Moin

„Moin Franz Dieter.“

„Moin Heinz.“

„Na, Franz Dieter wie geht’s?“

„Muss!““

„ Und, die Liebe?“

„ Muss!“

„ Sag mal, hast Du gestern die Mitternachtsspitzen gesehen?“

„ Was soll das sein?“

„Eine Kabarettsendung!“

„ Wo?“

„ Im Fernsehen!“

„ Kenn ich nicht!“

„ Du kennst die Mitternachtsspitzen nicht?“

„ Nee.“

„ Da war jedenfalls wieder dieser Philipp Simon, der war jetzt lange Krank, und weißt Du was der über Donald Trump  gesagt hat?“

„ Nee!“

„ Trottel mit Entendarschfrisur!“

„ Wer ist Donald Trump?“

„ Du weißt nicht wer Donald Trump ist? Lebst Du auf dem Mond? Den hat doch das amerikanische Volk wieder zu ihrem Präsidenten gewählt!“

„ Sollen sie doch!“

„ Sollen sie doch? Du kannst doch nicht allen Ernstes behaupten, dass Faschisten wieder regieren!“

„ Was sind Faschisten?“

„ Du weißt nicht, was Faschisten sind? Ich erkläre Dir das später!“

„ Dann kennst Du auch nicht Christoph Sieber?“

„ Nee.“

„ Der leitet die Mitternachtsspitzen, und weißt Du was der von Markus Söder gesagt hat?“

„ Nee!“

„ Aber Du kennst Markus Söder?“

„ Ja, der aus Bayern!“

„ Ja, und der Sieber hat von dem Söder gesagt, er sei ein angekokeltes Nürnberger Rostbratwürstchen!“

„ Warum?“

„ Na ja, wegen dem Merz, der will doch Kanzler werden in Deutschland!“

„ Kanzler?, wir haben doch eine Kanzlerin!“

„ Kurt, jetzt mach aber mal halblang, Dein Hirn scheint ja vollkommen Sauerstoffunterversorgt zu sein, die Kanzlerin ist doch längst in Rente?“

„ Nein!“

„ Doch!“

„ Und wer ist jetzt Kanzlerin?“

„ Na, Olaf Scholz!“

„ Wer soll das sein?“

„ Na ja, eigentlich ist er auch nicht mehr Kanzler, weil die Ampel aus ist!“

„ Welche Ampel?“

„ Na ja, Rot Grün Gelb!“

„ Verstehe ich nicht, Ampeln haben doch immer Rot Grün Gelb!“

„ Das waren die 3 Parteien, die zuletzt die Regierung gebildet haben, und nun muss Kanzler Scholz die Vertrauensfrage stellen, weil er den Lindner rausgeschmissen hat!“

„ Den vom Hotel Lindner?“

„ Ne, den mit dem Porsche auf Sylt!“

„ Ach, jetzt weiß ich, den habe ich mal auf Sylt getroffen, als ich mit meiner Ida am Strand spazieren war!“

„ Echt jetzt, Du warst mit Ida auf Sylt?“

„ Ja.“

„ Hast Du mir ja gar nicht erzählt, und da hast Du den Lindner getroffen?“

„ Ja.“

„ Und?“

„ Fand ihn nett.“

„ Nett, diesen nordrhein-westfälischen Dünnbrettbohrer?“

„ Er hat mir einen Kugelschreiber geschenkt.“

„ Einen Kugelschreiber?“

„ Ja, mit meinem Namen!“

„ Mit Deinem Namen?“

„ Ja, FDP.“

„ Ja, das ist seine Partei!“

„ Ne, mein Name, Franz Dieter Poweleit, und jetzt tschüss, ich muss!“

( © Monika Zelle 26.11.2024 )

Samstag

Samstag

Ein schreiendes Kind im Bus, als sei es am Spieß. Die ihm von mir gereichte Weintraube verschmäht es. Die kleine Schwester nimmt sie.

Ein nagenden Schmerz ob der Unfähigkeit oder Schwäche des Vaters, der das Kind nicht beruhigen kann. 

Sonntag

Kappa saust durch die Wohnung. Das neue Spielzeug regt sie auf.

Ein Leckerli beruhigt sie gleich. Sie leckt mir die Hände. Unbändige Liebe.

Montag

Schweißgebadet. Die Nacht wird zum Tag.

Das Buch „Der Sohn des Friseurs“ fängt mich auf, bis die  Augenlider schwer werden. Der Morgen graut. Der Schlaf will nicht wieder kommen.

Wohnungsanzeigen.

Einen alten Baum soll man nicht verpflanzen. Ich bin doch kein Baum, den man ausgräbt und wieder einbuddelt. Wenn schon…. eine Bäumin.

