La Marotte

Die Marotte

La Marotte

Ist ein französisches Wort

Kann auch werden zum Fluch

Wenn das Handtuch

Nicht hängt an der richtigen Stelle

Löst das aus eine Monsterwelle

Aus Verzweiflung hat er die Handtücher fotografiert

Damit sie sich nicht echauffiert

Ihre Bekannte sammelt Kühe

Da macht es große Mühe

Staub zu wischen

Auf Schränken und auf Tischen

Ihr Papa war immer eine Stunde zu früh am Zug

Bevor er machte einen Ausflug

Auch hatte er Panik vor Zugluft

Das brachte ihn schier in die Gruft

Er brauchte nur zum Fenster zu gucken

Und mit den Augen zu zucken

Schnell machte die Mutter die Klappe zu

Und es war a Ruh

Ihre Tante Lotte fing auf jeder Beerdigung 

Statt zu weinen an zu lachen

Und ließ es hinterher ordentlich krachen

Tanzen und singen

Sich in den Hüften schwingen

Wie Jaques Brel es sich gewünscht hat in seinem Song

Den die Tante hörte all night long

Ihre Freundin Maria summte immer wieder

Beim Essen kochen undefinierbare Lieder

Das konnte sie rasend machen

Dann lieber auf einer Beerdigung lachen

Freundin Karin hat einen Putzfimmel

Den nimmt sie wohl noch mit in den Himmel

Onkel Ewald fuhr sich ständig mit der Hand über Gesicht und Nase

Das machte er seit seiner Kindheit der alte Hase

Als ob er sich ständig spüren muss

Nun ist aber mit der Marotte endlich Schluss

Sonst wird es tatsächlich noch zu einer Marotte diese Reimerei

Und das ist ihr nicht einerlei

Ihr genügt schon der Fluch

Mit dem auf der Leine falsch hängenden Handtuch

Und er?

Er konnte nie pünktlich sein

Das war für sie eine große Pein

Beinahe hätt er seine große Liebe verloren

Die Frau die er hatte sich auserkoren

Flugs machte er ihr einen Heiratsantrag

Und sie hat ja gesagt.

( © Monika Zelle 19.09.2023 )

Veränderung

Veränderung

Leben ist Veränderung.

Veränderung ist Leben.

Viele Jahre war das Leben jeden Tag Veränderung für mich. Meine Kinder, meine Arbeit hielten mich auf Trab, jede Menge Leben eben.

Und dann die Urlaubsreisen, mit dem Bulli, meistens fuhren wir in unser geliebtes Frankreich. Häufig nach Südfrankreich, Clermont L`Herault, am Lac Salagou.

Wie oft haben wir in den Grotten des Flusses L`Herault gebadet. 

Dort gab es ein kleines Dorf, Sankt Guillem Le de Dessert, mit vielen kleinen Handwerksbetrieben, und einer Landwirtschaft. In dieses Dorf habe ich mich sofort verliebt. Später, wenn wir im Unruhestand sind, wollten wir hier leben. 

Viele Jahre haben wir dieses Dorf wieder besucht, und uns vorgestellt, wie schön es sein würde, hier zu leben. Von hier aus wollten wir dann Reisen mit einem größeren und moderneren Wohnmobil unternehmen.

Ja, der Unruhestand, der ist es im wahrsten Sinne des Wortes schon geworden. 

Ungläubig schauten wir auf unsere Rentenbescheide, da war nicht mehr viel drin, schon gar nicht ein neues Wohnmobil, oder gar ein Umzug nach Südfrankreich. Allenfalls könnten wir noch unsere Wochenenden auf unserem Grundstück in meiner geliebten Heide verbringen. Aber der Traum zerplatzte auch wie eine Seifenblase, weil mein Bruder mein Erbe einfach verkauft hat. Aber das ist eine lange Geschichte. Und wie sollten wir auch dorthin kommen, in die Heide, wir hatten ja nicht mal mehr ein Auto. Und so mit Sack und Pack per Bahn, das wäre dann doch zu anstrengend gewesen in unserem Alter. Den Bulli haben wir unserem Sohn vererbt, ist heute ein Oldtimer, und steht des Öfteren tatsächlich noch in unserer Straße. Wir sind nicht mehr mit dem Bulli unterwegs, weil er nicht mehr komfortabel genug für uns ist, und campen mögen wir auch nicht mehr so gerne. Mich überkommt aber doch manchmal so eine Wehmut, wenn ich aus dem Fenster schaue.

