Nur Steine leben lang

Nur Steine leben lang

Männern wird die Eigenschaft Jäger und Sammler zugesprochen.

Ich bin Jägerin und Sammlerin von Büchern und Schreibgeräten, und vieler anderer Dinge.

Lesen und Schreiben ist von Kindheit an mein Lebenselixier.

Meine Regale ächzen unter dem Gewicht der Bücher, meine Schreibgeräte drängeln sich in zahlreichen Bechern….und immer kommen noch neue hinzu. Trage ich Taschen von Büchern zu Jack un Büx, denke, ich hätte mich befreit, und eine Erinnerung an sie sei nicht möglich, erinnere ich mich doch an jedes einzelne von ihnen, ihres Titels und ihre Handlung.

Dann kommt auch die Erinnerung an die Bücher in der Heide von Heinrich Heine, Erich Kästner, Bertholt  Brecht, Wolfgang Borchert und viele andere, die dort von meinen Eltern vor den Nazis  vergraben wurden, um sie vor der Verbrennung zu retten. Wir fanden sie nie wieder.

Ein ganzes Regal ist gefüllt mit Kinderbüchern.

Es könnte sich ja mal ein Kind bei mir verirren. Ein Nachbarskind hat schon den Weg zu mir gefunden. Nori. Ich lese ihr dann aus den Kinderbüchern meiner Enkelin vor. 

Meine zweite Leidenschaft sind Fotos. Augenblicksmomente längst vergangener Zeiten. 

Oder Seifen aus vielen Ländern dieser Welt. Alle meine Kinder bringen mir Seifen oder Geschirrtücher von ihren Reisen mit. Auch Steine von den Stränden der Meere.

Steine mit Loch von dänischen Stränden, aufgereiht auf ein Band an der Brüstung meines Balkons.

Riesige Kiefernzapfen von der Ile de Oleron, von einem der vielen Frankreichurlaube.

Nun hat mein Sohn seine große Liebe gefunden. Anaïs, eine Französin, die mir auch Seife aus Frankreich schenkte. Lavendelseife, meine Lieblingsseife.

Der Sekretär meiner Mutter aus Mahagoniholz, mit Liebesbriefen aus Paris von Marcel. Marcel war von den Nazis interniert in Trebbin, einem kleinen Ort südlich von Berlin.

Die große Liebe meiner Mutter.

„ Du bist so eine saubere Frau“, schrieb er in einem Brief in perfektem Deutsch. Auch meine Mutter liebte Seife.

Da ist ja noch der Bulli, ein Oldtimer Baujahr 1977, liebevoll restauriert von meinem Sohn, schnurrt er immer noch durch die Welt. Sein Herz hört noch nicht auf zu schlagen, genau wie meines. 

Dias der Urlaube in Frankreich mit dem Bulli. Vergilbt bis zur Unkenntlichkeit

Das Teeservice von Tante Luise. Wie lange habe ich nicht aus diesen braunen, schicken Tassen getrunken. Tante Luise, eine meiner Bestmütter, die mir zeigte, dass Kinder auch ohne Schläge groß werden.

Das Essservice von Tante Erna mit englischen Motiven. Nie esse ich von den Tellern, außer es kommt Besuch, der im Alter immer seltener wird.

Tante Erna, auch eine meiner Bestmütter, von der ich immer dachte, sie wäre meine Mutter.

Eine meiner Freundinnen aus der Gruppe im Michel Treff besuchte mich am letzten Sonntag.

Sie konnte sich nicht sattsehen an den vielen von mir gesammelten Gegenständen. Auch die vielen Bilder an den Wänden ließen sie nicht los.

Hier ist es wie in einem Museum, sagte sie.

Na ja, wir gehören ja auch schon fast ins Museum, antwortete ich.

Nur Kleider, von denen trenne ich mich leicht, damit wieder neue meinen Kleiderschrank schmücken.

( © Monika Zelle  27. 02.2024 )

Love me tender

Love me tender

Es war endlich soweit. Heute wollte Dieter mich in der Heide besuchen.

Beschwingt fuhr ich mit meinem roten Fahrrad den Heideweg hinunter. Jedes, mir wie im Schlaf bekannte Schlagloch umfahrend, kam ich vergnügt am Bahnhof an.

Mein geliebter Bahnhof Holm-Seppensen.

Ich schaute auf die Bahnhofsuhr. Ach, da hatte ich ja noch eine Menge Zeit, bis der Triebwagen ankommen sollte.

Ich dachte an Tante Gertrud. Wenn mein Cousin und ich mit ihr nach Hamburg fuhren, kaufte sie beim Kolonialwarenhändler Lorenz Brötchen, Butter und Leberwurst. Sie hatte immer ein kleines silbernes Messer dabei. Während wir auf den Triebwagen nach Buchholz warteten, verzehrten wir genüsslich die frischen Leberwurstbrötchen und waren selig.  Während ich so sinnierte, erklang das laute Horn des Schrankenwärters. Jetzt müsste der kleine Zug gleich da sein. Laut hupend passierte er den Bahnübergang. Aufgeregt sprang ich von einem Bein auf das andere. Als die rot-gelbe Bahn, mit nur einer Handvoll Fahrgästen darin, endlich anhielt, sprang Dieter hinaus auf den Bahnsteig. Seine Elvistolle machte einen Hüpfer. Eine Tasche über die eine Schulter, und seine Gitarre über die andere gehängt stand er da.  Ich lief auf ihn zu. Ein bisschen ungelenk umarmten wir uns. 