Meine Gedanken kreisen um die Schreibaufgabe. Werde ich meinem Lieblingsautor

Peter Handke gerecht? Werde ich seine Worte in meinen finden?

Ying und Yang erdet. Alles hat zwei Seiten….

Dienstag

Es schneit. Spuren im Schnee. 

Kinder rodeln den Berg hinab. 

Gefühle längst vergangener Zeiten…

Im Fernsehen rauscht das Meer.  Dänemark.

Sonnenauf- und Untergänge…Von der hohen Düne sehe ich Fjord und Meer gleichermaßen 

In der Ferne…..

Auf dem Heimweg. Ich umgehe einen Teil meiner Straße. Entfliehe dem unmoralischen Angebot eines jungen Mannes. Dennoch kreisen meine Gedanken ständig um ihn….

Katharina Thalbach auf dem roten Sofa. Genau wie ich liebt sie ihr Bett.

Genau wie bei mir schwinden ihre Kräfte erzählt sie. 

Gewöhnungsbedürftig. Alt sein ist nichts für Feiglinge.

Mir läuft es kalt den Rücken herunter.

Sabotage oder KI?

Beschädigung von Datenübertragungskabeln. Einschüchterung von Vladimir Putin nimmt die Politik an. Hybrider Angriff.

Oder ist das Kabel durch Anker oder Schleppnetze beschädigt worden.

Droht ein 3. Weltkrieg. 

Ich habe Angst.

Der erste Becher Kaffee auf dem Balkon.

Die letzten Blüten der Geranien kämpfen ums Überleben.

Mittwoch

Gedanken an die Enkelin.  Monika Bleibtreu:

„Wenn die Kinder klein sind, gib ihnen Wurzeln, wenn sie groß sind, gibt ihnen Flügel.“

Klein oder groß?

Gefühle der Ohnmacht. Sprachnachrichten auf Whats App. Keine Antwort. 

Zeitnot? Gedankenlosigkeit? Funkstille….

Samstag

Schnee in den Vorgärten. Ein tiefes Loch klafft in der Straße.

Samstags wird gearbeitet. Soziale Errungenschaften mit Füßen getreten.

Mein Vater würde sich im Grab umdrehen.

Männer schauen zu viert in die Grube. Keine Frau.

Abgrundtief.

Eine Landstreicherin schiebt ihr Hab und Gut in zwei großen Einkaufswagen. 

Deutschland geht es gut….

( © Monika Zelle im November 2024 )

Ich bin

Ich bin ich. Oder nicht?

Werde sein.

Weiterleben in meinen Kindern.

Wer bin ich wirklich.

Bin ich die in mir selbst?

Bin ich die in meinen Geschichten. Sind es meine Geschichten in mir.

Ich lebe in meinen Geschichten wie meine Geschichten in mir.

Mit meinen Geschichten rette ich meine Seele.

Finde mich in meinen Geschichten wieder, und in mir selbst?

Wer meine Geschichten liest, liest in meinem Leben wie in einem offenen Buch.

Wie lebe ich. Wie habe ich gelebt, wie war ich, wie bin ich, wie werde ich sein?

Habe ich zu mir selbst gefunden?

Habe ich mich von mir selbst befreit?

Bin ich auf der Flucht vor mir selbst?

Vor wem fliehe ich.

Erkenne ich etwas von mir in mir selbst wieder?

Ich gehöre nur mir selbst.

Bin eine Gefangene meiner selbst.

Manchmal verliere ich mich an mich, finde mich nicht wieder.

Ich bin meine größte Freundin oder Feindin. Lebensretterin?

Meine Lieder sind mein Leben. Lebe in meiner Musik. Mit meiner Musik.

Die Musik ist in mir, auch sie rettet meine Seele.

Ich schreibe das Tagebuch für meine Enkelin aus ihrer Sicht.

Wird sie es lesen? Werde ich es erleben?

Ich bin wie ich bin.

Ich bin ich.

Ich bin….

( © Monika Zelle 06.11.2024 )

Tante Nelli

Tante Nelli

Wir sitzen in der 3. Etage einer Mietskaserne in der Wohnküche und essen Birnen, Bohnen und Speck. 

Wir, dass ist meine Freundin Miriam, ihr Vater, ihre Mutter, Tante Annie und ich.

Tante Anni Jacobsen ist Jüdin.  Miriams Vater hat sie und ihre beiden Söhne vor den Chergen Hitlers gerettet. Der Mann von Tante Anni wurde bei einem Bombenangriff in Hamburg verschüttet. Ihr Sohn Rolf war Briefträger, und trank jeden Tag bei der Familie meiner Freundin Kaffee. Ihr Sohn Helmuth lebte in Bonn und handelte mit gebrauchten Maschinen, die er an England verkaufte. 