Ja, es ist immer noch ein Unruhestand, nämlich mit sehr wenig Geld jeden Monat über die Runden zu kommen. Es wäre ja mehr gewesen, wenn nicht die Wende und der Euro uns einen Strich durch die Rechnung gemacht hätte. Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl hat den Rentenstamm an die Menschen in den neuen Ländern verpulvert, die nie in unsere Rentenkassen eingezahlt haben. Nicht, dass ich ihnen es nicht gönne. Nein, keinesfalls.

„ Die Renten sind sicher“, hat der gutmütige Arbeitsminister Norbert Blüm einmal lauthals verkündet. Aber das ist alles Geschichte. Die Herren schauen sich längst die Radieschen von unter an. Und wir? Verreisen ist höchstens einmal im Jahr eine Woche nach Dänemark drin.

Na ja, immerhin, besser als nichts. Ansonsten sitzen wir zu Hause und machen immer nur Pause. Zudem hat mein Mann eine Blasen-und Nierenerkrankung, ist darum nicht mehr so mobil, und verbringt die meiste Zeit mit seinem Smartphone oder Computer auf dem Sofa und schweigt. Ich drehe meine täglichen Runden in den Wallanlagen oder am Hafen, und denke über mein Leben nach. Wenn ich dann mal wieder sehr verzweifelt bin, suche ich im Internet nach einer kleinen Wohnung in der Nähe meiner Enkelin. Doch dann verwerfe ich diesen Gedanken wieder ganz schnell, weil ich mir das Leben alleine gar nicht leisten kann. Außerdem muss die Familie meiner Tochter ihren eigenen Film drehen, und ich würde sie auch nicht öfter sehen als jetzt. Bald geht meine Enkelin auf eine weiterführende Schule, und dann hat sie erst recht keine Zeit mehr. Was soll ich dann in so einem Kuhdorf auf dem Land. Schreibwerkstatt und Literaturkurse ade. Zum Glück habe ich meine Schreiberei, die ich mir seit vielen Jahren gönne, mit netten Menschen, die auch alle ihre eigenen Geschichten haben.

Mein anderer Traum ist ein Tinyhaus, natürlich nur zu Miete. Es gibt rund um Hamburg einige Tinyhousedörfer. Aber das eine liegt direkt an der Elbe. Wenn dann die große Flut wegen des Klimawandels kommt, saufe ich dort ganz schnell ab. Das andere ist in der Nähe von Stade.

Ok, das Atomkraftwerk ist seit vielen Jahren abgeschaltet, aber es strahlt doch noch, oder?

So lebe ich in den Tag hinein, um mich in meinen Tagträumen zu verlieren.

Na ja, ganz so ist es ja auch nicht. Neuerdings gehe ich in den Micheltreff unserer Gemeinde, um dort mit anderen Frauen und einem Mann Denksport zu betreiben, oder Gesellschaftsspiele zu spielen. Für 2,00 Euro gibt es dort einmal in der Woche Kaffee und Kuchen. Der Kuchen selbst gebacken und sehr lecker. Der Kaffee übrigens auch.

Früher habe ich immer gedacht, ich kann dort in die Gemeinde nicht zu den Aktivitäten gehen, weil ich nicht an den lieben Gott glaube. Aber das ist nicht so, davon konnte ich mich zum Glück frei machen. Auch die Ungläubigen sind dort willkommen. 

Und was heißt schon ungläubig. Jeder Mensch glaubt doch an irgendetwas, oder?

Veränderung heißt Leben und Leben heißt Veränderung.

Mal sehen, was mir das Leben mit seinen Veränderungen noch so bietet, und ob ich mich vielleicht doch noch aus meiner Win Win Situation retten kann.

( © Monika Zelle 01.08.2023 )

Reiselust

Reiselust

Reiselust

Erzeugt bei mir regelmäßig Frust

Würde gern auf Reisen gehen

Noch viele fremde Länder sehen

Im Kopf könnte ich sie machen

Und das ist jetzt nicht zum Lachen

Die Kräfte leider schwinden

Da kann ich mich noch so winden

Sie haben mich einfach verlassen

Kann es gar nicht fassen

Städtereisen hin oder her

Sie fallen mir einfach zu schwer

St. Petersburg Rom London Lissabon

Würde ich noch gern besuchen

Die Reise am liebsten sofort buchen

Doch mein Alter macht mir durch die Rechnung einen Strich

Das versetzt mir mitten ins Herz einen Stich

Ich kann nicht mehr so wie ich gerne will

Dann werde ich ganz still

Und in Gedanken versunken

Fast wie betrunken

Sehe ich vor mir die erträumten Ziele

Und es sind sehr viele

Die ich noch zu erreichen gedenke

Es sind wohl nur Gedankengeschenke

Die mir durch den Kopf gehen

Das muss ich erst verstehen 

Lasse ich mich vielleicht gehen?