Mein Fahrrad auf der einen Seite und Dieter auf der anderen, liefen wir zurück zu dem Heidegrundstück meiner Eltern. Die Sonne strahlte vom Himmel, wir strahlten uns an.

Der Heideweg schlängelte sich 3 Kilometer durch den Wald. Dieter schob mein Fahrrad, an die er seine Tasche gehängt hatte. Ich trug seine Gitarre.

Meine Eltern standen schon vor dem Tor des Grundstücks, und begrüßten Dieter herzlich.

Die Kaffeetafel war gedeckt. Wir wollten aber lieber gleich einen Spaziergang zum Katzenberg machen.  Meine Mutter schaute verschnupft. Mein Vater sagte:“ Der Kuchen kann warten!“ 

Der Katzenberg auch. Wir suchten uns ein verstecktes Plätzchen mitten im Wald, und sanken ins weiche Zittergras. Zärtlich nahm Dieter mich in den Arm und küsste mich lange. Dann nahm er seine Gitarre, und spielt „ Love me tender“, nur für mich. „ Ich liebe Dich“ flüsterte er mir ins Ohr, und streichelte mir übers Haar.

„ Ich Dich auch!“, hauchte ich. Dort lagen wir nun Arm in Arm, zwei blutjunge Menschen, einmal zusammen zu Zweit. Plötzlich hörten wir ein Knacken. Ein Reh trat aus dem Schatten eines Busches, sah uns mit seinen großen braunen Augen an, und schon war es wieder im Dickicht verschwunden. 

„ Wie Deine Augen!“, flüsterte Dieter, „die schönsten Augen, die ich kenne.“

Die Sonne hatte sich inzwischen hinter dunklen Wolken versteckt. Die Luft war schwül und warm. Dann goss es in Strömen. Wir bemerkten es kaum. Vorsichtig suchten sich die Sonnenstrahlen erneut einen Weg durch den Blätterwald. Es mussten Stunden vergangen sein, bis wir am Kaffeetisch saßen, ziemlich durchnässt, aber glücklich.

Nun stand ich hier vor dem Heidegrundstück, schaute über den Zaun, und dachte an Dieter.

Wie wäre es wohl gewesen, wenn wir uns hier ein Häuschen gebaut hätten. In der Ferne Kinderlachen. Ich sah hinauf in die Kiefern, die sich leise dem Wind beugten. Ich hörte ein Knacken.

Ein Reh trat auf die Lichtung, schaute mich mit seinen großen braunen Augen an, und verschwand wieder im Dickicht. Die Blätter säuselten im Wind. Sie flüsterten:“ Wie Deine Augen, die schönsten Augen, die ich kenne.

Ich warf noch einen Blick zurück, wanderte langsam und vorsichtig, jedes mir bekannte Schlagloch umgehend, den Heideweg hinunter ins Dorf zu dem kleinen Bahnhof, der wie eh und je dastand, und auf seine Fahrgäste wartete.

Lorenz gibt es immer noch, als Supermarkt.

Ich kaufte mir ein Brötchen, etwas Butter und Leberwurst.

Während ich auf den jetzt rot-grauen Triebwagen wartete, verzehrte ich es, und dachte

an Tante Gertrud. 

( © Monika Zelle 20.02.2024 )

Das Kind in mir

Das Kind in mir…..

„ Einmal möcht ich wieder Kind sein, nur für einen Tag……

Nein, nicht einmal für einen Tag….

Wenn ich an das Kind, das ich einmal war denke, füllen sich meine Augen mit Tränen.

Das Kind in mir muss Heimat finden.

Mein Kind in mir hat noch keine Heimat gefunden. 

Ich möchte niemals wieder das Kind von früher sein.

Oder doch? 

Ich spüre in mich hinein und fühle, dass ja nicht alles schlecht war.

Zum Beispiel die wunderbaren Ferien in der Lüneburger Heide.

Und die erlebte Zeit mit meinem Vater. Die Wanderungen.

Welches Kind wäre ich denn gern gewesen?

Ich spüre wieder in mich hinein.

Den ganzen Tag draußen spielen.

Marmeln, die Meyersche Brücke, Fischer Fischer wie tief ist das Wasser.

Klingelstreiche, verstecken und kriegen spielen, und Länderklaun.

Länderklaun oder auch Messerstech ? Eigentlich bin ich doch Pazifistin.

Früher war das aber mein Lieblingsspiel.

Das gefühlte Kind in mir möchte tanzen und singen den ganzen Tag.

Einen Tapetenwechsel. Einfach loswandern, so weit die Füße tragen.

Mit einem Rucksack voller Dinge, die ich gerade so tragen kann, auf einem Weg, der mich in unbekannte Welten führt… Auf zu neuen Ufern.

Ich träume mich hinein in diese neue Welt, kann gar nicht aufhören zu schwärmen.

Ich spüre Sand unter meinen Füßen.

Ist es Wüstensand? Oder ein Sandstrand? 

Da…. da ist das Meer.

Mein geliebtes Meer. Ich tauche ein, immer weiter und weiter….

Das Telefon klingelt.

Es ist meine Enkelin.

Wenn sie anruft, erwacht das Kind in mir, wenn auch nur für eine Stunde, in der sie Lena ist und ich Moritz. 

Das Spiel beginnt. 

( © Monika Zelle 08.02.2024 )

Ein Männlein steht im Walde

Ein Männlein steht im Walde ganz still und stumm Es hat von lauter pur pur ein Mäntlein um

Sag wer mag das Männlein sein Das da steht im Wald allein Mit dem purpurroten Mäntelein….

Sah sie gerade ihn? Das kleine hässliche Männlein mit dem roten Mantel?

