin im Metronom kam zum kontrollieren. Unsere Enkelin war ja noch so klein, dass sie keine Fahrkarte brauchte. 

Ich zeigte der Schaffnerin meine normale Seniorenkarte vor. Im Jahresabonnement kostete sie monatlich damals auch schon 43 Euro. Ist ja kein Pappenstiel.

Die Schaffnerin sagte zu mir: „ Sie befinden sich hier in der 1. Klasse des Metronom, und hätten eine Fahrkarte mit dem Zuschlag lösen müssen!“

Ich fiel aus allen Wolken.

Dann kontrollierte sie meinen Mann.

Wie von Zauberhand hatte er eine Fahrkarte mit dem Zuschlag in der Hand.

Entgeistert schaute ich ihn an.

Die Schaffnerin kontrollierte die Karte und meinte zu mir:“ Sehen Sie, ihr Mann wusste Bescheid, er hat die erforderliche Fahrkarte für die erste Klasse gelöst.“

Ich nickte beschämt.

„ Na ja“, meinte die Zugbegleiterin, „ Diesmal will ich noch ein Auge zudrücken, aber beim nächsten mal lösen sie bitte den Zuschlag, wenn sie in der ersten Klasse sitzen wollen!“

Ich nickte wieder.

Als die Schaffnerin weiter gegangen war, um die anderen Fahrgäste zu kontrollieren,

grinste mein Mann, und zeigte mir seine Fahrkarte.

Das Datum darauf wies nicht den damaligen Tag aus. .

Grau fahren sagt der Volksmund dazu.

Wir sind nie wieder in der 1. Klasse grau gefahren, das war uns dann doch zu peinlich.

( © Monika Zelle   14. Juli 2022 )

Federn lassen

Federn lassen

Lina wälzt sich in ihrem Bett hin und her. 

An Schlaf, nicht zu denken.

Der Berg, der sich vor ihr auftürmt, ist nicht mehr zu erklimmen.

Sie denkt an früher. 

An die goldenen 1970iger oder auch zum Teil noch 1980iger Jahre.

Als sie eine Familie gegründet hat. 

Ja,  da musste sie auch den Pfennig in der Hand umdrehen, genau wie ihre Eltern  nach dem unseligen Krieg.

Und jetzt? Es ist wieder Krieg in Europa.

Schon als Lina in den Ruhestand trat, musste sie Federn lassen.

Nach 50 Jahren Arbeit.

Kein Auto mehr, keine kulturellen Veranstaltungen, keine Restaurantbesuche.

Und dann kam Corona. 

Die sportlichen Aktivitäten fielen buchstäblich ins Wasser.

Kein Schwimmen gehen, keine Muckibude mehr.

Sie saß zu Hause, machte immer nur Pause. Zwangsläufig.

Die Decke fiel ihr auf den Kopf

Nur Einkaufen und Spazieren gehen war erlaubt.

Sie kannte die Wege schon in und auswendig, die sie jeden Tag lief.

Und jetzt? Corona ist nicht vorbei, obwohl die Menschen so tun.

Alles wird teurer.

Wenn Lina an ihre Betriebskostennachzahlung denkt, wird ihr angst und bange.

Und dann demzufolge die Mieterhöhung.

Der Angstschweiß kriecht auf ihre Stirn.

Sofort hat sie die Heizung auf Null gedreht, obwohl es draußen noch kalt war.

Im Waschbecken sammelt sie das Wasser, um sich mehrere Male die Hände darin zu waschen. 

Wie früher, auf ihrem Heideland. Da hatten sie auch mit Wasser sparen müssen, weil sie es mühsam, wie der Hummel, von der zwei Kilometer weit entfernten Quelle heranschleppen mussten. Duschen? Nur einmal in der Woche.

Gewiss, wenn Lina kein Auto fährt, Heizung und Wasser spart, dann hat sie einen guten biologischen Fußabdruck. 

Wenn sie den Gürtel enger schnallt, kann sie auch sparen.

Aber was hat man dann noch, wenn man nicht mal mehr lecker essen kann, denkt Lina.

Jetzt kann sie erst recht nicht mehr einschlafen.

Auch der Krieg in Europa macht ihr zu schaffen.

Ist denn wirklich Corona und Putins Krieg an ihrer Misere Schuld?

Na ja, das Geld wird ja schon seit Jahren immer weniger wert.

Da war die Wende, dann kam der Teuro.

Aber jetzt? Die Inflation galoppiert voran wie ein Rennpferd beim Derby.

Und das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange.

Wird sie im nächsten Winter frieren müssen, weil Putin den Gashahn zugedreht hat?

Oder einfach nur, um Heizkosten zu sparen?

Oder ist Europa dann schon in Schutt und Asche gefallen?

Lina kann auch nicht mehr zu ihrer Datsche. Da hätte sie wenigstens einen Kohleofen und könnte Kartoffeln anbauen.

Soll sie sich einen Nebenjob suchen? In ihrem Alter?

Was, wenn sie die Miete nicht mehr bezahlen kann.