1946 war die Mutter meiner Freundin mit ihrem Sohn 8 Wochen in Bonn bei Helmuth Jacobsen. Danach ist Miriam entstanden.

Tante Annie wollte meiner Freundin und mir Tischmanieren bei  sprechen, dass ließ Miriams Vater sich allerdings nicht verbieten, und die Mutter auch nicht.

Uns war es viel wichtiger, in Miriams Zimmer mit unseren Puppen Kinderkriegen zu spielen.

Wir stopften uns die Puppen unter den Pullover,  pressten sie von dort wieder heraus, und ahmten filmreif Babystimmen nach.

Noch viel lieber spielten wir draußen Kibbel Kabbel, Marmeln oder Messerstech, machten Klingelstreiche bei den Nachbarn, und legten vorher Stapel von Fußmatten vor die Tür des verhassten Herrn Brahmer.

Während wir aßen, schaute Miriams Mutter mit ihren eiskalten blauen Augen streng auf uns.

Wie aus dem Struwwelpeter „ Der Zappelphilipp“ :

„ Und die Mutter blicket stumm auf dem ganzen Tisch herum“.

„ Benehme Dich zu Hause, als seiest Du bei Fremden, dann kannst Du Dich bei Fremden benehmen, als seist Du zu Hause!“, war ihr täglicher Slogan, erzählte mir Miriam.

Meine Freundin stieß immer vor Schreck das Trinkglas um.

Ihr Vater zwinkerte uns dann mit seinem warmen Lächeln zu.

Manchmal besuchte meine Freundin und ihre Mutter Tante Anni im Mechelnbusch in Rissen.

Es gab immer Steak und Salat.

Miriam besuchte viel lieber ihre Tante Luise im Tinsdaler Heideweg.

Dort durften sie und ihr Cousin Herbert mit dem Sofa Eisenbahn spielen.

Es gab bei Tante Luise sogar eine Schaukel und ein Klettergerüst in der Wohnung.

Manchmal durfte ich mit zu Tante Luise.

Als die Mutter meiner Freundin mal 6 Wochen im Krankhaus war,  verbrachte meine Freundin die ganze Zeit bei ihrer Tante Luise und Onkel Ralf. Paradiesische Zeiten, obwohl es einen Nachbarsjungen gab, der meine Freundin oft verprügelte. Roland Felgentreff. Seine Eltern führten einen Gemischtwarenladen.

Miriams Onkel Ralf nahm Roland dann in den Schwitzkasten.

Der Onkel behauptete immer, dass meine Freundin eine schöne Kopfform hat.

Mit ihrem Cousin lief Miriam oft durch die Rissener Heide zum Elbanleger.

Als Miriams Eltern sie wieder abholen wollten, versteckte sie sich bei Tante Nelli auf dem Dachboden unter dem Sofa. Tante Nelli, die aussah wie eine Hexe mit einem Buckel, die ihr und dem Cousin immer Geschichten erzählte,  war  den Kindern unheimlich.

Sie verriet Miriam aber nicht.

Tante Nelli, die hinter einer Bretterwand auf dem Sofa thronte, wo Miriam niemand entdeckte. 

Tante Luise versorgte Tante Nelli mit Essen…..  

( © Monika Zelle 30. 10.2024 )

Mit 17 hat man noch Träume

Mit 17 hat man noch Träume…

Freddy Quinn schimpft auf die Gammler, die Rolling Stones erobern Berlin, und der Judenhass hat immer noch ein Gesicht in Deutschland.

Und wer war sie, eine 17 jährige, die gerade eine Banklehre machte, Freddy Quinn sehr mochte, die Rolling Stones aber auch. Vor allem natürlich die Beatles.

An den Wochenenden tanzte sie  wild im Starclub. Meistens wollten die Türsteher sie nicht reinlassen, sie wirkte noch wie ein Kind, das Geburtsdatum im Ausweis zeigte ihr wahres Alter… 

5 DM für eine Cola den ganzen Abend musste reichen. Am besten gleich austrinken, belehrte der Vater, der sie und ihre Freundin mit seinem VW Käfer auf den Kiez brachte und wieder abholte. LSD war in dieser Zeit im Umlauf.

Die Freundin wurde immer sofort zum Tanzen aufgefordert, mit ihrer hochtoupierten Frisur und ihrem stämmigen Körper sah sie viel älter aus. Zudem war sie auch noch sehr groß.

