Ranga

Ranga

Ich befand mich gerade auf dem Flug von Uganda nach Hamburg zu einem wissenschaftlichen Kongress, als ich in einer Zeitschrift von einem Bären las, der in der japanischen Stadt Akita auf der Insel Honshu einen Mann in einem Supermarkt in der Feinkostabteilung am Kopf verletzt hatte. 

Sechs Menschen sollen in Japan innerhalb eines Jahres von Schwarzbären getötet worden sein.

In dieser Zeit wurden mehr als 9000 Bären getötet.

Für mich als Verhaltensforscherin von Schimpansen unvorstellbar.

Auf dem Kongress in den Messehallen war das Thema in aller Munde.

Durch Zufall traf ich Ranga. Ein gebürtiger Inder, der schon lange an der Empfängnisverhütung für den Mann forschte. Im Gepäck hatte er die Pille, die aber noch nicht auf dem Weltmarkt zugelassen war.

Zwei Seelen ein Gedanke. Wir beide machten uns auf den Weg nach Akita.

Als wir dort landeten, waren die Straßen voll von Menschen.

Sie trugen Spruchbände vor sich her mit der Aufschrift:

„Ihr tötet alle Bären, damit sie sich nicht  vermehren. Doch sind die Bären alle tot,

hat die Natur ihre liebe Not“.

Die Polizei von Akita versuchte vergeblich, die Demonstration zu zerschlagen…..

Ranga und ich mieteten eine Hütte in der Umgebung von Akuta.

Schwarzbären sind Allesfresser, hatten aber durch den sich immer mehr verbreitenden Klimawandel nicht genug Nahrung, und überfielen Menschen.

Wir deckten den Bären, und es waren noch viele, jeden Tag den Tisch, und mischten die Pille für den Mann unter das Fressen. Natürlich nur bei den männlichen Tieren. 

Viele Monate versorgten wir unter sehr primitiven Umständen die Schwarzbären mit Nahrung.

Und siehe da, nach einem Jahr hatten wir es geschafft.

Die Schwarzbären vermehrten sich fast nicht mehr. Mit einer Petition verschafften Ranga und ich uns Zugang zu dem japanischen Regierungschef Shigeru Ishiba.

Er sorgte sofort dafür, dass kein Bär mehr getötet wurde. 

Ranga flog zurück in seine Heimat, ich nach Uganda zu meinen Schimpansen.

Doch einmal im Jahr kehrten wir zurück nach Akita, und besuchten unsere Bären.

Die Menschen in Akita sorgten weiterhin für das leibliche Wohl der Schwarzbären, und mischten die Pille für den Mann unter das Essen. 

Seither wurde in Akita kein Mensch mehr von einem Bären getötet. 

Die Pille für dem Mann wurde endlich auf dem Markt zugelassen.

Eine Revolution für die Frau….

( © Monika Zelle 04.12.2024 )

Happy Birthday

Happy Birthday

„ Schau mal Judel, sie feiern wieder ihren Geburtstag im Wald!“

„ Ja, Erna und Herbert sind auch dabei, und wir nicht! Schade oder?“

„ Ja, und die Tische biegen sich unter der Last der Torten.

Es ist der 72. Geburtstag meiner geliebten Frau Anne! Und wir sitzen hier auf Wolke 7 und können nicht dabei sein, heute am 10. August.“

Der Geburtstag wird stets auf dem großen Grundstück in der Lüneburger Heide gefeiert.

Die Sonne scheint, wie meistens an diesem Tag im August.

Annes Schwiegersohn Joachim hat auch heute Geburtstag und wird 37 Jahre alt.

Anne ist eine kleine dicke Frau mit Dauerwelle, die triumphierend am Kopfende des Tisches sitzt, und zufrieden in die Runde schaut.

Alle sind gekommen. 

Ihr Bruder Heini, die Schwägerin Alma, mit der er zum 3. Mal verheiratet ist.

Sie hatten in der Rubrik Bekanntschaften im Hamburger Abendblatt inseriert, und sich zufällig im selben Cafe mit einer Rose in der Hand wiedergetroffen. Dann flogen wieder  Teller und Tassen.

Gegenüber die Schwägerin Erna und dem Sohn Herbert. Ehemann und Vater Judel ist früh verstorben. Erna, eine ebenfalls ziemlich kleine dicke Frau mit schwarz gefärbten Haaren, die gerne mal zu tief ins Glas schaut, und dann nachts zum Brunsberg wandern will….

Daneben Bruder Paul, sehr klein und schmächtig. Lange Jahre schipperte er als Obersteward mit der Caroline Oetker auf den Meeren herum. Er baute zusammen mit seinem Bruder Heini ein Haus in Höckel am Flidderberg, bei dem alle Verwandten halfen. Dabei zerstritten sich die Brüder Heini und Paul mit Judel unwiderruflich.