Habe nicht genug Mut?

Wenn ich den hätte wäre alles gut

Also Kraft und Mut zusammen genommen

Kann die Reiselust vielleicht doch noch kommen.

( © Monika Zelle 28.05.2023 )

Wer ist sie wer will sie sein

Wer ist sie, wer will sie sein?

Versonnen steht sie vor ihrem Kleiderschrank, und fragt sich, was sie heute anziehen soll. Nicht zu warm, nicht zu kalt.

Es ist 9 Uhr morgens. Für sie mitten in der Nacht.

Draußen regnete es. Das Thermometer zeigt nur 13°.

Ein trüber Morgen, genau so trübe wie ihre Gedanken.

Um 13h geht ihr Flieger nach Ibiza. Dort zeigt das Thermometer 30°, hat sie gegooglet.

Der Koffer ist noch nicht gepackt.

Drei Wochen will sie dort verbringen. Endlich, mal ein richtig langer Urlaub.

Allein. 

Die Erholung, das Licht, das Schwimmen im Meer wird ihr gut tun.

Ihre Gedanken hellen auf. 

Schweigen kann sie auch alleine. Wie lange waren sie schon zu zweit allein?

Sie vor dem Fernseher, und er? Ein I Phone Junkee.

Und dann diese emotionale Kälte, an der sie regelmäßig erfror. Wenigstens war es auf Ibiza warm.

In Gedanken sah sie das weißgetünchte Haus ihres Kollegen, die riesengroße Terrasse mit Blick auf das Mittelmeer.

Der Duft der Mimosen.

Jetzt aber schnell.

Soll sie drei oder 4 Kleider mitnehmen, und welche?

Lange Hosen trägt sie schon lange nicht mehr. Zu unbequem.

Wahllos zieht sie Kleider und Röcke aus dem Schrank, und wirft sie in den riesigen Koffer.

Ach ja. Den Badeanzug und den Tankini nicht vergessen.

Den Bikini? Nein! Undenkbar.

Unterhemden würde sie nicht brauchen. Vielleicht eines für den Flug.

Die Klimaanlage war oft zu kalt eingestellt.

Fliegen ist auch nicht mehr das was es einmal war, dachte sie.

Früher gab es ein richtiges Menue um die Mittagszeit. Heute nur noch ein Sandwich.

Der Kaffee, ungenießbar zudem unbezahlbar. 

Was er wohl machte in den 3 Wochen. Eine lange Zeit, sie nur am I Phone zu verbringen.

Na ja, er hatte ja Barbara.

Ihr wurde heiß und kalt. Eine tiefe Röte stieg ihr ins Gesicht.

Warum diese Eifersucht. Völlig unangemessen. Sie führte doch schon lange ein Leben allein, er war nur ihr Mitbewohner, darauf hatten sie sich geeinigt, wegen der teuren Mieten, die sie den Miethaien nicht in den Hals werfen wollten.

Oh, es ist schon 10. Jetzt aber schnell.

Ach, die Kosmetikutensilien. 

Jetzt den Koffer schließen. Hoffentlich war er nicht zu schwer.  Die Geheimzahl für das Schloss eingeben.

Die vergesse ich bestimmt wieder. Obwohl, kann man seinen eigenen Geburtstag vergessen?

Und jetzt das Taxi.

Online konnte sie den Flug noch nicht buchen, und er hat sich geweigert.

Na ja. Immerhin konnte sie mit ihrem Smartphone Das Taxi bestellen.

Es klingelt. Das ging aber schnell.

Der Taxifahrer, ein Farbiger, lächelte sie freundlich an. „ Na?, junge Frau, wo soll es hingehen?“ Sehr witzig!

„ Zum Flughafen!“

Er hatte bestimmt eine gut aussehende Frau und 5 süße Kinder zu Hause, die sie über alles liebten. Ja, die coloured people, sie verstanden es Kinder groß zu ziehen, mit ihrer Liebe und Ausgeglichenheit. Sie sind die Menschen der Schöpfung mit ihren wundervoll weißen Zähnen,  ihren schönen Haaren und ihrer tollen Haut. Da können wir Weißen uns eine Scheibe von abschneiden. Wir wollen die Schöpfung sein? Niemals.

Höchstens oftmals Herrenmenschen!!

Er lachte und sang die ganze Zeit auf der Fahrt, und bewegte sich in seinem Autositz zu den afrikanischen Rythmen des Radios.

Die Sonne ging auf. Ihre Stimmung stieg von Minute zu Minute.

„ Wir sind da, ich wünsche Ihnen einen angenehmen Flug!“

„ Dankeschön!“, hauchte sie. 

