Donna Clara

Groß war Donna Clara nicht, eher kleinwüchsig, von drahtiger Statur, mit einem hübschen Gesicht, von schwarzen lockigen Haaren umrahmt.

Eine Frau in bestem Alter, die kein Pardon kannte, wenn es um ihre Firma, oder gar um ihren Sohn Giovanni ging.

Sie führte ein hartes Regiment in ihrem traditionellen Familienunternehmen, und der Sohn sollte einmal übernehmen, was ihr verstorbener Mann mit seiner Hände Arbeit aufgebaut hatte.

Noch führte Giovanni mit seinen 30 Jahren ein ausgelassenes, freies Leben.

Wein, Weib und Gesang bestimmten seine Tage.

Manchmal ließ er sich auf dem Weingut blicken, naschte ein paar Trauben und war wieder verschwunden.

Seine Mutter sah es ihm gerne nach. Sollte er doch sein Leben genießen, nachdem er die Ausbildung auf dem Gut erfolgreich abgeschlossen hatte.

Ihre langjährige Sekretärin war in den Ruhestand gegangen, nun hieß es, eine Neue, sicher in Wort und Schrift einzustellen.

Es dauerte nicht lange, und es stellte sich eine junge Italienerin vor.

Elsa, blonde Haare, blaue Augen, beste Zeugnisse.

Donna Clara stellte sie ein.

Von nun an ließ sich ihr Sohn fast jeden Tag im Büro blicken.

Sollte er sich womöglich in die Tippse verguckt haben?

Ein Unding.

Mit Argusaugen verfolgte sie das Geschehen, und merkte schnell, dass sich ihre Vermutung bewahrheitete.

Sie bat ihren Sohn in ihr Büro.

„ Giovanni, es geht nicht, dass du dieser kleinen Elsa nachstellst, sie passt nicht zu uns,

und wenn Du unbedingt arbeiten willst, kümmere Dich um die Ernte!“

Ohne ein Wort verließ der Sohn das Büro seiner Mutter.

Elsa saß mit verweinten Augen an ihrem Platz, und konnte ihre Arbeit nicht mehr ordnungsgemäß ausführen.

Das führte dazu, dass Donna Clara sie entlassen musste.

Es dauerte nicht lange, und Giovanni bat sie um einen Auslandsaufenthalt,

dem sie mit Freude zustimmte.

Sollte er sich in der Ferne die Hörner abstoßen.

Er ging nach Südafrika, wo er seine Weinanbaukenntnisse erweitern wollte.

Doch nach einem Jahr bekam Donna Clara eine Nachricht, die ihr den Boden unter den Füßen wegriss.

Ihr Sohn, ihr Giovanni, war mit seinem Sportwagen auf einer kurvenreichen Straße des Tafelberges tödlich verunglückt.

Sein Körper soll bis zur Unkenntlichkeit verbrannt sein.

Donna Clara ließ die Urne mit den Überresten ihres Sohnes in die Heimat überführen.

Unter den Trauergästen sah sie Elsa, ganz in schwarz, hochschwanger.

Ihre Spuren verloren sich.

Viele Jahre später entdeckte Donna Clara ein Foto in der Zeitung, auf dem drei Personen abgebildet waren.

Darunter stand:

„Der Sohn von Giovanni und Elsa Bardolino hat beim Autorennen den großen Preis von Kapstadt gewonnen.“

( © Monika Zelle 16.04.2019 )

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Tante Rosa

Als meine Schwester Nora und ich zur Welt kamen, glichen wir nicht wie ein Ei dem anderen, obwohl wir Zwillinge waren.

Früh verließ uns der Vater, weil er dieses Leben mit Frau und zwei Kindern nicht aushielt.

Noch wohnten wir in einem großen Haus in einem  Vorort von Wien.

Als das Geld knapp wurde, zogen wir in eine der Mietskasernen in die Stadt.

Schnell merkte ich, dass die Mutter Nora viel mehr in ihren Armen hielt als mich.

Um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen, versuchte ich schon als kleines Mädchen

zu helfen, wo ich nur konnte.

Wenn Nora in den Spiegel schaute, sah sie ein Engelsgesicht. Schaute ich in den Spiegel, glotzte mir eine hässliche Fratze entgegen,

Noras Gesicht war ebenmäßig und besonders hübsch.

Früh erledigte ich fast alle im Haushalt anfallenden Arbeiten für meine Mutter und Nora, während die beiden sich in ihrer Schönheit sonnten.