„ Monika, schenkst Du dann mal den Kaffee ein?“ Monika springt auf und rennt in die Hütte.

Annes  Enkel Stefan und Enkelin Simona tollen auf dem Grundstück herum.

„ Schau Judel, da kommt mein Sohn Reinhard mit seiner Frau Erika und den Kindern.

Annes Kronensohn, siehst Du wie sehr sie sich freut?“

„ Ja, Bruno, so habe ich meine Schwester selten erlebt!“

Ein Strahlen erscheint auf Annes Gesicht.

„ Endlich seid ihr da mein Schatz, ich habe schon so auf Euch gewartet!“

Anne umarmt ihren Sohn herzlich. 

Seine Frau Erika scheint heute nüchtern zu sein. Schüchtern setzen sich die 3 Söhne Kurt, Holger und Thomas an den Tisch.

Kurt wurde mit 4 Jahren von Reinhard adoptiert. Als er seine Frau heiratete, war sie 18 und wieder hochschwanger mit Sohn Holger. 

Dann ist da noch der Neffe Horst Weigand mit Frau Inge und Tochter Martina.

Zu guter Letzt erscheint Schwägerin Gertrud. Groß und stattlich stolziert sie auf ihren roten Stöckelschuhen an den Tisch. 

Ihr hat Sohn Reinhard das Grundstück zu verdanken. Gertruds Mann Alfred, früh verstorben, hat es ihm seinerzeit geschenkt. 

„ So meine Lieben, nun langt man tüchtig zu, es muss alles alle werden!“

Das ist ein Spruch von Annes Schwager Ewald. Auch er und seine Frau Karla mit den Kindern Rainer und Petra sind gekommen.

Petra wurden in den 1950iger Jahren adoptiert.

Ewald war 6 Jahre in russischer Gefangenschaft, und hat seinen Sohn Rainer erst kennengelernt, als er gerade in die Schule kam….

„ Kiek mol Judel, wie mien Dochter sick mit den Adoptifsöhn Kurt ünnerhöllt!“

„ Jo, se kiekt sick deep in de Oogen, löppt dor watt Bruno?“

„ Jo kann siin, mien Deern is keen Kind vun Drurigkeit!“

Monika unterhält sich tatsächlich ausgiebig mit ihrem Neffen Kurt.

Er hat Zucker und muss Insulin spritzen. Dennoch isst er zwei Stück Torte. 

Die beiden mögen sich sehr, heimlich nimmt Kurt Monikas Hand.

Sie lässt es geschehen. 

Sie unterhalten sich über ihren Lieblingssänger Joe Cocker und, wie kann es anders sein in dieser Familie, natürlich über Politik.

Am 06. März 1983 waren Neuwahlen in Deutschland.

Ende der sozialliberalen Aera.

Helmut Kohl bringt mit einem konstruktiven Misstrauensvotum Helmut Schmidt zu Fall und wird neuer Bundeskanzler.

„ Ich bin so froh, dass endlich die Grünen mit in den Bundestag eingezogen sind!“,

sagt Kurt.

„ Ja, ein Glück, nur dass dieser dicke Kohl Bundeskanzler geworden ist, gefällt mir gar nicht!“

„ Ne, mir auch überhaupt nicht, aber die Grünen können vielleicht doch einiges in der Politik verändern!“

„ So, nun ist aber Schluss mit der unheilvollen Diskussion über Politik, und das an unserem Geburtstag!“, ruft Anne.

Sie stimmt auf der Mundharmonika ein Lied an. Paul spielt dazu Balalaika, Inge Akkordeon.

Alle singen fröhliche Wander-und Folklorelieder.

„ Schau mal Bruno, jetzt fangen sie an zu musizieren, ach wie schön das immer war, als wir noch dabei waren!“ Ja, Judel, da hast Du recht, es war eine wunderschöne Zeit in der Heide….“.

Zum Abendbrot haben Monika und Joachim zusammen mit Onkel Ewald Berge von Leberwurst-und Mettwurstbroten geschmiert.

„ Muss alles alle werden!, sagt Onkel Ewald wieder!“

( © Monika Zelle 06.01.2025 )

König Olaf

König Olaf

Wer reitet so spät durch Nacht und Wind

Es ist der Olaf mit seinem Lind

N(er) hat den Knaben sicher im Griff

Umrundet mit ihm ein gefährliches Riff

Mein Chris was birgst Du so bang Dein Gesicht

Siehst Du Olaf den Geldeintreiber nicht?

Den Eintreiber mit Kron und Schweif?