„ Schade, mit Ihnen hätte ich gerne mehr Zeit verbracht!“

Galant reichte er ihr seine Karte.

„ Bis in 3 Wochen Madame!“

Dann stieg er aus, und trug ihren schweren Koffer zu einem der herumstehenden Gepäckwagen.

In Hochstimmung betrat sie den Airport.

( © Monika Zelle  23.05.2023 )

Erste Liebe

Erste Liebe

Erste Liebe?

Meine allererste Liebe war natürlich mein Papa.

Nur ihn würde ich später heiraten. Da gab es kein Vertun.

Ich liebte meinen Papa über alles. Er war mein Held, mein Vorbild. dieser freundliche, herzensgute, gütigste Mann der Welt.

Es würde nie einen anderen für mich geben. Das wusste ich genau.

Aber was wusste ich schon. 

Mein Papa, der mir abends den „ Erlkönig“ vorlas, oder die Geschichten von Theodor Storm „Pole Poppenspäler“ und „Böttcher Baasch“. Zugegeben, ziemlich dramatische Geschichten op Platt.  Auch stehen heute noch die acht plattdeutschen Bände von Fritz Reuter in meinem Bücherregal.

Ich habe sie sogar doppelt, geerbt von meiner Bestmutter Tante Lotte, eine Schwester meines Papas.

Dann kam Norbert. Ein Nachbarsjunge.

Erste Liebe? Nein.

Wir waren ja erst Acht.

Norbert und ich saßen auf den Treppenstufen, und warteten auf seine Zweiteltern Martha und Ferdinand Koch. Sie hatten den ersten Fernseher im Haus.

Um 19.30h fing die Seepferdchenserie „ Mike Nelson“ an.

Uns war langweilig.

Plötzlich küsste Norbert mich auf den Mund.

Eklig.

Später haben wir mit seinem Freund Manfred bei Norberts Eltern die Beatles gehört.

Mein erste LP.

Norbert hätte mich wohl gerne als richtige Freundin gehabt.

Später habe ich es manchmal bereut. Mit Norbert hätte ich ein aufregendes Leben in Brasilien haben können.  

Dann kam meine richtige erste Liebe.

Dieter.

14 Jahre alt.

Etwas jünger als ich.

Wir lernten uns im Schwimmverein kennen.

Nein.

Stimmt nicht.

Eigentlich kannten wir uns schon von Sehen.

Dieter wohnte nur ein paar Straßen weiter mit seinen Eltern.

Dieter konnte gut pfeifen.

Er pfiff hinter mir her, oder stand unten an der Straße vor dem Haus und pfiff, statt anzuklingeln.

Ich ignorierte es, hasste es.

Aber Dieter konnte wunderbar küssen.

Wir genossen alle Freiheiten der Welt.

Unsere Eltern waren sehr liberal, wir durften uns ausprobieren.

Ich liebte Kino.

Dieters Tante war Platzanweiserin im Rondeel Kino in der Dithmarscher Straße.

Jeden Sonntag schenkte sie uns Freikarten.

Von den Filmen bekamen wir meistens nicht viel mit.

Dieter war Rocker und Elvis Fan.

Er konnte Tanzen und Singen wie Elvis Presley, und Gitarre spielen.

Dieter sah Elvis sogar ähnlich.

Doch seine Pfeiferei hat unserer Liebe das Genick gebrochen.

( © Monika Zelle 18.05.2023 )