Ja, sie hasste ihn aus vollem Herzen, diesen Schwerenöter.  Dennoch hatte er was an sich, dass sie auch aus vollem Herzen liebte.

Er konnte sie betören, dass ihr Hören und Sehen verging.

Hier stand sie nun auf dem Sandweg vor ihrem Waldgrundstück und horchte in die Stille.

Hörte sie nicht das leise Motorengeräusch seines Mercedes?

Würde er etwa wieder hinaus kommen in die Wallachei? Hoffentlich allein.

Schon einmal war er mit einem Freund zu ihr in ihr Haus gekommen.

Freund? 

Diese Blicke, diese Anzüglichkeiten. 

Wieder hörte sie das Geräusch, oder war es nur Einbildung?

Nein. Jetzt bog der alte Mercedes um die Kurve. Ein Hupkonzert ertönte.

Eine Hand winkte aus dem Beifahrerfenster. 

Schnell öffnete sie das Tor zum Grundstück.

Mit Schmackes drehte Männlein das Lenkrad nach links, und sauste auf das Haus zu.

Sie erschrak. Er würde doch nicht ihre schöne Rosenhecke zerstören.

Nein, im letzten Moment bremste er das Gefährt ab, und hüpfte in seinem roten Mantel aus dem Auto. Was fand sie nur an Männlein?

Und dann stieg er aus, sein angeblicher Sandkastenfreund. Strahlend kam der auf sie zu, begrüßte sie mit einem Handkuss.

Was sollte das. Wollte der sie auch noch betören? 

Und dann kam das Männlein, schloss sie in seine Arme, und küsste sie zärtlich auf den Mund.

Ein Schauer durchfuhr sie. Der Schauer der Lust oder des Grauens, sie wusste es nicht genau…

Sie führte die beiden in den gemütlichen Wohnraum, wo sie einvernehmlich auf dem Sofa Platz nahmen.

In der Küche bereitete sie einen schwarzen süßen Tee mit Milch, den sie in chinesischen Porzellantassen servierte, einst von Onkel Paul mitgebracht von seinen Reisen mit der Caroline Oetker als Zahlmeister und Obersteward nach China. Dazu gab es Gebäck.

Sie plauderten Belangloses.

Ob er heute bleiben würde? Der Schönling könnte ja den Wagen zurück in die Stadt nehmen.

Nein, er würde nicht bleiben, hatte in der Stadt noch einen wichtigen Termin.

Sie reichte noch eine zweite Tasse Tee, dann brachen die Sandkastenfreunde wieder auf.

Als sie in der Küche die wertvollen Teetassen spülte , vernahm sie aus dem Wald einen langanhaltenden Hupton, der nicht zu enden schien………

Leise, mit einem Lächeln auf den Lippen, summte sie das Lied, das ihr nicht mehr aus dem Kopf ging…..

Ein Männlein steht im Walde 

Ganz still und stumm

Es hat aus lauter purpur ein Mäntlein um

Sag wer mag das Männlein sein

Das da steht im Wald allein

Mit dem purpurroten Mäntelein……. ( © Monika Zelle 05.01.2024 )

Braune Augen

Braune Augen

Ich muss so ungefähr 10 Jahre alt gewesen sein, und glaubte fest daran, nicht das Kind meiner Eltern zu sein. Ich fand, dass ich vielmehr meiner Tante ähnelte, die mich immer so liebevoll ansah. Meine Augen waren genauso groß und braun wie ihre, nur eine Nuance heller.

Auch mein Cousin Herbert hatte diese Augen. Wenn er mich ansah, dachte ich, ich schaue in einen Spiegel. Die Augen meiner Mutter waren tiefblau. Sie schaute eisig, wenn ich sie mit meinen Gedanken löcherte. Sie konnte einfach nicht meine Mutter sein. Eine Mutter, die ihr Kind liebt, schlägt es doch nicht jeden Tag. Wer seine Kinder liebt, der züchtigt sie, kam ihr bei jeder passenden Gelegenheit über die Lippen. Ein Spruch aus der Nazizeit. Die Augen meines Vaters lächelten grün braun, und immer gütig. Wenn er mich ansah, wurde mir warm ums Herz. Nur meine Beine ähnelten denen meines Vaters sehr. Auch der Leberfleck im Nacken. 

Mein Cousin Herbert war ein halbes Jahr älter als ich. Es konnte doch sein, dass wir am gleichen Tag geboren wurden. Mein Vater war eine Corifee im Pässe fälschen. Hatte er doch jüdischen Freunden im Krieg dazu verholfen nur Vierteljuden zu sein. Warum sollte er die Geburtsurkunde meines Cousins nicht gefälscht haben. 

Tante Erna war meine Mutter, das stand fest. Mein Vater und meine Tante mochten sich, das konnte jeder sehn.

Ich fieberte den Samstagen entgegen. Da besuchte mein Onkel Judel, uns immer.

Auf dem Wochenmarkt in Wandsbek kaufte er Fisch, den meine Mutter zubereitete.

Ich freute mich auf meine Tante und meinen Cousin. Das gemeinsame Mittagessen war für mich das Größte. 

Eines Tages stand ich mit gepacktem Koffer im Flur. Verständnislos schaute meine Mutter mich an. Dann holte sie den Holzlöffel aus der Küchenschublade und schlug mich windelweich. So mancher Kochlöffel in der Hand meiner Mutter ist meinem Rücken zum Opfer gefallen. An den Haaren zog sie mich in mein kleines Zimmer. Ich heulte, bis mein Vater von der Arbeit nach Hause kam. Wortlos packte er meine Schwimmsachen ein, und wir gingen zu Fuß zum Bartholomäusbad. Zusammen mit 5 Nachbarskindern.