Der Freund des Mädchens, mit dem sie ihr erstes sexuelles, unspektakuläres Erlebnis hatte, durfte nicht in den Starclub.

Eines Tages holte er sie unaufgefordert von ihrer Arbeit ab, nahm sie bei der Hand und zog sie über den Jungfernstieg auf den Alsterdampfer. 

Es war herrlichstes Sommerwetter. Auf der Fahrt zur Saarlandstraße eröffnete er ihr, dass nun Schluss wäre, weil er eine Andere hätte. Wie konnte das sein, hatte er ihr doch gerade zu ihrem 17. Geburtstag 17 rote Rosen geschenkt. Seine Mutter war Blumenbinderin.

Von der Saarlandstraße liefen sie schweigend durch die von Mietskasernen gesäumten Straßen nach Hause. Noch ein Kuss vor der Haustür, und das wars.

Wie in Trance lief sie die Treppen in die 3. Etage hoch. Es roch nach Sauerkraut und dem Schweiß von Frau Mulsow, die wohl gerade das Treppenhaus geputzt hatte. Was war passiert. Wie sollte sie damit umgehen. Immerhin waren sie seit 3 Jahren zusammen.

Ihre Mutter schaute argwöhnisch mit ihren bösen blauen Augen, als sie in den engen Flur der kleinen Wohnung trat. Ihren Tränen schenkte sie keine Beachtung.

In ihrem kleinen Durchgangszimmer musste sie daran denken, als ihre Mutter zu ihr sagte:

„ Das hast Du jetzt alle 4 Wochen, dafür müssen die Männer sich jeden Tag rasieren!“, in dem sie ihr eine Packung Damenbinden reichte.

Ihre Mutter, die sie mit 4 Jahren in ein Kindererholungsheim schickte, wo sie sich nach jedem Essen übergab, weil einfach zu viel Essen auf dem Teller war. Sie sollte ja zunehmen.

Eine Mutter, die ihre Tochter noch zum Vorstellungsgespräch bei der englischen Bank begleitete, ihrer Tochter nie etwas zutraute. „ Das kann das Mädchen nicht“, war ihr Slogan…. Die jeden Tag, wenn sie nach Hause kam, am Bügelbrett stand, und Coca Cola trank.

Dann die Zeit, als ihr Bruder mit Frau und Kind in die Wohnung einzog, und sie die Prüfungen zur höheren Schule nicht bestand, weil es keine ruhige Minute gab. Das Kind schrie oft die ganze Nacht….

Zu dem Wochenendhaus in die Heide fuhr das Mädchen schon lange nicht mehr mit.

Nach der Trennung von ihrem Freund ging das Leben für sie erst richtig los.

Sie traf Männer, die ihr zeigten, dass man auch zärtlich mit einem Frauenkörper umgehen konnte. Rauf und runter dudelte ihr Plattenspieler das Lied der Single von Peggy March „ Mit 17 hat man noch Träume, da wachsen noch alle Bäume in den Himmel der Liebe.

Nach Beendigung ihre Lehre bei der Bank, reiste das Mädchen zum ersten Mal mit ihrer Freundin nach Italien. Endlich verdiente sie richtiges Geld…..

Als erstes ließ sie in ihrem Elternhaus ein Telefon legen…

( © Monika Zelle 16.10.2024 )

Zwei kleine Italiener

„Zwei kleine Italiener“

Der Zug ratterte vom Hauptbahnhof in Richtung Basel.

Ich war 18 Jahre alt, und hatte in meinem bisherigen Leben noch nie so hohe Berge gesehen.

Ich fand keine Ruhe im Schlafwagenabteil. Meine Freundin Luise schlief tief und fest.

Zum ersten Mal nach Italien. Das Land meiner Sehnsucht und meiner Träume.

Dort, wo die Zitronen blühen.

In Basel stiegen wir um in den Zug nach Genua. Vorbei am Lago Maggiore, dessen Schönheit mir fast den Atem raubte. Von Genua aus fuhren wir mit einem Bummelzug entlang der Blumenriviera über San Remo nach Bordighera. In dem Zug fuhren nicht nur Menschen, sondern auch Tiere aller Art mit. Hühner gackerten, Ziegen meckerten, und die Einheimischen palaverten alle durcheinander. So etwas hatte ich in Hamburg noch nie erlebt.

In Bordighera holte uns ein älterer Mann mit einem Tempo vom Bahnhof ab.

Luise, ich und unsere Koffer wurden auf die Pritsche verladen, als ein furchtbares Gewitter losging. Dicke fette Regentropfen prasselten auf uns herab.