Mein Chris es ist ein Nebelschweif

Christian mich reizt Deine wilde Gestalt

Und bist Du nicht willig so brauch ich Gewalt

Olaf oh Olaf so fass mich nicht an

Sonst hast Du mir ein Leid angetan

Dem Olaf grausets er reitet geschwind

Er hält am Arm den ächzenden Lind

N(er) reicht seinen Rausschmiss mit Müh und Not

An seinem Arm der Chris sieht rot

( © Monika Zelle 17.11.2024 )

Lena und Moritz

Das Telefon klingelt.

Es ist die Enkelin.

„ Oma, spielst Du mit mir Lena und Moritz?“ Bitte!

„ Natürlich spiele ich mit Dir Lena und Moritz!“

Die Oma hört im Hintergrund den Vater der Enkelin rufen:

„ Du räumst aber erst Dein Zimmer auf, dann übst Du Geige!“

Das Kind fängt bitterlich an zu weinen.

„ Ich habe so lange nicht mit Oma am Telefon gespielt!“

Der Vater bleibt unerbittlich. Der Oma bricht es das Herz.

Sehen sie sich doch nur noch so selten.

Die Mutter der Enkelin hat ein Einsehen.

„ Du darfst jetzt eine Stunde mit Oma spielen, dann räumst Du auf und übst Geige!“

Oma und Enkelin atmen auf.“

„ Oma ich bin jetzt noch richtig traurig, und kann gar nicht spielen!“

„ Ich auch, aber lass uns einfach anfangen!“!“

„ Ok, Du fängst an Oma!“

„ Mit vorstellen?“

„ Aber nur kurz.“

„ Ok.“

„ Also, ich bin Moritz, 15 Jahre alt,, wohne in einer Villa, habe 4 Geschwister, Lina, Elle Kari, Max und Moritz. Ich habe 6 Tiere, 2 Hunde, 2 Katzen und 2 Schildkröten. Meine Eltern sind

Jonny Cash und Bettina Wegener. 

Jetzt Du.

„ Ich bin Lena, 16 Jahre alt, wohne auf einem Bauernhof, habe 7 Geschwister, und 100 Tiere.“

Meine Eltern sind Lena Meyer Landruth und Matthias Schweighöfer.“

„ So, Oma jetzt fangen wir richtig an! Ich bin gerade neu eingezogen.

Du klingelst.

„ Hallo, ich bin Moritz, ihr seid hier neu eingezogen, ich wollte Euch mal kennenlernen!“

„ Bist Du der Nachbarssohn?“ 

„ Ja.“

„ Ich bin Lena! Wollen wir ausreiten?“

„ Oh ja, Du hast ganz viele Pferde, oder?

„ Ja, Du reitest auf Jacky und ich auf Amadeus.“

„ Dann los, galoppi galoppi, wo reiten wir eigentlich hin?“

„ Zum See, da kann man herrlich schwimmen!“

Beim See angekommen zieht Moritz sich aus und schwimmt sofort zum anderen Ufer.

Lena geht nur auf Amadeus ins kühle Nass.

Plötzlich fällt ein Schuss.

„ Moritz, komm sofort her, wer ist das?“

Moritz schwimmt wieder zurück.

„ Ach, das ist nur Bauer Meyer, er will nicht, das wir in seinem Fischteich schwimmen, wegen seiner Fische!“

„ Aber hier sind doch gar keine Fische !“ 

Nein, die schwammen eines Tages tot an der Oberfläche, weil kein Sauerstoff mehr im Teich war!“ 

Er kommt auf uns zu!“

„ Ach der ist harmlos!“

Wieder fällt ein Schuss.

Amadeus bäumt sich auf und wirft Lena ab. Beide Pferde rennen weg.

Bauer Meyer hat inzwischen mit seiner Flinte das Seeufer erreicht, und steht bedrohlich vor Lena und Moritz.

Plötzlich sieht Moritz, wie Lena Vampirzähne aus dem Mund sprießen.

„ Hokus pokus Fidibus, 3 Mal schwarzer Kater, hex hex!“

Moritz traut seinen Augen nicht. Bauer Meyer ist mit seiner Flinte wie vom Erdboden verschluckt.

Lena steht da, als wäre nichts gewesen. 

„ Und wie kommen wir jetzt nach Hause?“

„ Na zu Fuß, ich weiß den Weg.“

Doch kaum hatte Moritz sich versehen, war Lena verschwunden.

Er hörte nur noch:

„ Hex hex!“

Als er zu Hause ankam, striegelte Lena ihre Pferde.