Meine Gedanken kreisten ständig darum, das Kind meiner Tante zu sein, ich wurde immer trauriger.  Mit meinem geliebten Vater mochte ich nicht darüber sprechen, dass würde ihn vielleicht enttäuschen und traurig machen. Er war ja mein Vater, 

Mein Koffer blieb gepackt. Und eines Tages schaffte ich es, mit ihm unsere Wohnung zu verlassen. Ich lief zu Fuß in die Snitgerreihe nach Horn. Als meine Tante die Tür öffnete und mich sah, fiel sie aus allen Wolken. Liebevoll nahm sie mich in den Arm. Dann kochte sie für mich und meine Cousin Kakao. Später kam mein Vater dazu. Als er von meinen Gedanken hörte, erlaubte er mir, bei meiner Tante zu übernachten. Ich war selig. Wollte nicht wieder nach Hause. Auf gar keinen Fall. Die Wohnung meiner Tante war beengt. Bleiben konnte ich auf Dauer nicht. Ich musste zurück in die Höhle der Löwin. Ich hatte ja die Samstage gemeinsam mit Onkel, Tante und Cousin. 

Dann geschah ein Wunder. Der Familienrat wurde einberufen. Meine Eltern beschlossen, zusammen mit der Familie meines Onkels in eine große Wohnung in Barmbek umzuziehen.

Die war günstiger als die beiden kleinen Wohnungen. Ich traute meine Ohren nicht. Was für ein Glücksfall. Endlich hatte ich meine wahre Mutter und meinen Zwillingsbruder immer bei mir. Ich weinte vor Glück. Die stahlblauen Augen meiner Mutter sprühten Feuer.

Von nun an beschütze mich meine angebliche Mutter. 

Mein Cousin wusste von meinen Gedanken nichts. 

Im Laufe der Jahre verliebte er sich unsterblich in mich, und wollte mich heiraten.

Auch ich hatte tiefe Gefühle für ihn. Ich konnte doch nicht meinen Zwillingsbruder heiraten.

Dann geschah wieder ein Wunder. Meine Tante gestand uns, dass Herbert nicht das Kind meines Onkels war,  auch nicht der Sohn meines Vaters. Ich aber auf gar keinen Fall ihre Tochter.

Meine Illusion zerplatzte wie eine Seifenblase. Dafür konnte ich von nun an immer in einen Spiegel schauen. Herbert und ich lebten unsere Liebe.

Tante Erna war und blieb immer meine Bestmutter. 

( © Monika Zelle 14.11.2023 )

Vorstadtweiber

Vorstadtweiber

Sie wohnten in einer Vorstadtsiedlung. Die Häuser glichen sich wie ein Ei dem anderen. Brigitta, ehemalige Miss Germany, hatte immer von so einem Haus geträumt.  

Ihr Mann Simon, groß, muskulös, gutaussehend, ein Mann wie ein Baum. Die beiden Kinder, ein Zwillingspärchen, Jette und Anton, 6 Jahre alt, ihren Eltern wie aus dem Gesicht geschnitten. 

Die Vorstadtweiber lagen Simon mit ihren Blicken zu Füssen, und beneideten Brigitta um diesen tollen Mann. 

In den Garageneinfahrten standen SUVs, die sich nur farblich unterschieden.

Wenn Jette und Anton morgens von ihren Eltern in die Schule gebracht wurden, hielt Simon seiner Frau galant die Wagentür auf, und sie stieg ein wie eine Königin. Der perfekte Kavalier.

Die Männer der Vorstadtsiedlung schielten neidisch auf seine Schießkünste im Schützenverein. Natürlich war er Schützenkönig, und seitdem unschlagbar. 

An jedem Wochenende fanden Grillfeste in den Gärten der Siedlung statt, wo jede Familie versuchte, die andere zu übertreffen, aber das Grillfest von Simon und Brigitta konnte niemand toppen. Mit Fackeln und Lampions schmückte er seinen Garten, die sein Haus erstrahlen ließen wie ein Märchenschloss. Auch das Spanferkel auf dem Spieß über dem Feuer hatte das zarteste Fleisch. Die Vorstadtweiber bekamen nie heraus, woher er es bezog. 

Alle freuten sich an diesem Tag auf das Grillfest bei Simon und Brigitta.

Sportlich, in Markenjeans und Boss T-Shirt, trat er in seinen Garten, küsste jeder Frau galant die Hand, schlug den Männern freundschaftlich auf die Schulter, und widmete sich dann seinem Spanferkel. Jetzt betrat Brigitta mit ihren beiden Kindern den Schauplatz.

In ihrem luftigen, bunten,  Seidenkleid von Dior stöckelte sie in Highheels die Verandatreppe hinunter. Plötzlich knickte sie um und landete auf dem Rasen. Das Kleid war bis zu ihrer Taille hochgerutscht. Ein erschrockenes Aufstöhnen ging durch das Vorstadtvolk.  Die Gäste standen wie versteinert und tuschelten.

Vergeblich versuchte sie sich zu erheben.

Erst als einige Vorstadtmänner ihr halfen, kam sie wieder auf die Füße, lächelte entschuldigend.

Das Aupairmädchen, dass seit einigen Wochen im Haus wohnte, reichte auf einem Tablett Champagner. Nach einigen Gläsern lockerte die Stimmung wieder auf. Das Spanferkel wurde von dem Hausherrn zerteilt. Das Aupair servierte. Nach dem Essen wurde ausgelassen getrunken und getanzt. Die Kinder tobten in Native Americans Costumes durch den Garten. Niemand störte sich daran, als Simon mit dem Aupairmädchen flirtete.