Als wir völlig durchnässt in unserem Zimmer der Villa Giardini standen, ging plötzlich das Licht aus. Blitz und Donner erhellten es zwar etwas von Außen, unsere Angst konnte dieses Licht aber nicht bändigen. Wir liefen die Treppe hinunter zu dem Hausherrn, der dann schnell die Glühbirne auswechselte.

Am nächsten Morgen erkundeten wir bei strahlendem Sonnenschein und azurblauem Himmel unseren bunten Ort am Mittelmeer. Es war gerade Markt, dessen Stände unter den Früchten und dem Gemüse fast zusammenbrachen.

Düfte verschiedenster Kräuter berauschten unsere Sinne. 

Luise und ich setzten uns auf eine Bank und schauten auf das Meer. Ich hatte auch noch nie so ein Meer gesehen, himmelblau, riesige Wellen, unter die die Italiener, elegant, wie Fische im Wasser hindurchtauchten.

Das wollte ich, als sichere Rettungsschwimmerin später auch machen.

Plötzlich setzten sich zwei Italiener zu uns auf die Bank, und verwickelten uns in ein Gespräch. Während wir uns mit Händen und Füßen verständigten, sagte der eine:

„ Ick weet, wo du herkummst, ut Hamborg!“ Verblüfft schauten wir ihn an. Woher konnte er Plattdeutsch sprechen?

Er erzählte uns dann, dass er 5 Jahre als Autoschlosser bei den Hamburger Gaswerken in unserer Heimatstadt gearbeitet hat, aber wegen seines Heimwehs wieder zu seiner Familie nach Italien zurückgekehrt sei. Eigentlich müsste er meinen Vater kennen, der auch zu dieser Zeit in dem Werk als Autoschlosser arbeitete. Zudem hieß er auch noch Bruno, wie mein Vater. 

Ich fragte ihn dann:

„ Kennst Du eenen Bruno Klein?“

„ Jo, denn kenn ick, dat weer dotomol mien Lehrmeister!““

„ Dat is jo een Tofall!”, anter ick, datt is mien Vadder!”

dien Vadder?“ „ Ne, dat gift dat doch gunnich!“

Von nun an begleiteten uns Bruno und Luigi jeden Tag auf unseren Entdeckungstouren oder an den Strand. So einen Strand hatte ich auch noch nie gesehen, steinig, nicht sandig wie bei uns an der Nord-oder Ostsee….Mir gefiel dieser Strand.

Wie ich mir vorgenommen hatte, wollte ich nun auch unter den hohen Wellen hindurchtauchen. Doch ich hatte mich über- und die meterhohen Wellen unterschätzt. 

Die blaue Fahne, die hier als Warnflagge galt, hatte ich übersehen.

Eine riesige Welle türmte sich vor mir auf, schleuderte mich herum, ich schlug mit dem Kopf auf die Steine, und wurde von dem Sog ins Meer gezogen.

Das ist jetzt mein Ende, dachte ich nur noch, als mich vier starke Arme packten, und aus dem tobenden Meer zogen. Es waren Bruno und Luigi, die mir gerade das Leben retteten,

mich zu einer Krankenstation brachten, wo meine Kopfplatzwunde genäht wurde. Der schöne italienische Arzt musste ein paar meiner langen Haare entfernen, aber das verzieh ich ihm sofort.  Am nächsten Tag verabschiedeten wir uns unter Tränen von unseren beiden Italienern, und fuhren über  Genua wieder zurück in unsere schöne Stadt Hamburg.

Als meine Eltern mich am Hauptbahnhof abholten, erschraken sie zuerst über die kahle Stelle an meinem  Kopf.

Mein Vater nahm mich in seine Arme und sagte nur: „ Na mien Deern, dor büst Du jo wedder, un heßt di ok noch een Andenken ut Italien mitbrocht!“

Als  ich ihm von Bruno, erzählte, erinnerte er sich sofort, und bedauerte sehr, das der  Italiener es nicht in Deutschland und bei ihm in der Werkstatt ausgehalten hatte.

Mein Leben hat von nun an keine hohe Welle mehr geschlagen.

In Italien bin ich nur noch zwei Mal gewesen. Doch meine Sehnsucht in das Land, wo die Zitronen blühen, stirbt zuletzt.

( © Monika Zelle 08.10.2024 )

Apschiet

Mein Freund Klaus

Meinen Freund Klaus hatte ich zuletzt bei einer Demonstration im Soninsaal des Michels gesehen.

Mit einer Stadtteilinitiative kämpften wir gerade dafür, dass nicht noch ein Verlagshaus in unser Viertel „Südliche Neustadt“, geklotzt wurde. Der Spiegelverlag wollte direkt an die Ludwig-Erhard-Straße ein großes Verlagsgebäude errichten lassen.