„ Wo warst Du auf einmal?“

„ Ich verrate Dir jetzt ein Geheimnis, ich habe Zauberkräfte,  bin ein Vampir, kann hexen, und mich unsichtbar machen!“

„ Kannst Du mich auch verhexen?“

„ Natürlich!“

Und schon war Moritz nicht mehr zu sehen.

Leider konnte Lena Moritz nicht wieder zurückholen. Da hexte sie sich auch für immer fort…..

So spielte die Enkelin mit ihrer Oma fast zwei Stunden. Dann räumten sie gemeinsam das Zimmer auf und die Enkelin spielte der Oma auf der Geige ihre Lieder vor.

Der Vater hatte die beiden ganz vergessen. Er schaute im Fernsehen ein wichtiges Fußballspiel. Die Mutter kochte.

( © Monika Zelle 12. 11.2024 )

Moin

„Moin Franz Dieter.“

„Moin Heinz.“

„Na, Franz Dieter wie geht’s?“

„Muss!““

„ Und, die Liebe?“

„ Muss!“

„ Sag mal, hast Du gestern die Mitternachtsspitzen gesehen?“

„ Was soll das sein?“

„Eine Kabarettsendung!“

„ Wo?“

„ Im Fernsehen!“

„ Kenn ich nicht!“

„ Du kennst die Mitternachtsspitzen nicht?“

„ Nee.“

„ Da war jedenfalls wieder dieser Philipp Simon, der war jetzt lange Krank, und weißt Du was der über Donald Trump  gesagt hat?“

„ Nee!“

„ Trottel mit Entendarschfrisur!“

„ Wer ist Donald Trump?“

„ Du weißt nicht wer Donald Trump ist? Lebst Du auf dem Mond? Den hat doch das amerikanische Volk wieder zu ihrem Präsidenten gewählt!“

„ Sollen sie doch!“

„ Sollen sie doch? Du kannst doch nicht allen Ernstes behaupten, dass Faschisten wieder regieren!“

„ Was sind Faschisten?“

„ Du weißt nicht, was Faschisten sind? Ich erkläre Dir das später!“

„ Dann kennst Du auch nicht Christoph Sieber?“

„ Nee.“

„ Der leitet die Mitternachtsspitzen, und weißt Du was der von Markus Söder gesagt hat?“

„ Nee!“

„ Aber Du kennst Markus Söder?“

„ Ja, der aus Bayern!“

„ Ja, und der Sieber hat von dem Söder gesagt, er sei ein angekokeltes Nürnberger Rostbratwürstchen!“

„ Warum?“

„ Na ja, wegen dem Merz, der will doch Kanzler werden in Deutschland!“

„ Kanzler?, wir haben doch eine Kanzlerin!“

„ Kurt, jetzt mach aber mal halblang, Dein Hirn scheint ja vollkommen Sauerstoffunterversorgt zu sein, die Kanzlerin ist doch längst in Rente?“

„ Nein!“

„ Doch!“

„ Und wer ist jetzt Kanzlerin?“

„ Na, Olaf Scholz!“

„ Wer soll das sein?“

„ Na ja, eigentlich ist er auch nicht mehr Kanzler, weil die Ampel aus ist!“

„ Welche Ampel?“

„ Na ja, Rot Grün Gelb!“

„ Verstehe ich nicht, Ampeln haben doch immer Rot Grün Gelb!“

„ Das waren die 3 Parteien, die zuletzt die Regierung gebildet haben, und nun muss Kanzler Scholz die Vertrauensfrage stellen, weil er den Lindner rausgeschmissen hat!“

„ Den vom Hotel Lindner?“

„ Ne, den mit dem Porsche auf Sylt!“

„ Ach, jetzt weiß ich, den habe ich mal auf Sylt getroffen, als ich mit meiner Ida am Strand spazieren war!“

„ Echt jetzt, Du warst mit Ida auf Sylt?“

„ Ja.“

„ Hast Du mir ja gar nicht erzählt, und da hast Du den Lindner getroffen?“

„ Ja.“

„ Und?“

„ Fand ihn nett.“

„ Nett, diesen nordrhein-westfälischen Dünnbrettbohrer?“

„ Er hat mir einen Kugelschreiber geschenkt.“

„ Einen Kugelschreiber?“

„ Ja, mit meinem Namen!“

„ Mit Deinem Namen?“

„ Ja, FDP.“

„ Ja, das ist seine Partei!“

„ Ne, mein Name, Franz Dieter Poweleit, und jetzt tschüss, ich muss!“

( © Monika Zelle 26.11.2024 )

Samstag

Samstag

Ein schreiendes Kind im Bus, als sei es am Spieß. Die ihm von mir gereichte Weintraube verschmäht es. Die kleine Schwester nimmt sie.

Ein nagenden Schmerz ob der Unfähigkeit oder Schwäche des Vaters, der das Kind nicht beruhigen kann. 