Plötzlich torkelte Brigitta durch den Garten zu ihrem Mann, baute sich vor ihm auf und schrie:

„ Da seht ihr ihn, der von allen bewunderte und geliebte Schönling, wie er mit unserem Aupair flirtet. Nein, meine lieben Freunde, er flirtet nicht nur mit ihr, er besucht sie auch jede Nacht. Die Geräusche….. unerträglich.

Wenn ich den beiden dann auf die Schliche komme, verprügelt er mich, meine Oberschenkel und meine Arme sind meine Zeugen!“ Der Schönling erblasste, das Aupair erschrak. 

Die Vorstadtweiber schauten verschämt, ihre Männer wütend. 

Langsam löste sich die Gartengesellschaft auf. Die Lichter erloschen. 

Nur der Mond schickte ein fahles Licht auf die eineiigen Häuser.

( © Monika Zelle 31.10.2023 )

2014

2014

Wir schreiben das Jahr 2014. 

Die deutsche Nationalmannschaft hat im Juli dieses Jahres die Fußballweltmeisterschaft gewonnen. Auf den Straßen ist die Hölle los. Das laute Hupen der Autos ohrenbetäubend. Feuerwerkskörper und Leuchtraketen  fliegen durch die Luft. Das Fahnenschwenken der Fans erinnert an das 3. Reich. 

Herr Voss tritt auf den Balkon, beugt sich ein wenig über die Brüstung, als ein Schuss fällt.

Er taumelt, schreit: „ Hilfe, Hilfe!“

Seine Frau ist sofort zu Stelle, führt ihn zum Sofa, und rennt zum Telefon.

„ 14. Revier Klemmer, wer spricht?“

„ Ist dort das 14. Revier?“

„ Wer spricht?“

„ Voss,  mein Name ist Frau Voss, hier ist gerade ein Schuss gefallen, kommen Sie schnell!“

„ Frau Voss, nun beruhigen Sie sich mal!“

„ Beruhigen, ich soll mich beruhigen? Mein Mann sitzt auf dem Sofa und kann nichts mehr hören, hat Schmerzen,  da soll ich mich beruhigen? Machen Sie Witze?“

„ Buchstabieren Sie  mal ihre Adresse!“

„ Sonnenallee 2, wie Sonne und Allee!“

Es knackt in der Leitung. 

Verständnislos schüttelt der Polizist Klemmer den Kopf. Langsam steht er auf, zieht seine Uniformjacke an, darunter vorsichtshalber eine schusssichere Weste, man weiß ja nie, sichert seine Schusswaffe, und informiert die Kollegin Sander.

Als der Polizist und seine Kollegin nach einer Stunde bei den Voss eintreffen, sitzt Herr Voss mit starrer Mine auf dem Sofa.  Seine Frau sitzt neben ihm und zittert.

„ So, Herr Voss, nun erzählen Sie mal genau, was passiert ist!“

„ Sie sehen doch, wie es meinem Mann geht!“

„ Können Sie den Hergang schildern Frau Voss?

„ Nein, ich habe nur den Schuss gehört, weil ich gerade Sekt eingeschenkt habe!“

„ Also, mein Mann ist auf den Balkon gegangen, und muss sich über die Brüstung gebeugt haben, als von der unteren Wohnung des Nachbarn ein Schuss abgefeuert wurde!“

„ Der Nachbar?“

„ Das macht der immer, wenn die deutsche Nationalmannschaft ein Fußballspiel gewinnt!“ 

„ Haben Sie denn schon einen Rettungswagen gerufen?“ 

Das Funkgerät der Polizistin Sander piept. 

„ Peter 14, was gibt`s ?“ Ok wir kommen!“

„ Tut uns leid, wir müssen, es gibt eine Schlägerei auf St. Pauli!“

„ Und was ist mit dem Nachbarn?“

Der Polizist und seine Kollegin verlassen eilig die Wohnung der Voss.

Ein Protokoll wurde nicht aufgenommen.

Die Voss sind alleine mit dem Auto ins Krankenhaus gefahren. 4 Stunden warteten sie auf den behandelnden Facharzt,  der von außerhalb kam. 

Der Nachbar wurde zwar angezeigt, aber die ganze Geschichte ist später im Sande verlaufen. Das Verfahren wurde wegen Geringfügigkeit und mangels Beweises eingestellt. 

Das rechte Ohr von Herrn Voss ist vollständig taub.

Der Nachbar und die Voss gehen seitdem wortlos und grußlos aneinander vorbei. 

( © Monika Zelle 17.10.2023 )

Head Office

1962

Ich saß im Sessel in der Stube unserer 2 ½ Zimmer- Wohnung in Barmbek, vor mir ein kleiner gepackter Koffer.

Eine schwere Sturmflut tobte in und um Hamburg herum.

Die Evakuierung der Bevölkerung aus der Luft wurde

Zu einer Bewährungsprobe für die politischen und gesellschaftlichen Institutionen. Die Elbdeiche brachen und ein Sechstel des Stadtgebiets vor allem südlich der Elbe in Wilhelmsburg und den angrenzenden Stadtteilen wurde überschwemmt. Über 300 Menschen verloren dabei ihr Leben, viele weitere wurden von den Helfern ziviler Hilfsorganisationen, der Bundeswehr und ausländischer NATO-Einheiten gerettet, was dem damaligen Innensenator Helmut Schmidt zu verdanken war.  Nach der Katastrophe baute man die Deiche im Stadtgebiet und entlang der gesamten Unterelbe aus. Die Überlebenden wurden teilweise in andere Stadtbezirke umgesiedelt.