Hatte doch Henri Nannen mit seinem Verlag Gruner und Jahr vor noch nicht so langer Zeit ein riesiges Verlagshaus am Hafen bauen lassen. Ein großer Abenteuerspielplatz und sehr viele sehr alte Platanen mussten dem Haus weichen. Zurück blieb ein klitzekleiner Spielplatz über einer Tiefgarage mit Schaukel, Wippe, Rutsche und Karussell für Kleinkinder. Eine uralte Platane am Anfang meiner Straße fiel einem Glashaus als Eingang der Tiefgarage zum Opfer. Eines Morgens, als ich zur Arbeit ging, lag der Baum gefällt auf dem Weg, die Bank, die ihn rundherum schmückte, und auf der die Menschen unseres Viertels gerne verweilten, unter ihm begraben.

Sofort erklang das traurige Lied von Alexandra „ Mein Freund der Baum“ in mir.

Mit großer Unterstützung unseres Hauptpastors, der freie Blick von St. Pauli auf unseren  „Michel“ war nicht mehr gewährleistet,  erreichten wir das scheinbar Unmögliche.

Klaus war der Kopf unserer INI, und Herausgeber der Zeitschrift „ Apschiet“.

Er formulierte die Artikel auf Hochdeutsch, ich auf Plattdeutsch.

Wir hatten es in der INI so beschlossen, weil sehr viele Hafenarbeiter in unserem Viertel wohnten, die nur „ Platt“ snackten.

Klaus ärgerte sich darüber, dass er unsere Muttersprachen nicht verstand. Ich musste ihm den Text übersetzen, sonst wurde der Apschiet nicht gedruckt. 

Dann war mein Freund Klaus wieder für Jahre in Guatemala abgetaucht, um den Regenwald zu retten.

Ich hatte einen Schlüssel für seine Wohnung, und schickte ihm jede Woche per E-Mail die Post. 

Eines Tages kam er zurück nach Hamburg und seiner INI. Wir freuten uns auf ihn, und verabredeten uns im „ Tämers“ auf dem Großneumarkt.

Braungebrannt, ziemlich verwegen, betrat er das Weinlokal.

Mit großem Hallo umarmten wir uns. Klaus hatte viel zu erzählen.

Er setzte sich zu uns an den Tisch, und plötzlich klatschte er in die Hände.

Unser Gespräch verstummte.

Wir starrten ihn an.

„ Was glotzt ihr denn so!“

Er klatschte wieder in seine Hände.

Und noch einmal.

Der Inhaber des Tämers kam an unseren Tisch.

„ Haben Sie eben nach mir in die Hände geklatscht?“

„ Ja, in Guatemala-Stadt ist das so üblich!“

„ Wir sind hier aber nicht in Guatemala!, und Sie verlassen sofort mein Lokal!“

„ Kommt ihr?“, hier gibt es ja genug andere Lokale auf dem Großneumarkt!“, sagte er lachend zu uns.

Wir blieben sitzen.

Klaus verließ das Lokal.

Ich sah ihn nie wieder.

( © Monika Zelle  01.10.2024 )

Geheimnisträgerin

Geheimnisträgerin

Meine beste Freundin, wie sie immer behauptet, erzählt mir von einer Begebenheit in ihrer Familie, die sie mir eigentlich nicht erzählen darf, weil es ein absolutes Geheimnis sei. 

Ich musste ihr das Versprechen geben, es auf keinen Fall irgend jemandem zu erzählen. 

Nun würde ich es aber sehr gerne meinem Tagebuch anvertrauen, ich nenne es „ Mein liebes Grünes“, aber nicht einmal das wage ich.

Eine Geschichte darüber schreiben? Nein niemals, ich bin ja schließlich eine  Geheimnisträgerin, und dann noch die beste Freundin. Ich halte also Wort.

Eines Tages treffe ich eine Nachbarin.

Sie erzählt mir genau die Geschichte meiner Freundin, die diese zu einem so großen Geheimnis gemacht hat, und die ich auf keinen Fall jemandem weiter erzählen sollte.

Was soll ich davon halten?

Nun werde ich wohl doch eine Geschichte daraus machen, oder es meinem geliebten Tagebuch anvertrauen. 

Aber nein, ich habe ihr doch versprochen, das Geheimnis nicht weiter zu tragen.

Aber warum hat sie es dieser Nachbarin erzählt. 

Will sie mich vielleicht prüfen? Oder die Nachbarin, oder uns beide?

Ich würde niemals, niemals ein Geheimnis, dass mir jemand anvertraut, weitererzählen.

Ich stelle meine Freundin zur Rede.