Sonntag

Kappa saust durch die Wohnung. Das neue Spielzeug regt sie auf.

Ein Leckerli beruhigt sie gleich. Sie leckt mir die Hände. Unbändige Liebe.

Montag

Schweißgebadet. Die Nacht wird zum Tag.

Das Buch „Der Sohn des Friseurs“ fängt mich auf, bis die  Augenlider schwer werden. Der Morgen graut. Der Schlaf will nicht wieder kommen.

Wohnungsanzeigen.

Einen alten Baum soll man nicht verpflanzen. Ich bin doch kein Baum, den man ausgräbt und wieder einbuddelt. Wenn schon…. eine Bäumin.

Meine Gedanken kreisen um die Schreibaufgabe. Werde ich meinem Lieblingsautor

Peter Handke gerecht? Werde ich seine Worte in meinen finden?

Ying und Yang erdet. Alles hat zwei Seiten….

Dienstag

Es schneit. Spuren im Schnee. 

Kinder rodeln den Berg hinab. 

Gefühle längst vergangener Zeiten…

Im Fernsehen rauscht das Meer.  Dänemark.

Sonnenauf- und Untergänge…Von der hohen Düne sehe ich Fjord und Meer gleichermaßen 

In der Ferne…..

Auf dem Heimweg. Ich umgehe einen Teil meiner Straße. Entfliehe dem unmoralischen Angebot eines jungen Mannes. Dennoch kreisen meine Gedanken ständig um ihn….

Katharina Thalbach auf dem roten Sofa. Genau wie ich liebt sie ihr Bett.

Genau wie bei mir schwinden ihre Kräfte erzählt sie. 

Gewöhnungsbedürftig. Alt sein ist nichts für Feiglinge.

Mir läuft es kalt den Rücken herunter.

Sabotage oder KI?

Beschädigung von Datenübertragungskabeln. Einschüchterung von Vladimir Putin nimmt die Politik an. Hybrider Angriff.

Oder ist das Kabel durch Anker oder Schleppnetze beschädigt worden.

Droht ein 3. Weltkrieg. 

Ich habe Angst.

Der erste Becher Kaffee auf dem Balkon.

Die letzten Blüten der Geranien kämpfen ums Überleben.

Mittwoch

Gedanken an die Enkelin.  Monika Bleibtreu:

„Wenn die Kinder klein sind, gib ihnen Wurzeln, wenn sie groß sind, gibt ihnen Flügel.“

Klein oder groß?

Gefühle der Ohnmacht. Sprachnachrichten auf Whats App. Keine Antwort. 

Zeitnot? Gedankenlosigkeit? Funkstille….

Samstag

Schnee in den Vorgärten. Ein tiefes Loch klafft in der Straße.

Samstags wird gearbeitet. Soziale Errungenschaften mit Füßen getreten.

Mein Vater würde sich im Grab umdrehen.

Männer schauen zu viert in die Grube. Keine Frau.

Abgrundtief.

Eine Landstreicherin schiebt ihr Hab und Gut in zwei großen Einkaufswagen. 

Deutschland geht es gut….

( © Monika Zelle im November 2024 )

Ich bin

Ich bin ich. Oder nicht?

Werde sein.

Weiterleben in meinen Kindern.

Wer bin ich wirklich.

Bin ich die in mir selbst?

Bin ich die in meinen Geschichten. Sind es meine Geschichten in mir.

Ich lebe in meinen Geschichten wie meine Geschichten in mir.

Mit meinen Geschichten rette ich meine Seele.

Finde mich in meinen Geschichten wieder, und in mir selbst?

Wer meine Geschichten liest, liest in meinem Leben wie in einem offenen Buch.

Wie lebe ich. Wie habe ich gelebt, wie war ich, wie bin ich, wie werde ich sein?

Habe ich zu mir selbst gefunden?

Habe ich mich von mir selbst befreit?

Bin ich auf der Flucht vor mir selbst?

Vor wem fliehe ich.

Erkenne ich etwas von mir in mir selbst wieder?

Ich gehöre nur mir selbst.

Bin eine Gefangene meiner selbst.

Manchmal verliere ich mich an mich, finde mich nicht wieder.

Ich bin meine größte Freundin oder Feindin. Lebensretterin?

Meine Lieder sind mein Leben. Lebe in meiner Musik. Mit meiner Musik.

Die Musik ist in mir, auch sie rettet meine Seele.

Ich schreibe das Tagebuch für meine Enkelin aus ihrer Sicht.

Wird sie es lesen? Werde ich es erleben?

Ich bin wie ich bin.

Ich bin ich.

Ich bin….