Teufelswerk

Teufelswerk

Der Teufel im Spiegel

Er hat plötzlich Flügel

Das kann doch nicht sein

Das ist gemein

Will er jetzt fliegen

Ich werd ihn kriegen

Ihm die Flügel stutzen

Ihm seine Hörner putzen

Mit Schellen setze ich ihn fest

Das gibt ihm den Rest

Jetzt muss er mir Rede und Antwort stehn

Mal sehn

Teufel oh Teufel

Wer wird als nächstes durch Dein Fegefeuer

In die Hölle gehn

Ich möchte es sehn

Du wirst es sein

Und mich sofort befreien

Sonst kommt die nächste Killerwelle

Und spült Dich in die Hölle

Teufel oh Teufel Du bist nicht mein Gott

Das Schicksal ist meine Not

Durch den Klimawandel bekomme ich bald keine Luft

Und lande ohnehin in der Gruft

Arm bin ich wie eine Kirchenmaus

Miethaie machen mir den Garaus

Bald bin ich obdachlos

Ohne Moos nichts los

Jetzt lasse mich endlich Frei 

Der Mammon und die Pest sind mir nicht einerlei

Sie werden alle bei mir in der Hölle schmoren

Ich habe sie schon auserkoren

Mit ihren Krawatten und Anzügen

Mit ihren dreisten Lügen

Ihrer Gotteslästerung und Heuchelei

Schwelen sie im Feuer zu Aschenbrei 

Komm lieber Teufel

Lass uns noch einen trinken

Bevor die Kontinente im Meer versinken

Soll uns doch der Teufel holen

Wir lassen uns nicht mehr verkohlen

Ich werd Dir nochmal die Flügel stutzen

Dir noch einmal die Hörner putzen

Die kannst Du dann den Kriegstreibern aufsetzen

Und sie damit vernetzen

Prost prost Kameraden 

Prost prost Kameraden

Trübe Augen Tränensäcke

Der Teufel kommt jetzt um die Ecke

Himmel und Hölle stetzt er in Bewegung

Bittet nicht um Vergebung

Gott ist der Teufel

Der Teufel ist Gott

Kriegt sie alle in sein Boot

Sein oder nicht sein

Das ist die allerletzte Frage

Die Menschen sind schon eine Plage

Taub und blind auf Ohren und Augen

Nicht mehr zum Hören und Sehen taugen

Leer ist die Flasche

Trunken vom Wein

Schließ ich die Augen

Und schlafe ein…….

( © Monika Zelle  01. Mai 2023 )

Drejby

Drejby

Sie schaute aus dem Fenster. 

Er stand noch da, ihr Bulli, in ihrer Straße.

Jetzt ein Oldtimer, im Besitz ihres Sohnes. Sie sollte ein Auge darauf haben.

Wie viele Reisen hatten ihr Mann, die Kinder und sie mit ihm gemacht, ihrem Bulli.

In alle Herren Länder.

Wie gern wäre sie auch durch diese Länder gefahren. Selbst gefahren.

Aber sie durfte nicht. Angeblich weil sie zu klein war, ihn den Bulli nicht lenken konnte.

Oder weil sie Angst hatte? 

Sie würde es ihnen allen zeigen. Jetzt oder nie.

Klamotten und Papiere hatte sie schon eingepackt. Auch ihren grauen Lappen hatte sie nicht vergessen. Meistens wurde an den Grenzen Europas nicht mehr kontrolliert.

Den Weg nach Drejby in Sydals kannte sie auch in und auswendig. 

Sie nahm den Bullischlüssel vom Schlüsselbord, schloss gewissenhaft die Wohnungstür ab, und los ging`s.

Zuerst wollte er nicht anspringen, der Bulli, aber nach gutem Zureden klappte es dann doch. Geht doch. Wer sagt`s denn.

Vorbei an den Sexgeschäften der Reeperbahn, rechts in die Holstenstraße, dann die Kieler Straße runter bis zur Autobahnauffahrt zur A7 und dann immer geradeaus, so 220 km,

ca 2 ½ Stunden, dann wäre sie da in Drejby auf Als und konnte sich in die Fluten der Ostsee werfen, nackt, an ihrem Strand, da, wo man über die Brücke auf die Insel Kaegnes fuhr, die Hitlers Helfers Helfer im 2. Weltkrieg gebaut hatten. 

Zu der Kassette mit Liedern von Udo Lindenberg schnurrte er über die Autobahn, der Bulli. Sie war glücklich. 

„ Bis zum Horizont geht`s weiter, ein neuer Tag“ sang Udo. Ihr Lieblingslied. 

Von wegen, sie könne ihn nicht regieren, den Bulli, so ein Quatsch.

Sieben Jahre hatte sie ein eigenes Auto, und konnte auch ziemlich gut fahren.

Bis sie ihren Mann kennenlernte, von da an fuhr er. Zugegeben, es war auch angenehm, sich von ihm durch die Gegend kutschieren zu lassen. Aber es ärgerte sie oft, nicht selbst fahren zu dürfen. In dem Firmenwagen war sie angeblich nicht versichert, und den Bulli konnte sie nicht lenken? Blödsinn!!!

Jetzt war sie kurz vor der dänischen Grenze. Ihr Herz fing ein bisschen an zu stolpern.

Sie war den Nebengrenzweg über Krusa gefahren. Kein Grenzbeamter*Beamtin zu sehen.

Ein Glück. Jetzt eine kleine Pause am Fjordvey bei Anni. Kaffee satt. Wie immer, und den ersten leckeren Hotdog, der beste auf der Welt. Hier aßen alle Dänemarkliebhaber Hotdog mit Blick auf die Ochseninseln. Herrlich.

Inzwischen konnte man  mit der EC Karte oder sogar mit dem Euro bezahlen. 

Alles easy. 