Die sechziger Jahre waren für Hamburg aber auch eine Zeit des Optimismus, politischer Stabilität und wirtschaftlicher Blüte, in der innerstädtische soziale Konflikte und Finanzprobleme im Vergleich zu den nachfolgenden Jahrzehnten eine deutlich geringere Rolle spielten. Der Wideraufbau der Stadt nach Ende des 2. Weltkrieges wurde offiziell erst im Mai 1965 mit einer Feierstunde im Rathaus abgeschlossen. 

Zu dieser Zeit beendete ich erfolgreich die höhere Handelsschule. Die Direktoren der Banken, Versicherungen, Behörden und anderen kaufmännischen Betrieben scharrten schon mit den Hufen, um die sehr gut kaufmännisch ausgebildeten Schülerinnen und Schüler für sich zu gewinnen.

Ein Mitschüler in meiner Klasse fragte mich, ob ich mich bei seinem Vater in der englischen Bank „ The Standard Bank Ltd.“ vorstellen wolle.

Der Personalchef Mr. Field, ein kleiner, schlanker, sehr sympathischer Engländer, empfing mich in seinem kleinen Büro mit Blick auf die Alster. Meine Zeugnisse interessierten ihn nicht. Er sagte:“ In einem halben Jahr wissen wir was sie leisten können Fräulein Klein!“  Er unterhielt sich noch ein bisschen auf Englisch mit mir. Es war ein Donnerstag. Am Montag

Sollte ich meine kaufmännische Lehre beginnen. 

Am 28. Mai 1965, Sonnenuntergangszeit kam Königin Elizabeth die II. aus England in die Hansestadt Hamburg. Queen Elizabeth und Prinz Philipp stehen an der Reling der königlichen Jacht „Britannia“ im Hamburger Hafen und winken hoheitsvoll. Die Queen trägt ein funkelndes Diadem und eine schneeweiße Pelzstola. Eine Königin wie aus dem Märchen, finden die Hamburger, die sich zu Zehntausenden an der Elbe versammelt haben. Sie erleben eine eindrucksvolle Flaggenparade am letzten Tag des „Staatsbesuchs des Jahrhunderts“.

Auch wir, alle Angestellten unserer Bank standen an den offenen Fenstern zum Jungfernstieg und jubelten ihr zu, als sie in einer offenen Staatskarosse an uns vorbei fuhr.

Leider überschattete ein Ereignis den Besuch der Queen. Unser damaliger Bürgermeister Paul Nevermann hat die Königin nicht in Begleitung seiner Frau empfangen. Sie hatten Eheprobleme, und seine Frau hat das Treffen kurz vorher abgesagt. Ein Skandal!!

The Standard Bank Ltd. hatte Filialen Teilen ganz Afrikas. Eines Tages kam ein Trainee namens Barbara aus Johannesburg zu uns in die Hamburger Filiale. Ich freundete mich mit ihr an. Schon länger spielte ich mit dem Gedanken nach Johannesburg, Pretoria oder Kapstadt in South Africa zu gehen. Auch die Filialen in Nairobi/ Kenya, East Africa oder Windhoek/ West Africa, das heutige Namibia, interessierten mich sehr.  Als Barbara mir dann berichtet, dass Weiße nicht mit Schwarzen auf einer Bank sitzen oder im Bus fahren, geschweige denn mit ihnen sprechen dürfen, war für mich die Sache erledigt.

In politischer Hinsicht überschlugen sich die Ereignisse in Hamburg, wobei meine Eltern immer noch mit der Bewältigung des Hitlerkrieges und der Judenverfolgung beschäftigt waren. Ein Trauma, das sich sogar in den Nachkriegskindern und deren Kinder noch verfestigt hatte.

In der zweiten Hälfte der sechziger Jahre veränderten die Studentenbewegung und die Entstehung einer bundesweit aktiven „Außerparlamentarischen Opposition“ das politische Klima auch in Hamburg. So kam es im Juni 1967 anlässlich des Besuchs des autoritär regierenden Schahs von Persien, ähnlich wie zuvor in Westberlin zu Protesten und gewalttätigen Ausschreitungen. Während dieser Ausschreitung wurde am 02. Juni 1967 der Student und Pazifist Benno Ohnesorg erschossen. Am 9. November 1967 störten Studierende in der Universität die Rektoratsübergabe. Sie forderten Reformen und mehr Demokratie im Bildungswesen. Wenige Monate später kam es in Hamburg zu schweren Auseinandersetzungen mit der Polizei, als sich die Empörung der Studierenden nach dem Mordanschlag auf den Berliner APO-Führer Rudi Dutschke gegen den konservativen Springer-Konzern und die BILD-Zeitung richtete. Jüngere Hamburger Spitzenpolitiker wie Helmut Schmidt hatten sich lange um den Dialog mit den Protestierenden bemüht, ältere wie Bürgermeister Weichmann sahen die Entwicklung dagegen kritisch und mit Sorge.

Mit dem in den 1960iger Jahren modernen Minirock bekleidet, nahm ich an den Demonstrationen natürlich teil. In der Bank war der Minirock verpönt. Wir Frauen durften nur im Kostüm zur Arbeit kommen. Frauen mussten bis 1972 ihre Männer sogar noch um Erlaubnis bitten, wenn sie eine Arbeitsstelle antreten wollten. 