( © Monika Zelle 06.11.2024 )

Tante Nelli

Tante Nelli

Wir sitzen in der 3. Etage einer Mietskaserne in der Wohnküche und essen Birnen, Bohnen und Speck. 

Wir, dass ist meine Freundin Miriam, ihr Vater, ihre Mutter, Tante Annie und ich.

Tante Anni Jacobsen ist Jüdin.  Miriams Vater hat sie und ihre beiden Söhne vor den Chergen Hitlers gerettet. Der Mann von Tante Anni wurde bei einem Bombenangriff in Hamburg verschüttet. Ihr Sohn Rolf war Briefträger, und trank jeden Tag bei der Familie meiner Freundin Kaffee. Ihr Sohn Helmuth lebte in Bonn und handelte mit gebrauchten Maschinen, die er an England verkaufte. 

1946 war die Mutter meiner Freundin mit ihrem Sohn 8 Wochen in Bonn bei Helmuth Jacobsen. Danach ist Miriam entstanden.

Tante Annie wollte meiner Freundin und mir Tischmanieren bei  sprechen, dass ließ Miriams Vater sich allerdings nicht verbieten, und die Mutter auch nicht.

Uns war es viel wichtiger, in Miriams Zimmer mit unseren Puppen Kinderkriegen zu spielen.

Wir stopften uns die Puppen unter den Pullover,  pressten sie von dort wieder heraus, und ahmten filmreif Babystimmen nach.

Noch viel lieber spielten wir draußen Kibbel Kabbel, Marmeln oder Messerstech, machten Klingelstreiche bei den Nachbarn, und legten vorher Stapel von Fußmatten vor die Tür des verhassten Herrn Brahmer.

Während wir aßen, schaute Miriams Mutter mit ihren eiskalten blauen Augen streng auf uns.

Wie aus dem Struwwelpeter „ Der Zappelphilipp“ :

„ Und die Mutter blicket stumm auf dem ganzen Tisch herum“.

„ Benehme Dich zu Hause, als seiest Du bei Fremden, dann kannst Du Dich bei Fremden benehmen, als seist Du zu Hause!“, war ihr täglicher Slogan, erzählte mir Miriam.

Meine Freundin stieß immer vor Schreck das Trinkglas um.

Ihr Vater zwinkerte uns dann mit seinem warmen Lächeln zu.

Manchmal besuchte meine Freundin und ihre Mutter Tante Anni im Mechelnbusch in Rissen.

Es gab immer Steak und Salat.

Miriam besuchte viel lieber ihre Tante Luise im Tinsdaler Heideweg.

Dort durften sie und ihr Cousin Herbert mit dem Sofa Eisenbahn spielen.

Es gab bei Tante Luise sogar eine Schaukel und ein Klettergerüst in der Wohnung.

Manchmal durfte ich mit zu Tante Luise.

Als die Mutter meiner Freundin mal 6 Wochen im Krankhaus war,  verbrachte meine Freundin die ganze Zeit bei ihrer Tante Luise und Onkel Ralf. Paradiesische Zeiten, obwohl es einen Nachbarsjungen gab, der meine Freundin oft verprügelte. Roland Felgentreff. Seine Eltern führten einen Gemischtwarenladen.

Miriams Onkel Ralf nahm Roland dann in den Schwitzkasten.

Der Onkel behauptete immer, dass meine Freundin eine schöne Kopfform hat.

Mit ihrem Cousin lief Miriam oft durch die Rissener Heide zum Elbanleger.

Als Miriams Eltern sie wieder abholen wollten, versteckte sie sich bei Tante Nelli auf dem Dachboden unter dem Sofa. Tante Nelli, die aussah wie eine Hexe mit einem Buckel, die ihr und dem Cousin immer Geschichten erzählte,  war  den Kindern unheimlich.

Sie verriet Miriam aber nicht.

Tante Nelli, die hinter einer Bretterwand auf dem Sofa thronte, wo Miriam niemand entdeckte. 

Tante Luise versorgte Tante Nelli mit Essen…..  

( © Monika Zelle 30. 10.2024 )

Mit 17 hat man noch Träume

Mit 17 hat man noch Träume…

Freddy Quinn schimpft auf die Gammler, die Rolling Stones erobern Berlin, und der Judenhass hat immer noch ein Gesicht in Deutschland.

Und wer war sie, eine 17 jährige, die gerade eine Banklehre machte, Freddy Quinn sehr mochte, die Rolling Stones aber auch. Vor allem natürlich die Beatles.