Jetzt war es nur noch ein Katzensprung bis Dreiby und dem Campingplatz an der Steilküste. Und ihr Bulli sprang sogar sofort wieder an. Sie streichelte das Lenkrad.

„ Gut gemacht!“, sagte sie zu dem alten Herrn. 1977 hatte er das Licht der Welt erblickt.

Sie passten gut zusammen. Sie war ja auch eine alte Dame. 

Ah da, das Ortsschild von Skovby. Hier würde sie quelque chose bei Brugsen einkaufen.

Etwas essen muss der Mensch. 

Gemütlich fuhr sie die Landstraße entlang, vorbei an ihrem Lieblingsgeschäft Brugskunst, immer mit Blick auf die Ostsee.

Jetzt links in die Einfahrt zum Campingplatzt. Ob Herr Sörensen sie wieder so nett empfangen würde wie früher? Nein, er ist längst tot. Er war doch ein paar Jährchen älter als sie.

Als sie die Rezeption betrat, empfing sie ein Mann, der Herrn Sörensen wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich sah.

„ Was möchtest Du?“ fragte er sie. 

„ Hättest Du einen Platz für meinen Bulli an der Steilküste mit Blick auf das Meer?“

„ Aber natürlich!“, sagte er freundlich, „ ich kenne doch Euren Bulli, den habe ich als Kind schon hier rumfahren sehen! Und jetzt kommst Du allein? Mutig!“, sagte er.

„ Dann bist Du Herr Sörensen jr?“, das gibt es doch nicht. Er nickte.

„ Sören!“, sagte er.

„ Ina!“, sagte sie.

Er zeigte ihr den schönsten Platz an der Steilküste, mit Blick auf die Ostsee. 

Das Vorzelt musste sie nicht aufbauen. Sie war ja allein. Also keine Umstände. 

Sie setzte sich vor ihren Bulli, sog genüsslich die frische Ostseeluft ein, und genoss die Sonne. Aber nicht lange.

Barfuß und leicht bekleidet ging sie am Strand entlang zu ihrem Lieblingsnacktbadestrand. 

Hier hatte sie zu ihrem Mann gesagt, solle er ihre Asche ins Meer streuen, wenn sie einmal gestorben sei. Auch ihre Kinder kannten diesen Wunsch.

Langsam entkleidete sie sich, und ging ins Meer.

Herrlich. Die Wellen umspülten ihren nackten Körper, das Wasser streichelte ihre Haut. Es gab für sie kein schöneres Gefühl. Und jetzt schwimmen, schwimmen, schwimmen. Ganz weit hinaus.

Immer weiter bis zum Horizont. 

 ( © Monika Zelle 09.05.2023 )

6 Kinder

6 Kinder

Noch nie hatte ich einen Mann getroffen, den ich so liebte wie ihn. 

Er gab mir alles was ich brauchte , er machte mich einfach glücklich, in jeder Beziehung.

Liebevoll hatte ich den Tisch im Wohnzimmer meiner kleinen Mansardenwohnung gedeckt, als das Telefon klingelte.

„ Maja, Liebes, ich bin nach dem Spiel mit ein paar Kumpels in die Härkeklause gegangen, wir spielen hier noch eine Runde Darts, dann komme ich nach Hause, ok?

Ich schluckte, wenn er dann kam, würde das Essen wieder kalt sein.

„ Bitte Jürgen, komm doch nach Hause, ich habe Schweinebraten mit Rotkohl für uns gekocht, Dein Lieblingsessen!“

„ Halte es doch warm, ich bin in spätestens in einer Stunde zu Hause, ok?

Oder, wir können es doch auch morgen essen, Liebling!“

„ Morgen arbeite ich, und esse in der Kantine, das weißt Du ganz genau!“

„ Ok, ich bin gleich da!“

Ich wartete.

 Wer nicht kam, war mein Jürgen.

Nach einer Stunde rief er wieder an. 

„ Jetzt lallte er:“ Maja, komm doch her, Du kannst auch mitspielen, es ist so gemütlich hier! Du darfst auch mein Auto nehmen, ich habe es gestern bei Dir vor der Tür stehen lassen!“

Das Essen war inzwischen kalt. Ich stellte es in den Kühlschrank.

Dann zog ich mich an, und ging runter zum Auto, stieg in seinen schnittigen grauen Opel Manta Automatik. Meine früheren Freunde haben mich nie mit ihren Autos fahren lassen. Jürgen schon, er war einfach süß, mein Jürgen.

Ich fuhr also in die Härkeklause. Als ich die Kneippe betrat, empfingen mich die Jungs von Jürgens Mannschaft mit einem lauten Gejohle. Sie hatten alle schon kräftig getankt.