Als wir größer wurden, lehrte meine Mutter mich das Kochen.

Schnell konnte ich viel besser kochen als sie.

Genüsslich verzehrten die beiden die Leckereien, während ich in der Küche schuftete.

Die Lieblosigkeit meiner Mutter ersetzte ich durch essen, und wurde immer dicker.

Eines Tages erklärte mir meine Mutter, dass ich nun nicht mehr mit meiner Schwester Nora und ihr in einem Haushalt leben könnte, weil das Geld nicht reichte.

Ich zog zu meiner Tante Rosa, einer Schwester meines Vaters.

Das Kochen sollte ich aber weiterhin für meine Mutter und Nora erledigen.

Das bedeutete eine Stunde Fußweg jeden Tag.

Meine Tante Rosa wohnte dörflich.

Sie war klein und rundlich, und sehr nett zu mir. Auch mein Vater kam mich nun öfter besuchen.

Tante Rosa hatte einen großen Garten, in dem sie verschiedenerlei Kräuter zog.

Ich bereitete nun wieder jeden Tag das Essen für Nora und meine Mutter zu, die besonders die frischen Salate mit den aromatischen Kräutern schätzten.

Trotzdem ich weiterhin gut aß, bekam mir die frische Landluft, und der einstündige Fußweg jeden Tag sehr gut.

Ich wurde wieder schlank, und meine frische Gesichtsfarbe ließ meine Fratze freundlicher erscheinen.

Meine Schwester und ich waren inzwischen zu Teenies herangewachsen.

Eines Tages sagte meine Tante zu mir:

„ Komm mein kleiner Fratz wir gehen in den Wald, da gibt es eine Stelle wo der Bärlauch wunderbar wächst.

Du wirst sehen, Deine Salate schmecken noch würziger, und wir müssen keinen Knoblauch mehr kaufen.“

Gesagt getan.

Meine Schwester Nora und meine Mutter lobten meine Salate in den höchsten Tönen.

Als ich am nächsten Tag, den Rucksack mit dem Essen auf dem Rücken, die Wohnung meiner Mutter und Nora erreichte, fand ich alle Türen verschlossen.

Ich zwängte mich durch das Kellerfenster, und lief in die Küche.

Meine Mutter und meine Schwester lagen auf dem Fußboden, die Gabeln noch in den Händen.  Beide tot.

Die Salatschüssel auf dem Tisch, zerbrochen.

Entsetzt lief ich zu meiner Tante Rosa zurück.

Als ich ihr von dem Unglück berichtete, lächelte sie nur, und hüllte sich in Schweigen.

Mir war der Tod meiner Mutter und meiner Schwester ein Rätsel.

Viele Jahre später erkochte ich mir einen Stern in meinem Restaurant in Wien.

 

 

 

( © Monika Zelle  30. April 2019 )

 

 

 

 

Die Macht der Worte

Die Macht der Worte.

 

  1. H. Österreicher.

Seine Reden hörten sich an wie Hundegebell.

Mein Kampf.

In diesem Buch hat er mit Worten alle Taten angekündigt.

Wer hat das Buch gelesen?

Worte ohne Taten sind die Mörder des Idealismus?

Was ist Idealismus.

Krieg? Die Ermordung von 6 Millionen Juden?

Von politisch Verfolgten? Zigeunern? Zeugen Jehovas?

„ Wollt ihr den totalen Krieg?“

„ Ja!“, schrien Millionen von Deutschen, und hoben die Hand zum Hitlergruß.

Propagandaminister G. mit seiner demagogischen Rhetorik und den planvoll choreographischen Massenveranstaltungen begeisterte die Menschen.

Lullte sie ein.

Mit der ganzen Kraft seiner Worte.

Überzeugte sie von der Judenverfolgung, obwohl er selbst jüdische Vorfahren hatte.

Der Wegbereiter des Holocausts.

Ein Jongleur der Worte.

Geschichtenerzähler.

Tagebuchschreiber.

Magier.

Er hypnotisierte die Massen.

Er setzte mit der Macht seiner Worte eine Maschinerie in Gang, die nicht mehr aufzuhalten war.

Die meisten Menschen in Deutschland waren arm, hatten nichts zu essen.

Wessen Brot ich esse, dessen Lied ich singe?

Das Schicksal des Deutschen Volkes?

Wer nicht die Sprache der Nazis sprach, wurde ermordet.

Sprache?

Keine zärtlichen Worte.

Blutrünstige Worte.

Die Worte von Kriegstreibern und Mördern.