An den Wochenenden tanzte sie  wild im Starclub. Meistens wollten die Türsteher sie nicht reinlassen, sie wirkte noch wie ein Kind, das Geburtsdatum im Ausweis zeigte ihr wahres Alter… 

5 DM für eine Cola den ganzen Abend musste reichen. Am besten gleich austrinken, belehrte der Vater, der sie und ihre Freundin mit seinem VW Käfer auf den Kiez brachte und wieder abholte. LSD war in dieser Zeit im Umlauf.

Die Freundin wurde immer sofort zum Tanzen aufgefordert, mit ihrer hochtoupierten Frisur und ihrem stämmigen Körper sah sie viel älter aus. Zudem war sie auch noch sehr groß.

Der Freund des Mädchens, mit dem sie ihr erstes sexuelles, unspektakuläres Erlebnis hatte, durfte nicht in den Starclub.

Eines Tages holte er sie unaufgefordert von ihrer Arbeit ab, nahm sie bei der Hand und zog sie über den Jungfernstieg auf den Alsterdampfer. 

Es war herrlichstes Sommerwetter. Auf der Fahrt zur Saarlandstraße eröffnete er ihr, dass nun Schluss wäre, weil er eine Andere hätte. Wie konnte das sein, hatte er ihr doch gerade zu ihrem 17. Geburtstag 17 rote Rosen geschenkt. Seine Mutter war Blumenbinderin.

Von der Saarlandstraße liefen sie schweigend durch die von Mietskasernen gesäumten Straßen nach Hause. Noch ein Kuss vor der Haustür, und das wars.

Wie in Trance lief sie die Treppen in die 3. Etage hoch. Es roch nach Sauerkraut und dem Schweiß von Frau Mulsow, die wohl gerade das Treppenhaus geputzt hatte. Was war passiert. Wie sollte sie damit umgehen. Immerhin waren sie seit 3 Jahren zusammen.

Ihre Mutter schaute argwöhnisch mit ihren bösen blauen Augen, als sie in den engen Flur der kleinen Wohnung trat. Ihren Tränen schenkte sie keine Beachtung.

In ihrem kleinen Durchgangszimmer musste sie daran denken, als ihre Mutter zu ihr sagte:

„ Das hast Du jetzt alle 4 Wochen, dafür müssen die Männer sich jeden Tag rasieren!“, in dem sie ihr eine Packung Damenbinden reichte.

Ihre Mutter, die sie mit 4 Jahren in ein Kindererholungsheim schickte, wo sie sich nach jedem Essen übergab, weil einfach zu viel Essen auf dem Teller war. Sie sollte ja zunehmen.

Eine Mutter, die ihre Tochter noch zum Vorstellungsgespräch bei der englischen Bank begleitete, ihrer Tochter nie etwas zutraute. „ Das kann das Mädchen nicht“, war ihr Slogan…. Die jeden Tag, wenn sie nach Hause kam, am Bügelbrett stand, und Coca Cola trank.

Dann die Zeit, als ihr Bruder mit Frau und Kind in die Wohnung einzog, und sie die Prüfungen zur höheren Schule nicht bestand, weil es keine ruhige Minute gab. Das Kind schrie oft die ganze Nacht….

Zu dem Wochenendhaus in die Heide fuhr das Mädchen schon lange nicht mehr mit.

Nach der Trennung von ihrem Freund ging das Leben für sie erst richtig los.

Sie traf Männer, die ihr zeigten, dass man auch zärtlich mit einem Frauenkörper umgehen konnte. Rauf und runter dudelte ihr Plattenspieler das Lied der Single von Peggy March „ Mit 17 hat man noch Träume, da wachsen noch alle Bäume in den Himmel der Liebe.

Nach Beendigung ihre Lehre bei der Bank, reiste das Mädchen zum ersten Mal mit ihrer Freundin nach Italien. Endlich verdiente sie richtiges Geld…..

Als erstes ließ sie in ihrem Elternhaus ein Telefon legen…

( © Monika Zelle 16.10.2024 )

Zwei kleine Italiener

„Zwei kleine Italiener“

Der Zug ratterte vom Hauptbahnhof in Richtung Basel.

Ich war 18 Jahre alt, und hatte in meinem bisherigen Leben noch nie so hohe Berge gesehen.

Ich fand keine Ruhe im Schlafwagenabteil. Meine Freundin Luise schlief tief und fest.

Zum ersten Mal nach Italien. Das Land meiner Sehnsucht und meiner Träume.

Dort, wo die Zitronen blühen.

In Basel stiegen wir um in den Zug nach Genua. Vorbei am Lago Maggiore, dessen Schönheit mir fast den Atem raubte. Von Genua aus fuhren wir mit einem Bummelzug entlang der Blumenriviera über San Remo nach Bordighera. In dem Zug fuhren nicht nur Menschen, sondern auch Tiere aller Art mit. Hühner gackerten, Ziegen meckerten, und die Einheimischen palaverten alle durcheinander. So etwas hatte ich in Hamburg noch nie erlebt.