Der Wirt Udo, ein in die Jahre gekommener Mann, mit einem dicken Bauch, als wäre er im neunten Monat schwanger, stellte mein Lieblingsgetränk einen Aperol Spritz auf den Tresen.

Weil ich noch nichts im Magen hatte, stieg der Alkohol mir sofort in den Kopf.

Wir spielten Darts bis zum späten Nachmittag.

Mit dem Opel Manta fuhren wir natürlich nicht mehr nach Hause. Wir gingen tatsächlich zu Fuß. Es waren so 5 Kilometer bis zu meiner Wohnung. 

Als wir dort ankamen, waren wir einigermaßen wieder nüchtern.

„  Jürgen, es muss aufhören mit den sonntäglichen Ausflügen in die Härkeklause  nach Euren Spielen!“ 

Er nahm mich liebevoll in den Arm, kein Mann hatte mich bisher so zärtlich in den Arm genommen, und flüsterte mir ins Ohr:

„ Maja, ein Klempner der nicht säuft, eine Rinne die nicht läuft, eine Frau, die nicht still hält, das ist nichts für die Klempnerwelt!“. 

Ich musste lachen, und wir liebten uns, als gäbe es keine Morgen. „ Ich will ein Kind von Dir, flüsterte ich ihm ins Ohr.

Jürgen war 12 Jahre älter als ich, er wollte keine Kinder.

Auch das hätte ich wohl in Kauf genommen. 

Jürgen war ein Guter.

Eines Tages sagte er zu mir:“ Maja, ich trenne mich von Dir, Du bist noch jung, dann kannst Du in aller Ruhe eine Familie gründen, und so viele Kinder bekommen, wie Du möchtest. Ich wollte fünf.

Ich fiel in ein tiefes Loch, und dachte für mich würde die Welt untergehen.

Sie ging aber nicht unter.

Ich lernte tatsächlich einen anständigen Mann meines Alters kennen, mit dem ich guten Gewissens eine Familie gründen konnte. Wir heirateten und bekamen 3 Kinder.

Aber so wie ich Jürgen geliebt habe, habe ich nie wieder einen Mann geliebt. 

( © Monika Zelle 04.04.2023 )

Der Verbesserungsvorschlag

Der Verbesserungsvorschlag

Bruno Klein war gelernter Autoschlosser und Vergaserspezialist bei den Hamburger Gaswerken.

Ständig tüftelte er an den Vergasern der Autos herum, um den Abgaswert zu verbessern.

Eines Tages hatte er es geschafft. 

Es war ihm in vielen Überstunden  gelungen, die Vergaser der LKWs und PKWs im Fuhrpark des Werkes so mager einzustellen, dass der Abgaswert um einiges verringert werden konnte. Zudem hatte er noch ein selbst gebasteltes Ventil in den Vergaser eingebaut.

Was er nicht wusste war, dass sein Arbeitskollege Willi Martens diese Errungenschaft sofort zu Papier brachte. 

Bruno Klein musste es ihm im Vertrauen erzählt haben. 

Als Bruno nach dem Duschen an Feierabend seine Kleidung aus dem Schapp holte, zog er sie an, obwohl sie furchtbar nach Essig stank.

Als er zu Hause ankam und sich seiner Klamotten entledigte, breitete sich der furchtbare Essiggeruch in der ganzen Wohnung aus. Brunos Schulter hatte sich inzwischen grün verfärbt.

Sein Nachbar Ferdinand Koch brachte ihn mit seiner Taxe sofort ins Krankenhaus. Die Klamotten warf seine Frau Anne Christine in den Müll. 

Inzwischen hatte Willi Martens den Verbesserungsvorschlag den Chefs des Werkes unterbreitet. Er erhielt dafür eine Zuschlag von 200 DM und eine Gehaltserhöhung.

Bruno Klein war monatelang im Krankenhaus, bekam von alldem nichts mit.

Als er seine Arbeit im Werk wieder aufnahm, erfuhr er, dass sein Verbesserungsvorschlag von Willi Martens schon eingereicht worden war.

Wie sollte er das seiner Frau erklären. Sie lebten ohnehin von der Hand in den Mund, und dann das!!

Schon immer wollte Anne Christine, dass Bruno als Schichtarbeiter arbeitete, damit mehr Geld ins Haus kam.

Das lehnte Bruno aber stets ab, weil er mit seiner Arbeit vollauf zufrieden war.

Als er dann jedoch erfuhr, dass Willi Martens zum Vorarbeiter befördert wurde, ging er zu seinen Chefs, und erklärte, das er die Verbesserung für die Vergaser erfunden hatte.