Ein ganzes Volk hat die Worte nicht verstanden.

Sonst kann es nicht angehen, dass so viel Leid durch Worte hervorgerufen wird.

Feige Worte.

Am Ende ein feiger Selbstmord dieser unseligen Figuren, die mit Worten, aber auch mit Taten ein ganzes Land in Schutt und Asche gelegt haben.

Und heute?

Hitlertreue sind mitten unter uns, auch mit Worten:

Der Vorsitzende einer Partei im Bundestag sagte:

„ Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte.

 

( © Monika Zelle  08.04.2019 )

 

 

 

Smaragdgrün

 

Smaragdgrün schlängelt sich die Neretva durch die Schluchten Jugoslawiens.

So ein Grün, wie ich es noch nie in meinem Leben gesehen hatte.

Unser Reisebus folgt ihr bis zum Dorf Mostar.

Ein Dorf mit einer mittelalterlichen Brücke, die dieses grüne Wunder überquert.

Jungen stehen auf der Brücke, johlend stürzen sie sich hinunter in den Fluss.

Tief ist er nicht.

Unten angekommen schießen sie wie Pfeile durch das glitzernde Wasser. Ein Schauspiel, wie ich es auch noch nie gesehen hatte.

Kleine Mädchen in bunten Kleidern halten die Hand auf, um ein paar Dinar von den Schaulustigen einzusammeln.

Wir schlendern durch das Dorf, begleitet von buntem Treiben und Gerüchen, die ich nicht kannte. Wir finden uns in einer kleinen Stube wieder.

Der Hausherr reicht schwarzen süßen Tee.

In einheimischen Trachten tragen die Frauen köstliche Speisen auf.

Plötzlich steht eine Frau vor mir mit einer Tracht, und fordert mich auf, einer dieser Trachten anzulegen.

Auch ein Kopftuch gehört dazu.

Eigentlich trage ich keine Kopftücher.

Brücken bauen.

Ich sah aus wie eine kleine Türkin, mit meinen schwarzen Haaren und braunen Augen, und fühlte mich sehr wohl in dieser bunten Tracht in ihrer anderen Welt.

Bald mussten wir dieses Dorf mit seinem türkischen Einschlag, den lachenden Menschen und ihrer Gastfreundschaft wieder verlassen.

Wie gern wäre ich geblieben.

Das ist ein halbes Jahrhundert her.

Inzwischen wurde die Brücke in Mostar durch einen unseligen Krieg vollständig zerstört.

Wieder aufgebaut ist sie nicht mehr die Alte.

Brücken werden schon lange nicht mehr gebaut.

Eigentlich war ich schon immer so ein bunter Vogel, am liebsten ausgefallen gekleidet, unterwegs in südlichen Ländern, und ihrem quirligen Leben.

Doch jetzt im Alter hat mich plötzlich eine andere bunte Welt entdeckt.

Die Welt der Gudrun Sjöden.

Eines Tages fand sie mich in Form eines Prospektes in meinem Briefkasten.

Die bunten Farben der Kleider gefielen mir so gut, dass ich sie sofort in ihrem schwedischen Lädchen aufsuchen musste.

Diese Art Tracht trägt man zwar im Hohen Norden, wird aber in China, Rumänien oder Bulgarien genäht.

Ich musste über meinen Schatten springen.

Eigentlich trage ich möglichst keine Kleidung, die wohlmöglich noch von Kinderhand genäht wird.

Die freundlichen Verkäuferinnen versicherten mir, dass die Stätten regelmäßig überprüft würden.

Diese Kleider mit ihren bunten Mustern und auffälligen Farben sind wie für mich gemacht.

Manchmal streifen mich die Blicke der Menschen, verwundert, auch böse, oder freundlich.

Ich sage mir dann immer, wenn schon alt, dann wenigstens bunt.

( © Monika Zelle 26.03.2019 )

 

 

Smaragdgrün

Smaragdgrün schlängelt sich die Neretva durch die Schluchten Jugoslawiens.

So ein Grün, wie ich es noch nie in meinem Leben gesehen hatte.

Unser Reisebus folgt ihr bis zum Dorf Mostar.

Ein Dorf mit einer mittelalterlichen Brücke, die dieses grüne Wunder überquert.

Jungen stehen auf der Brücke, johlend stürzen sie sich hinunter in den Fluss.

Tief ist er nicht.

Unten angekommen schießen sie wie Pfeile durch das glitzernde Wasser. Ein Schauspiel, wie ich es auch noch nie gesehen hatte.