Zuerst schaut sie mich irritiert an. Dann sagt sie, ich würde es wohl doch unbewusst weiter erzählt haben.

Ich bin empört. Ich, die ehrliche Haut, wie man mir nachsagt, soll das von mir wohlgehütete Geheimnis irgend jemand anderem erzählt haben? Niemals!

Jetzt sollte ich es aber doch niederschreiben, um meine geschundene Seele zu befreien.

Das hilft mir in meinem Leben ungemein, Erlebnisse, ob traurig oder lustig, in kleinen Geschichten niederzuschreiben. 

Aber ich kann doch nicht…. Wie soll ich jetzt meine Seele trösten, ob dieser Schmach.

Tagelang laufe ich durch die Straßen, und frage mich, warum meine Freundin von ihrer angeblich besten Freundin so etwas denkt. Ich komme nicht zur Ruhe, kann nicht mehr schlafen. Ich muss es niederschreiben!

Es muss ja niemand lesen. 

Aber was ist, wenn es jemand in meiner Geschichtensammlung findet.

Dann hätte ich sie doch verraten.

Aber warum, die Nachbarin weiß es doch auch. Es ist also kein Verrat!!!

Wahrscheinlich weiß es ohnehin die halbe Nachbarschaft.

Kann ich meiner Freundin noch vertrauen?

Ich setze mich an meinen Schreibtisch, schlage mein Tagebuch auf, und schreibe:“

Sonntag 20. Juli 2014

„Mein liebes Grünes“

Vor ein paar Wochen…….

( © Monika Zelle 24.09.2024 )

Du mein stilles Tal oder das Kind in Dir muss Heimat finden

Das Kind in Dir muss Heimat finden…

Du mein stilles Tal…..

Der Brotbeutel hängt an der Pforte, damit der Bäckerwagen an unserem Grundstück anhält.

Ich weiß gar nicht mehr, warum meine Mutter die Fußmatten unserer Heidehütte vor die Tür warf. War es, weil sie sich vorher mit dem heißen Kaffeesatzpulver den Unterarm verbrannt hatte? Oder weil ihr Kronensohn so lange nicht mehr zu Besuch war?

Ihre Wut entlädt sich, als sie auf den Fußmatten herumtrampelt, um den Dreck daraus zu entfernen. Oder es kam auch der Teppichklopfer zum Einsatz. Wie oft tanzte der auf meinem Rücken.

Der Bienenstich von der Bäckersfrau bei einer Tasse guten Bohnenkaffee würde meine Mutter am Nachmittag besänftigen. 

Meine Onkel schufteten gerade an den Schweißgeräten der Rohre für die neue Schwengelpumpe.

Die dicken Frauen mussten sich später auf das dafür konstruierte Holzkreuz setzen, um die Rohre in die Erde zu rammen. 

Auch ein richtiges Wohnhaus errichteten sie mit ihrer Hände Arbeit für meine Tante Gertrud, der das Heideland gehörte, und die aus 50 Pfennig eine D Mark machen konnte, indem sie sich bei meiner Mutter Eier, Milch, oder sonstige Lebensmittel auslieh, die nie wieder zu uns zurückkehrten.

Meine Eltern hatten nur die kleine Holzhütte.

Ich war glücklich mit meinem Kletterbaum, oder wenn ich mich, im Zittergras liegend, in die sich im Wind wiegenden Wipfel der Kiefern träumte. 

Auch ich schaffte es mit meiner Familie nur zu einem kleinen Holzhäuschen, jedoch nicht auf eigenem Grund und Boden gebaut, immerhin mit fließendem Brunnenwasser und Strom.

Ich weiß gar nicht, warum die Kinder von Tante Gertrud meiner inzwischen 80jährigen Mutter nicht mehr beim Einkaufen helfen wollten. 

Von heute auf morgen zog meine Mutter in ihr Zuhause nach Hamburg.

Sie kehrte nie wieder auf ihr Heideland zurück.

Fern von Zittergras und Kletterbaum pflegte ich sie bis zu ihrem Tod.

Meinen geliebten Vater hatte sie 30 Jahre überlebt.

Als wir ihn das letzte Mal besuchten, sagte er zu meinem Bruder:

„ Denk an Deine Schwester!“

Damit meinte er das Heideland.

Nun stehe ich hier, selbst fast 80 Jahre alt, vor einer mit Kettenschlössern verrammelten und verrosteten Pforte, an der ich das Schild mit meinem Mädchennamen entdecke. „ Klein“, steht dort in großen Druckbuchstaben. Ich schaue von außen auf Kletterbaum und Zittergras, und denke an meinen Bruder.

Lebt er noch? Einmal hat er mich in seinem Porsche mit in den Freihafen genommen.