Das war schon immer ihre Angst, wie eine Obdachlose auf der Straße leben zu müssen, und nur das zu haben, was sie auf dem Leib trägt.

Es wird hell draußen.

Die Sirenen, die sie jede Nacht zu hören glaubt, haben nicht geheult.

Mir fallen noch keine Bomben auf den Kopf denkt sie.

Und während Lina sich nach einem kleinen Urlaub am Meer sehnt, fällt sie dann doch noch in einen unruhigen Schlaf . 

( © Monika Zelle 16.06.2022 )

Leidenschaft und Passion

Leidenschaft oder Passion

Und jetzt?……..

Sie ist fast verstummt, kann nicht mehr singen.

Das Leben hat sie das Schweigen gelehrt.

Manchmal hört sie an einem Tag höchstens zehn Worte. Gezählt hat sie sie noch nicht. Noch nicht.

Das einzige Highlight sind die Telefonate mit ihren beiden Freundinnen.

Da kommt Leben in ihr Leben.

Oder wenn sie mit ihrer Enkelin am Telefon Rollenspiele spielt. Hexe Lilli, Tigres und Leo, Lena und Sarah mit ihren Schwestern Annabell und Lina, oder auch Superhelden, da sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt, und das Reden ist garantiert. 

Ja, Kinder, die liebt sie, vor allem natürlich ihre Enkelin.

Sie hatte sich immer viele Kinder gewünscht, hätte vor der Geburt ihres ersten Kindes nie gedacht, mit wie viel Anstrengung es verbunden ist, ein Kind auf die Welt zu bringen, und es groß zu ziehen. Na ja, wie auch……

Familie, Arbeit, Zeitnot,Küche, Kinder, Computer, die langjährige Pflege der Mutter.

Ja, eigentlich hat sie ein Familienunternehmen geleitet, wofür sie aber bei weitem nicht entlohnt wurde. 

Musik, Tanz, Schwimmen, Gedichte schreiben, Reisen, das Singen im Chor ist völlig ins Hintertreffen geraten, und natürlich das Lesen…… einer ihrer Lieblingsbeschäftigungen.

Sie hat funktioniert, immer nur funktioniert. 

50 Jahre Tretmühle. Fremd bestimmt sein. 

Kleine Reisen, ja. Leidenschaftslos, alles leidenschaftslos. Das Schweigen im Walde……

Hätte sie ein anderes Leben haben können? Ja, ihr fehlte nur die Kraft und der Mut.

Als sie dann endlich ich den wohlverdienten Ruhestand gegangen ist, hat sie das Geschichten schreiben für sich entdeckt, und das war ihr großes Glück.

In Ihren Geschichten findet sie sich und ihr Leben wieder. Nur dort kann sie aufblühen und ihr Schweigen brechen 

In den ersten Monaten der Pandemie hat sie jede Menge Haikus geschrieben.

Haikus, die ihre Gedanken und Gefühle zum Ausdruck brachten.

Und dann ist da noch das Tagebuch für ihre innig geliebte Enkelin. 

Das Vermächtnis ihrer gemeinsam erlebten Zeit.

Ja, die Schreiberei ist zu ihrer liebsten Passion geworden. In ihr kann ihr niemand den Mund verbieten.

Wie gern würde sie wieder mit dem Singen anfangen, aber ihre Stimme ist mit dem Alter gebrochen. 

Dabei wurde in ihrer Familie den lieben langen Tag gesungen und geredet.

Ja, und nicht zu vergessen, das Schwimmen, was auch in ihrer Familie ganz groß geschrieben wurde. Alle waren im Schwimmverein, und ihr geliebter Vater hat vielen Kindern das Schwimmen beigebracht. Ehrenamtlich…….

Nach einer langwierigen Schultererkrankung ist sie nach der Arbeit jeden Tag zum Schwimmen gegangen, und hat das jahrelang fort gesetzt, bis…. ja bis Corona kam.

Da war es aus mit der Schwimmerei, und bis jetzt hat sie sich noch nicht getraut, wieder ins Schwimmbad zu gehen. Hinzu kommt der Fachkräftemangel. Viele Schwimmbäder sind geschlossen. 

Ach ja, da sind ja noch ihre vielen Liebhaber, die sie sehr leidenschaftlich geliebt hat, und von denen sie oft schmerzlich enttäuscht wurde, vielleicht, weil ihre Liebe zu stark war? Oder weil sie ihre Eifersucht nicht im Zaum halten konnte?

Dazu gibt es einen trefflichen Spruch:

„ Eifersucht ist Leidenschaft, die Eifer sucht und Leiden schafft!“

Und heute?

Sie lässt sich ihr Leben immer noch fremd bestimmen. Fühlt sich verantwortlich.

Nimmt ihr Leben nicht in ihre Hände.

Krankheit frisst ihren Alltag auf. 

Sie lebt tatsächlich nur noch in ihren Geschichten.

Heute sind ihre Gedanken ihre einzige Leidenschaft.

Sie fühlt sich wie ein Vogel im Käfig, der das Fliegen verlernt hat, oder es nie konnte?

 ( © Monika Zelle 05.06.2022)