Kleine Mädchen in bunten Kleidern halten die Hand auf, um ein paar Dinar von den Schaulustigen einzusammeln.

Wir schlendern durch das Dorf, begleitet von buntem Treiben und Gerüchen, die ich nicht kannte. Wir finden uns in einer kleinen Stube wieder.

Der Hausherr reicht schwarzen süßen Tee.

In einheimischen Trachten tragen die Frauen köstliche Speisen auf.

Plötzlich steht eine Frau vor mir mit einer Tracht, und fordert mich auf, einer dieser Trachten anzulegen.

Auch ein Kopftuch gehört dazu.

Eigentlich trage ich keine Kopftücher.

Brücken bauen.

Ich sah aus wie eine kleine Türkin, mit meinen schwarzen Haaren und braunen Augen, und fühlte mich sehr wohl in dieser bunten Tracht in ihrer anderen Welt.

Bald mussten wir dieses Dorf mit seinem türkischen Einschlag, den lachenden Menschen und ihrer Gastfreundschaft wieder verlassen.

Wie gern wäre ich geblieben.

Das ist ein halbes Jahrhundert her.

Inzwischen wurde die Brücke in Mostar durch einen unseligen Krieg vollständig zerstört.

Wieder aufgebaut ist sie nicht mehr die Alte.

Brücken werden schon lange nicht mehr gebaut.

Eigentlich war ich schon immer so ein bunter Vogel, am liebsten ausgefallen gekleidet, unterwegs in südlichen Ländern, und ihrem quirligen Leben.

Doch jetzt im Alter hat mich plötzlich eine andere bunte Welt entdeckt.

Die Welt der Gudrun Sjöden.

Eines Tages fand sie mich in Form eines Prospektes in meinem Briefkasten.

Die bunten Farben der Kleider gefielen mir so gut, dass ich sie sofort in ihrem schwedischen Lädchen aufsuchen musste.

Diese Art Tracht trägt man zwar im Hohen Norden, wird aber in China, Rumänien oder Bulgarien genäht.

Ich musste über meinen Schatten springen.

Eigentlich trage ich möglichst keine Kleidung, die wohlmöglich noch von Kinderhand genäht wird.

Die freundlichen Verkäuferinnen versicherten mir, dass die Stätten regelmäßig überprüft würden.

Diese Kleider mit ihren bunten Mustern und auffälligen Farben sind wie für mich gemacht.

Manchmal streifen mich die Blicke der Menschen, verwundert, auch böse, oder freundlich.

Ich sage mir dann immer, wenn schon alt, dann wenigstens bunt.

( © Monika Zelle 26.03.2019 )

Migräne

 

Die  Studienrätin Jutta König fährt aus dem Schlaf.

Der Wecker.

Sie versetzt ihm einen heftigen Stoß.

Dreht sich noch einmal um.

Bitte nicht heute.

Keine Migräne.

Sie  wollte ihren Kids mal ordentlich Feuer unterm Hintern machen.

Ein Englischtest.

Sie stellt sich gerade vor, wie die Kinder ihrer Klasse wie ein Tsunami in den Klassenraum einfallen.

Meistens ist Jutta König schon 15 Minuten eher in ihrer Klasse, aber ihre Schüler beachten sie nie.

Sagen nicht einmal guten Morgen.

Früher war alles besser.

Sie sind als Kinder noch aufgestanden, wenn die Lehrkräfte die Klasse betraten, und haben gerufen:

„ Guten Morgen Herr Lehrer.

Das ist lange her.

Jutta König nimmt eine Tablette.

Heute sind die Kinder nicht zu bändigen, essen und trinken im Unterricht.

Lassen sich nichts sagen.

Erdem hat sie schon mal angespuckt.

Hat keine Achtung vor Frauen.

Aber heute, heute wird sie es ihnen zeigen.

Da wird sich herausstellen, was sie im Unterricht mitbekommen haben.

Sie wird ihnen den Spiegel vorhalten.

Und wenn die Schülerinnen und Schüler heute nicht zur Ruhe gebracht werden können, schreibt sie ihnen halt allen eine 6 ins Klassenbuch.

Basta.

Gruppenhaftung nennt sich das.

Es ist schlimm genug, dass sie als Studienrätin auch die Erziehung der Kinder übernehmen muss.

Jutta König wälzt sich in ihrem Bett herum.

Die Kopfschmerzen lassen nicht nach.

Na dann eben nicht.