Eine Wahnsinnsfahrt. Der Porsche keine Familienkutsche, die er eigentlich gebraucht hätte.

Oder die Fahrt auf dem Sozius seiner NSU Prinz. Einmal um den Häuserblock in Hamburg.

Da wartete schon sein Freund Kalle Schnoor…

Seit mein Bruder unser Heideland verscherbelt hat, habe ich ihn weder gesehen, noch etwas von ihm und seiner Familie gehört.

Tief atme ich die würzige Waldluft ein, und wandere noch einmal auf den Katzenberg.

Am Horizont die goldgelben Weizenfelder von Wesel….

Ich rufe:“ Wer ist der Bürgermeister von Wesel! Esel! Hallt das Echo…

Auf der neuen Bank war nicht mehr das eingeritzte Herz mit den Buchstaben M+B zu sehen.

Die windschiefe Birke lädt zum Klettern ein, nichts zu machen….

Ich gehe hinunter zur Quelle, über die kleine Brücke, noch einmal mit den Füßen im Büsenbach waten. Das glasklare Wasser streichelt meine Füße.

Soll ich mir ein Stück Borke suchen, es zu einem Schiffchen schnitzen, mit einem Stock als Mast, und einem Blatt als Segel, und es in dem Bach noch einmal fahren lassen?

Ich wandere vorbei an der Heidschnuckenherde, die dafür sorgt, dass die Heide in jedem Jahr wieder blüht, dem Hütehund,der die Herde zusammenhält, und dem Schäfer, der ihn mit einem unüberhörbaren Pfiff zu sich befiehlt. Ich höre noch das Getrappel der Hufe, wenn die Schnucken an unserer Pforte vorbeilaufen,  und wir Kinder sie fröhlich begrüßen….

Im Winter entlässt die Quelle ihr überschüssiges Wasser ins Tal.

Ich höre unsere Kinderstimmen. Schreiend gleiten wir mit den Schlittschuhen über die schneebedeckten zugefrorenen Flächen. Wir sind glücklich. Gegenüber der Schafstall.

Drinnen die blökenden Schnucken in Erwartung des Frühjahrs und ihrer Lämmer….

Von Kindheitserinnerungen überwältigt, laufe ich durch mein stilles Büsenbachtal zu Bahnstation….

Ich denke an das Lied, das meine Mutter immer sang:


  • „1. Im schönsten Wiesengrunde ist meiner Heimat Haus; 
    da zog ich manche Stunde ins Tal hinaus. 
    Dich, mein stilles Tal, grüß ich tausend mal! 
    Da zog ich manche Stunde ins Tal hinaus.
  • 2. Müsst aus dem Tal ich scheiden, wo alles Lust und Klang;
    das wär mein herbstes Leiden, mein letzter Gang.
    Dich, mein stilles Tal, grüß ich tausendmal!
    Das wär mein herbstes Leiden, mein letzter Gang.
  • 3. Sterb ich – in Tales Grunde will ich begraben sein;
    singt mir zur letzten Stunde beim Abendschein:
    Dir, o stilles Tal, Gruß zum letzten Mal!
    Singt mir zur letzten Stunde beim Abendschein.“

Mir kommen die Tränen.

Mitleidig schauen die Fahrgäste im Triebwagen Richtung Buchholz mich an.

Kletterbäume und Zittergras fliegen vorbei…….

( © Monika Zelle  16.08.2024 )

Wie verhext

Wie verhext….

Ich bin wie verhext

Oder ist es ein Komplex

Meine Gedanken schwanken und rasen

In vergangene Lebensphasen

Tanzen bis zur Raserei

Alles war mir einerlei

Heiße Nächte an kalten Tagen

Fragen über Fragen

Genießen bis zur Bewusstlosigkeit

Zu allen Schandtaten bereit

Doch dann war damit plötzlich Schluss

Vorbei wars mit der Lebenslust

Ehe Kinder Arbeit

Für die Liebe wenig Zeit

So ging das viele Jahre

Von der Ehe bis zur Bahre

Und jetzt….

Ich fühle mich verletzt

Was hat das Alter noch für mich bereit

In dieser fliehenden Lebenszeit

Die Jahre flogen nur so dahin

Ich bin….

Wo werde ich sein….

Komme ich in den Himmel hinein?

Oder werde ich in der Hölle schmoren?

Werde ich wiedergeboren?

Oder bin ich verloren?

Noch einmal verhext sein

Wie von Sinnen

Wo es gibt kein Entrinnen

Tanzen bis zur Ekstase

In dieser endlichen Lebensphase….

( © Monika Zelle 17.07.2024 )