In Bordighera holte uns ein älterer Mann mit einem Tempo vom Bahnhof ab.

Luise, ich und unsere Koffer wurden auf die Pritsche verladen, als ein furchtbares Gewitter losging. Dicke fette Regentropfen prasselten auf uns herab.

Als wir völlig durchnässt in unserem Zimmer der Villa Giardini standen, ging plötzlich das Licht aus. Blitz und Donner erhellten es zwar etwas von Außen, unsere Angst konnte dieses Licht aber nicht bändigen. Wir liefen die Treppe hinunter zu dem Hausherrn, der dann schnell die Glühbirne auswechselte.

Am nächsten Morgen erkundeten wir bei strahlendem Sonnenschein und azurblauem Himmel unseren bunten Ort am Mittelmeer. Es war gerade Markt, dessen Stände unter den Früchten und dem Gemüse fast zusammenbrachen.

Düfte verschiedenster Kräuter berauschten unsere Sinne. 

Luise und ich setzten uns auf eine Bank und schauten auf das Meer. Ich hatte auch noch nie so ein Meer gesehen, himmelblau, riesige Wellen, unter die die Italiener, elegant, wie Fische im Wasser hindurchtauchten.

Das wollte ich, als sichere Rettungsschwimmerin später auch machen.

Plötzlich setzten sich zwei Italiener zu uns auf die Bank, und verwickelten uns in ein Gespräch. Während wir uns mit Händen und Füßen verständigten, sagte der eine:

„ Ick weet, wo du herkummst, ut Hamborg!“ Verblüfft schauten wir ihn an. Woher konnte er Plattdeutsch sprechen?

Er erzählte uns dann, dass er 5 Jahre als Autoschlosser bei den Hamburger Gaswerken in unserer Heimatstadt gearbeitet hat, aber wegen seines Heimwehs wieder zu seiner Familie nach Italien zurückgekehrt sei. Eigentlich müsste er meinen Vater kennen, der auch zu dieser Zeit in dem Werk als Autoschlosser arbeitete. Zudem hieß er auch noch Bruno, wie mein Vater. 

Ich fragte ihn dann:

„ Kennst Du eenen Bruno Klein?“

„ Jo, denn kenn ick, dat weer dotomol mien Lehrmeister!““

„ Dat is jo een Tofall!”, anter ick, datt is mien Vadder!”

dien Vadder?“ „ Ne, dat gift dat doch gunnich!“

Von nun an begleiteten uns Bruno und Luigi jeden Tag auf unseren Entdeckungstouren oder an den Strand. So einen Strand hatte ich auch noch nie gesehen, steinig, nicht sandig wie bei uns an der Nord-oder Ostsee….Mir gefiel dieser Strand.

Wie ich mir vorgenommen hatte, wollte ich nun auch unter den hohen Wellen hindurchtauchen. Doch ich hatte mich über- und die meterhohen Wellen unterschätzt. 

Die blaue Fahne, die hier als Warnflagge galt, hatte ich übersehen.

Eine riesige Welle türmte sich vor mir auf, schleuderte mich herum, ich schlug mit dem Kopf auf die Steine, und wurde von dem Sog ins Meer gezogen.

Das ist jetzt mein Ende, dachte ich nur noch, als mich vier starke Arme packten, und aus dem tobenden Meer zogen. Es waren Bruno und Luigi, die mir gerade das Leben retteten,

mich zu einer Krankenstation brachten, wo meine Kopfplatzwunde genäht wurde. Der schöne italienische Arzt musste ein paar meiner langen Haare entfernen, aber das verzieh ich ihm sofort.  Am nächsten Tag verabschiedeten wir uns unter Tränen von unseren beiden Italienern, und fuhren über  Genua wieder zurück in unsere schöne Stadt Hamburg.

Als meine Eltern mich am Hauptbahnhof abholten, erschraken sie zuerst über die kahle Stelle an meinem  Kopf.

Mein Vater nahm mich in seine Arme und sagte nur: „ Na mien Deern, dor büst Du jo wedder, un heßt di ok noch een Andenken ut Italien mitbrocht!“

Als  ich ihm von Bruno, erzählte, erinnerte er sich sofort, und bedauerte sehr, das der  Italiener es nicht in Deutschland und bei ihm in der Werkstatt ausgehalten hatte.

Mein Leben hat von nun an keine hohe Welle mehr geschlagen.

In Italien bin ich nur noch zwei Mal gewesen. Doch meine Sehnsucht in das Land, wo die Zitronen blühen, stirbt zuletzt.

( © Monika Zelle 08.10.2024 )