Auch egal.

Dann schreibt sie den Test eben morgen.

Sie greift zum Telefonhörer und ruft das Sekretariat an.

Dann kuschelt sie sich wieder unter ihre Decke und schläft sofort ein.

 

 

( © Monika Zelle  19.03.2019 )

 

Will

 

Es ist 20 Uhr.

Margit hat es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht.

Tagesschauzeit.

Will liegt auf dem anderen Sofa, starrt auf sein Smartphone.

Eigentlich tut er es gefühlt den ganzen Tag, denkt Margit.

„ Es gibt heute Abend einen tollen Film mit Bruno Ganz auf Arte!“

„ Aha.“

„ Würdest Du ihn mit mir zusammen anschauen?“

„ Kann ich machen.“

„ Der ist vor kurzem gestorben.“

„ Wer?“

Will tippt wie wild auf seinem Smartphone herum.

„ Na, Bruno Ganz der Schauspieler!“

20.15h Der Film fängt an.

„ Schaust Du jetzt mit oder nicht?“

„ Ja.“

Als Margit sich nach einer Weile nach Will umdreht, tippt er schon wieder auf seinem Smartphone herum.

„ Du wolltest doch den Film mit mir anschauen.“

„ Tu ich doch, der mit Bruno Ganz!“

„ Tust Du nicht, du hast dein Smartphone in der Hand und tippst darauf herum!“

 

Kann die mich nicht einmal in Ruhe lassen. Es ist doch nur dieser eine Level, dann habe ich gewonnen, und zwar gegen die besten Spieler überhaupt.

Nämlich gegen Tom, Susan und Jennifer.

 

„ Du hast es versprochen!“

„ Was?“

Na, diesen Film mit mir anzuschauen, und jetzt habe ich schon die Hälfte verpasst.

Keine Antwort.

 

Langsam dreht Margit sich um.

Sie traut ihren Augen kaum.

Das Sofa, leer.

 

Langsam geht sie auf den Flur.

Seine Zimmertür.

Geschlossen.

Sie öffnet sie die Tür einen Spalt.

Will liegt auf seinem Bett.

Das Smartphone in der Hand.

Seine Augen weit aufgerissen.

Margit befühlt seine Halsschlagader.

Nichts.

 

Sie geht zurück ins Wohnzimmer.

Der Film ist zu Ende.

 

( © Monika Zelle 12. März 2019 )

Falsche Schlange

 

Oberschwester Agnes eilte mit wehenden Fahnen durch die Flure des Sankt Joseph Krankenhauses, rief hier und da den Schwestern Anweisungen, besser gesagt Befehle zu, und verschwand flugs im Ordinationszimmer des Professor Maus.

Wenig später eilte eine Heerschar von Kitteln in weiß durch die Flure.

Chefvisite.

Oberschwester Agnes, mit einem Gesicht wie drei Tage Regenwetter, stand eilfertig neben Professor Maus, und folgte argwöhnische den Ausführungen von Schwester Wanda, die aus den Krankenakten vorlas.

Plötzlich stutzte Oberschwester Agnes.

Bei dieser Patientin handelte es sich doch nicht um den Magen Anders, sondern um die Gebärmutter Meier.

Sie entriss Schwester Wanda die Patientenakte, schlug sie auf, und verpasste ihr vor versammelter Mannschaft eine schallende Ohrfeige.

Die Augen Wandas wurden größer und größer, und bohrten sich förmlich in den Leib der Angreiferin.

In diesem Moment sackte diese zusammen.

Eine  Schlange wand sich um die Füße des Professor Maus.

Es war eine Giftschlange, das erkannte er sofort.

Die Schlange zischelte und wirbelte um ihn herum.

Wie von der Tarantel gestochen sprang er hin und her.

Alle anderen im Raum befindlichen Personen erstarrten vor Schreck.

Dann.

Ein gellender Schrei.

Und, der Professor war verschwunden.

Doch die Schlange brauchte nicht lange, um ihn zu finden.

Die kleine Maus hockte unter dem Schrank, und zitterte am ganzen Leib.

Blitzschnell schnappte die Schlange zu.

Die Maus verschwand in ihrem Maul.

Mühsam würgte sie sie herunter.

Dann versuchte sie sich zu häuten, und gelobte vor dem lieben Herrgott Besserung.

Doch der erhörte sie nicht.

Sie war und blieb eine falsche Schlange.

 

( © Monika Zelle 19.02.2019 )

 

Bockwurst und Brause

 

Wenn es euch interessiert, aufgepasst, Ohren gespitzt.