Da seine Chefs Bruno als ehrlichen,  loyalen Mitarbeiter und sehr guten Autofahrer  schätzten, der sie stets zu irgendwelchen Versammlungen und Veranstaltungen fuhr, glaubten sie ihm. 

Die beiden Kollegen wurden aufgefordert, einen Vergaser an zwei neuen Fahrzeugen umzubauen, samt der Ventile. 

Willi Martens tat sich schwer. Bruno Klein hatte die Arbeit in kürzester Zeit erledigt.

Als Willi Martens dann der Zuschlag, die Gehaltserhöhung, sowie der Vorarbeiterposten streitig gemacht, und alles auf Bruno übertragen wurde, kündigte er. 

Von einer Klage wegen des Essigsäureanschlags sah Bruno Klein ab, was ja auch zu beweisen gewesen wäre. 

( © Monika Zelle 18.04.2023 )

Hella Borgward

Hella Borgwart

Denke ich an die Hofpausen auf unserem Schulhof, denke ich gleichzeitig an die vielen Kinder, die auf ihm herum tobten. Manche standen in Grüppchen zusammen, schwatzten und lachten. Ich stand zusammen mit Sybille und Christa am Zaun.

„ Sie merkt überhaupt nicht, wie lächerlich sie da steht, und ihr Brot mümmelt, die dicke Kuh!“, meinte Sybille. Christa grinste.

Ich schaute Sybille streng an, und dachte, ob sie überhaupt kein Mitleid hatte mit Hella, wie sie dort stand, in ihrem dicken Teddymantel, und ihrer Schmalzstulle. Sie hatte Schwierigkeiten, mit ihrer überdimensionalen Zahnspange vom Brot abzubeißen, ihre Spucke tropfte aus den Mundwinkeln auf ihren Mantel. 

Sybille und Christa wandten sich von mir ab, gingen auf die andere Seite des Schulhofes und tuschelten. 

Die Pausenglocke klingelte. Alle Kinder stellten sich in Reih und Glied auf, um in das Schulgebäude zu gehen. Zwei Lehrer, die Aufsicht hatten, achteten darauf, dass alles gesittet ablief.

In der nächsten Stunde hatten wir Sport. Geräteturnen, ausgerechnet, nicht meine Lieblingssportart, und Hellas bestimmt auch nicht. Ängstlich schaute sie auf das Gerät.

Wir sollten uns einfach nur auf die unterste Stufe des Barrens schwingen, was weder Hella noch mir gelang. Als Hella es versuchte und abglitt, ertönte ein lautes Gejohle.

Bei mir lachte niemand. 

Ein komisches Gefühl machte sich in meiner Magengrube breit. In der nächsten Pause werde ich mich zu Hella gesellen, vielleicht tauscht sie mit mir ihr Schulbrot. Sie hatte immer Schmalz drauf. Ich nie, obwohl ich es so liebte. 

Nachdem wir uns nach der Sportstunde umgezogen hatten, klingelte es wieder zur Pause.

Wir rannten alle auf den Schulhof.

Ich suchte Hella. Sie stand wie immer abseits. Aber was war das? Sie hatte ihren Teddymantel gar nicht an, obwohl Minusgrade draußen waren, zudem fing es noch an zu schneien. Zitternd  stand sie da, ihr Brot konnte sie kaum halten. Die Tüte Kakao auch nicht. 

Ich suchte den Schulhof nach Sybille und Christa ab. Sie waren nicht zu sehen.

Ich schaute wieder auf Hella. Jetzt verzog sich ihr Gesicht zu einer Grimasse. Weinte sie etwa? 

Dann sackte sie in sich zusammen. 

Eine Lehrerin, die Pausenaufsicht hatte, rannte zu ihr. Ich auch. Dann sah ich Sybille, wie sie auf Hella herab schaute.

Aber,  war das nicht Hellas Teddymantel? Ja, Sybille hatte Hellas Mantel an.

Am liebsten hätte ich ihr den Mantel vom Leib gerissen, und Hella damit zugedeckt, die immer noch furchtbar zitterte. Da war ja auch Christa. Die Lehrerin wies sie an, ins Lehrerzimmer zu laufen, und den Rektor zu rufen.

Wenig später hörten wir in der Ferne die Sirene des Rettungswagens.

Ich schaute mich um. Sybille war wieder verschwunden. Sollte ich nach ihr suchen?

Ich weiß nicht mehr, was dann passiert ist, es ist einfach zu lange her. 

Ich weiß nur, dass Hella in den nächsten Wochen nicht in die Schule kam. 

Hella kam überhaupt nicht mehr in unsere Schule. Es hieß, sie sei mit ihren Eltern fortgezogen.

( © Monika Zelle 28.03.2023 )