Aber nicht nur die Demonstrationen beherrschten mein Leben, zu dieser Zeit ging ich fast jedes Wochenende in den Starclub, um die Beatles zu bewundern, und zu ihrer Musik zu tanzen.The Beatles  war eine aus Liverpool stammende britische Beat-Rock- und PopBand in den 1960er Jahren. Mit mehr als 600 Millionen[1] – nach Schätzungen ihrer Plattenfirma EMI sogar mehr als einer Milliarde[2] – verkauften Tonträgern ist sie die erfolgreichste Band der Musikgeschichte.

Es war eine Wilde Zeit damals, an die ich mich gerne zurückerinnere.

( © Monika Zelle 10.10.2023 )

Oma Gosch

Oma Gosch

Heute wollten meine Mutter und ich ihre Mutter, also meine Oma besuchen.

Mitten in der Woche. Ich freute mich sehr über diese willkommene Ablenkung, obwohl ich auch ebenso gerne draußen mit meinen Freundinnen Meyersche Brücke oder Kibbel Kabbel spielte.. 

Meine Mutter hatte unser Sonntagszeug aus dem Schrank geholt, und uns fein herausgeputzt. Sie trug ein dunkelblaues Kostüm, eine weiße Bluse, dazu dunkelblaue Pumps und Seidenstrümpfe mit Naht.  Ich einen dunkelblauen, von ihr selbst genähten Faltenrock, dazu eine weiße Rüschenbluse, dunkelblaue Lackschuhe und weiße Söckchen. Sozusagen im Partnerlook, wie man heute zu sagen pflegt.

Zu meiner Oma fuhren wir immer mit der Straßenbahn der Linie 8 in die Schanzenstraße.

Bei dem Zahlmeister kaufte meine Mutter eine Fahrkarte für sich, klack klack klack trommelte es, wenn er die Tasten seiner Eisenkasse anschlug, die er um die Schulter trug, um das Wechselgeld herauszugeben.  Ich fuhr umsonst. Wie immer drückte ich meine Nase an der Glasscheibe platt, die mich und den Straßenbahnschaffner trennte. Ich schaute ihm zu, wie er die Kurbel in Schwung brachte. Zu meiner großen Freude bimmelte er drei Mal, obwohl keine Gefahr in Verzug war. 

Meine Oma bewohnte in einem Hinterhof, zusammen mit ihrem Sohn Fiete, seiner Frau Rosi und einem Chow Chow eine kleine Wohnung in der 2. Etage. Vor dem Chow Chow hatte ich Angst, weil er meinen Cousin Herbert schon einmal gebissen hatte. Am meisten freute ich mich auf meine Tante Rosi, die mit mir spielte, wenn wir sie besuchten. Wenn sie mich auf ihre burschikose, herzliche Art mit ihren rundlichen Armen an ihren pummeligen Körper drückte, empfand ich eine tiefe Zuneigung, diese Wärme, mit der sie mich umfing, die ich sonst nur bei meinem Vater empfand, spürte in mir noch lange nach. Ich genoss ihren Duft nach Niveaseife,  bis er sich allmählich verflüchtigte.  Tante Rosi war ein ungeliebtes Familienmitglied. Onkel Fiete hatte sie in Magdeburg kennen gelernt. Es wurde gemunkelt, sie habe dort als Prostituierte gearbeitet. Onkel Fiete war ein stiller, schüchterner Mann, der gerne Leberwurstbrot aß. Meine Oma war nicht so, wie man sich eine Oma vorstellte. Sie hat mich nie in den Arm genommen. Wenn sie uns zu Hause besuchte, brachte sie mir Obst statt Süßigkeiten mit.  Aus Erzählungen wusste ich, dass sie eigentlich immer nur in ihrer Küche ohne Fenster stand, und entweder kochte oder Wäsche wusch. Mein Opa und sie hatten 6 Kinder, 5 Söhne und eine Tochter.

Meine Mutter und ich saßen nun fröhlich in der Straßenbahn, als eine ältere Dame mich fragte, ob ich ein Bonbon wollte. Fragend schaute ich meine Mutter an, denn ich durfte eigentlich nichts von fremden Leuten annehmen. Meine Mutter nickte. 

Ich nahm das Bonbon, und roch selbstvergessen an dem bunten Papier. Meine Mutter stieß mich mit dem Fuß an. Sie schaute böse. Meine Mutter konnte eisig schauen mit ihren großen blauen Augen. Ich wickelte das Bonbon aus, und hielt es mir abermals unter die Nase. Es roch nach Erdbeere und Rose, zum Glück nicht nach Honig oder Eukalyptus. Dann würde ich das Bonbon nämlich wieder in das Papier einwickeln und in die Jacke meines Anoraks versenken. 

Ich hatte das Bonbon gerade in den Mund gesteckt, als meine Mutter abrupt aufstand, und mich von meinem Sitz zog. 

An der nächsten Haltestelle stieg sie mit mir aus der Straßenbahn aus.

Sie schlug mir mitten ins Gesicht. Ich sah nur noch, wie die Dame in der abfahrenden Straßenbahn mit dem Kopf schüttelte. 

„ So, wir fahren jetzt nicht mehr zu Deiner Oma! Wie kannst Du nur an dem Bonbon, dass man Dir schenkt, riechen, so etwas tut man nicht, was soll denn die Dame von Dir denken!“

Zuerst spürte ich die Backpfeife gar nicht, weil das Bonbon mit dem herrlichen Geschmack nach Erdbeere und Rose gerade auf meiner Zunge zerfloss. Dann zerkaute ich es vor Schreck, und schluckte es hinunter, versuchte dann aber, dem Geschmack auf meinem Gaumen und in meiner Nase nachzuspüren. 