In den 1950iger Jahren, na, das waren noch Maifeiern, da können die Gewerkschaften von heute sich mal ne Scheibe von abschneiden.

Ein Event würdest Du heute dazu sagen.

Sternförmig sind tausende von Menschen hier in meiner Heimatstadt zum Stadtpark gepilgert.

Sternförmig waren auch die Bühnen aufgebaut.

Es gab sportliche Aufführungen.

Und die Reden von den Gewerkschaftern.

Karisma hatten die.

Toll war das kann ich euch sagen.

Für die Kinder Bockwurst und Brause umsonst. Bier für die Männer.

Wein oder Sekt für die Frauen.

Die Gewerkschaften haben sich das noch was kosten lassen.

Und Heute?

Heute stopfen sie sich die Taschen voll.

Was tun die denn noch für die Arbeiterschaft.

Seid ihr überhaupt organisiert?

Habt ihr schon mal gestreikt?

Kann ich mir nicht vorstellen.

Diese paar Piepen, die diese Alibifunktionäre heute rausholen.

Lächerlich.

Und, habt ihr einen unbefristeten Arbeitsplatz, oder seid ihr auch eins von diesen armen Schweinen mit einem Mindestlohn in prekärer Beschäftigung.

Niedriglohnempfänger ist heute das Stichwort.

Und warum?

Wisst ihr das eigentlich?

Ich weiß es.

Damit der Staat später keine hohen Renten zahlen muss.

Sozialstaat ade kann ich nur sagen.

Wo seid ihr denn?

In eurem Hamsterrad was?

Wo ihr von morgens bis abends schuftet, um Eure Schulden zu bezahlen, und Angst habt, euren Arbeitsplatz zu verlieren, der meistens auch nur befristet ist.

Auch das ist Programm.

Damit sie euch schnell wieder loswerden, wenn ihr nicht funktioniert.

Dabei hat die Masse die Macht.

Lasst euch doch nicht immer alles gefallen, ihr Einzelkämpfer.

Früher, ja früher war alles besser.

Mein Vater und mein Großvater haben noch Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaub erstritten.

Zu Tausenden sind die Arbeiter auf die Straße gegangen.

Heute werden die sozialen Errungenschaften mit Füßen getreten.

Ne, jetzt hör ich auf.

Kriege Magenschmerzen.

Lieber zurück zu meinem Maifeiertag.

Den ganzen Tag lang haben wir gefeiert.

Das war noch ein Volksfest.

Steine haben wir auch nicht an den Kopf bekommen.

Kein einziger Bulle war zu sehen.

Und auf dem Nachhauseweg? Zu Fuß natürlich.

 

Mein Vater, Gewerkschaftsfunktionär, hatte einen im Tee, torkelte neben mir her, und palawerte von dem nächsten Streik, der anstand.

Also aufgepasst, nur wer sich wehrt lebt nicht verkehrt.

Tut was!

Nur gemeinsam seid ihr stark.

Zu Haus angekommen war dann leider dicke Luft, weil ich meinen Sonntagsstaat mit Senf bekleckert hatte.

„ Wie soll ich das wieder rauskriegen“ meckerte meine Mutter, riss mir die Klamotten vom Leib, und weichte sie in Persil ein.

 

( © Monika Zelle 26.02.2019 )

Nur ein Traum

 

Stille.

Diese unvergleichliche Stille.

Nur der Ruf des Kuckucks stört den Wald.

Von Glücksgefühlen umfangen.

Die Kienäppel, eingewickelt in Zeitungspapier, wie mein Vater es mich gelehrt hat, knistern im Bullerofen.

Eine wohlige Wärme umfängt mich, vom Summen des Wasserkessels begleitet.

Tropfen zerplatzen auf der Herdplatte.

Kaffeeduft breitet sich aus, umspielt meine Nase.

Der Schatten meines Vaters, in der Hand seinen Kaffeebecher.

Ein leises Quietschen der Tür meiner Hütte ist zu vernehmen.

Barfuß.

Endlich wieder barfuß.

Die Tannennadeln des Waldbodens pieksen meine Fußsohlen.

Das weiche Moos streichelt sie.

Welch eine Wonne.

Tanzen.

Tanzen durch den Morgen.

Da!

Ein Reh am Waldessaum.

Ein Specht schlägt den Baum.

Nur ein Traum.

Nur ein Traum.

 

 

( © Monika Zelle 17.02.2019 )