Mit der entgegenkommenden Straßenbahn der Linie 8 fuhren wir wieder nach Hause.

Ich befühlte meine Wange, sie brannte. Ich heulte die ganze Zeit auf der Rückfahrt, obwohl ich mich eigentlich auch auf Kibbel Kabbel und die Meyersche Brücke freute.

Die Angewohnheit, am Essen oder anderen Dingen zu riechen, bevor ich ihnen vertraute, konnte meine Mutter mir nicht austreiben.

Viele Jahre später verstand ich ihre Wut über die Intensität meiner Sinnlichkeit. Sie war während des 2. Weltkrieges an Typhus erkrankt, und hatte dadurch ihren Geruchs-und Geschmackssinn verloren. 

( © Monika Zelle 03.10.2023 )

Emma

Emma

Suchen Sie eine perfekte Frau oder einen perfekten Mann?

Die/der wirklich alles kann?

Nun liebe Leserin lieber Leser an die Arbeit

Sie/Er erspart Ihnen viel Müh und Zeit

In unserer Emma findet ihr auch die Bedienungsanleitung

Nun frisch ans Werk mit ganz viel Schwung!!

„ Lisa, hast Du schon die neue Emma gelesen?“

„ Nein, wieso, ich putze gerade meine Fenster!“

„ Du putzt Fenster? Und was macht Otto?“

„ Na ja, was soll er schon machen, er kompostiert auf dem Sofa und schaut fern!“

„ Hab ich mir schon gedacht, genau wie mein Smartphonejunkee!“

„ Wenn Du mit Deinen Fenstern fertig bist, gehen wir ins Cafe Meyer, ok?“

„ Ok Sarah, aber sag doch mal schnell was Du in der Emma gelesen hast!“

„ Nein, das wäre zu umfangreich, zu kompliziert, Du wirst Dich wundern, für uns beginnt ein  

   neues Leben!“

„ Das ist ja spannend, ich beeile mich, bis nachher!“

„ Bis nachher Lisa!“

Nach einer halben Stunde ruft Lisa ihre Freundin Sarah an.

„ Wir können!“

So schnell sind die beiden Frauen noch nie in ihrem Cafe Meyer angekommen.

Bevor der Kaffee und die Sahnetorte serviert wird, setzen die beiden Frauen sich zusammen.

„ Hier, schau mal, Lisa!“

In der Emma ist ein Mann abgebildet, eine schöner Mann, volle Haare, ein super geschnittenes Gesicht, muskulös gebaut, groß….

„ Wow, toller Mann, und was ist mit dem?“

„ Den kannst Du Dir bauen, ein Mann für alle Fälle in jeder Lebenslage!“

„ Wie meinst Du das?“

„ Na, wie ich`s sage!“

„ Du musst nichts mehr tun zu Hause, und wirst nach getaner Arbeit auch noch von ihm verwöhnt, Lisa“

Die Freundin schaut verdutzt.

„ Wie, nach getaner Arbeit auch noch verwöhnt!“

„ Nun sei doch nicht so begriffsstutzig, siehst Du hier die Bedienungsanleitung? Wie baue ich mir einen Mann!“

„ Bedienungsanleitung?“

„ Ja, wir müssen uns diesen Mann erst bauen.“

„ Aha, und wie machen wir das?

„ Na ja, wir beide können das nicht, wir holen unsere beiden Bewegungslegastheniker aus 

   ihrer Komfortzone!

„ Wie jetzt, mein Otto und Dein Walter sollen uns diesen Mann basteln?“

„ Ja, genau, mein Walter und Dein Otto basteln uns diesen Beau!“

„ Beau?“

„ Hast Du noch nie Kreuzworträtsel gemacht? Ein Beau ist ein schöner Mann!“

„ Und was kostet der Spaß?“

„ Der Spaß kostet uns nichts, wir machen ja schließlich Werbung für die Emma!“

„ Wie Werbung!“

„ Na ja, wir zeigen den Leuten, was Robby alles kann, und kommen sogar in die Zeitung!“

„ In die Emma?“

„ Und wenn er uns dann verwöhnt, wird das auch gezeigt? Und was meinst Du überhaupt mit  

   Verwöhnen?“

„ Naja, wozu unseren Männer schon seit Jahren zu faul sind, das meine ich mit verwöhnen!“

„ Du meinst kochen, putzen, Wäsche waschen, Wäsche zusammenlegen, Fenster putzen,      

   bügeln, Staub saugen?“

„ Ja, das auch… aber ich meine mit verwöhnen eher tanzen, singen, lachen und noch andere   

   tolle Sachen machen!“

„ Meinst Du etwa Liebe?“

„ Du hast es erfasst, Liebe machen, genau!“

„ Und das wird in der Emma gezeigt?“

„ Ja.“

„ Und wenn unsere Männer die Emma lesen?“

„ Lina, hör auf jetzt, die beiden haben noch nie die Emma gelesen!“

Linas Augen werden immer größer. Der Kaffee und der Kuchen wird serviert.

Hastig schlingt sie ihre Torte runter, und verbrennt sich mit dem heißen Kaffee ihren Mund, wie immer, wenn sie so gierig ist…..

„ Und was sagen Otto und Walter, wenn sie den Robby bauen?

„ Wie jetzt Otto und Walter, die wissen doch nicht, was dieser Robby alles kann!“

„ Also ich weiß nicht, obwohl?…..

( © Monika Zelle 26.09.2023 )