Über Menschen

Über Menschen

Da fallen mir sofort die Menschen ein, die ich als Nachbarn unseres Grundstückes am Pferdekopf noch in Erinnerung habe, als wäre es heute gewesen.

Je älter ein Mensch wird, desto jünger werden die Erinnerungen des Kindes in ihm.

Zu unserer Linken besaß die Familie Dreyer für damalige Verhältnisse schon ein respektables Wochenendhaus. Zudem hatten sie auch gleich eine Pumpe bauen lassen. Von dieser Pumpe durften wir unseren täglichen Bedarf an Wasser holen, mit dem wir sehr sparsam waren. Für uns eine große Erleichterung, das Wasser nicht mehr von der Quelle, wie der Hummel, heranschleppen zu müssen.

Ewald Dreyer, Abteilungsleiter einer bekannten Reederei, brachte meiner Mutter von Zeit zu Zeit einen Strauß Teerosen,  ihre Lieblingsrosen, warum auch immer.

„ Da kommt der Rosenkavalier!“, pflegte mein Vater dann zu sagen.

Zu unserer Rechten wohnte Frau Ullrich, eine ältere Dame, in einem wunderschönen Holzhaus. Auf dem Berner Senn Hund von Frau Ullrich durften wir Kinder reiten. In den Sommerferien waren ihre Enkelkinder zu Besuch

Gesa ihre Enkelin hatte bei einem Gerangel mit ihrem Bruder um ein Paket durch eine Verletzung mit der Schere ihr linkes Augenlicht verloren.

Ein paar Häuser weiter besaß die Familie Ehmcke ebenfalls ein schönes großes Holzhaus, das sie an die Familie Kordt vermietet hatte. 

Herr Kordt arbeitete als Taucher im Hamburger Hafen. Ich besuchte Frau Kordt manchmal, weil sie gerade ein Kind bekommen hatte. Wenn es entzündete Augen hatte, wusch sie sie mit der Pisswindel aus, was ich voller Ekel meiner Mutter erzählte, die mich aber beruhigte, und sagte:“ Urin desinfiziert.“ Frau Kordts kleiner Sohn Werner ging in Wörme zur Schule, vier Kilometer von unserer Siedlung entfernt.

Wenn er den Weg durch den Wald nach Hause kam, hörte man ihn schon von Weitem singen, um seine Angst zu überwinden. 

Neben den Kordts wohnten die Meyer-Schuchardts, mit einem Sohn, der unter epileptischen Anfällen litt, und sich von Zeit zu Zeit auf dem Boden wälzte.

Weiter des Weges befand sich eine Gaststätte. Ich musste manchmal für meinen Vater dort eine Flasche Bier oder Coca Cola kaufen. Henry Dost, der Gastwirt lag immer, wenn ich kam, besoffen auf dem Sofa in der Gaststube und schlief. Seine Frau erinnerte uns an Hilde Sicks, eine Volksschauspielerin am Hamburger Ohnsorg Theater, die den Laden dort am Laufen hielt.

Ein paar Schritte weiter wohnte Frau Spitzkeit mit ihren Katzen, die aussah wie die Hexe von Hänsel und Gretel. Wir Kinder besuchten sie oft, weil sie sonderbare Geschichten zu erzählen wusste, außerdem kannte sie sich gut mit Kräutern aus. Meine Mutter holte sich so manchen Rat von ihr. 

Gegenüber der Hexe Spitzkeit hatte der Professor Brix mit seiner Schwester wohl das größte Grundstück am Pferdekopf erworben.

Wir Kinder durften bei ihm die vielen Bickbeersträucher für den Eigenbedarf absammeln, er bekam natürlich auch seine Portion, umsonst.

Ach nein, das größte Grundstück besaß die Knappfamilie am Katzenberg. Zu der Familie hatten wir keinen Zugang, sie waren nett, hielten sich aber für etwas Besonderes.

Wenn alle anderen Kinder der Siedlung mit meinem Vater und Onkel Judel wie wild Fußball spielten, standen die Knappkinder am Zaun, und schauten sehnsüchtig zu.

Sie durften nicht  mitspielen.

Ach ja, und nicht zu vergessen, die Winterbergs. Sie hausten in einem Kellerloch unweit der Dreyers, und glaubten immer noch von den Schergen Adolf Hitlers verfolgt zu werden, obwohl der 2. Weltkrieg schon einige Jahre vorbei war.

Bis zu ihrem Tod wurden sie von den Menschen unserer Siedlung versorgt.

Ich könnte noch viele Geschichten „ Über Menschen“ am Pferdekopf erzählen.

Ein anderes Mal mehr…………

( © Monika Zelle 08.06.2021 )

Kinderfreundschaften

Kinderfreundschaften

Margrit

Kinderfreundschaften hatte ich viele. Wir waren eben viele Kinder am Dulsberg in den 1950iger Jahren.

Meine beste Freundin aber war Margrit Nagel.

Die Nagels waren unsere direkten Nachbarn, und wenn wir Kinder nicht draußen Meyersche Brücke, Fischer Fischer wie tief ist das Wasser, Kibbel Kabbel, Länder klaun oder Marmeln spielten, war ich meistens bei Margrit drüben.

Wir besaßen beide eine Kinderpost und spielten hingebungsvoll Briefmarken und Briefumschläge verkaufen, Briefe oder Pakete entgegen nehmen und versenden und was es sonst noch alles bei der Post zu tun gab. Es war unser Lieblingsspiel.

Von Zeit zu Zeit spielten wir aber auch mit unseren Puppen. Echte Mädchen eben.

Meine Puppe hieß Helga.

Meistens spielten wir, dass die Puppen krank waren, und wir waren abwechselnd die Ärztinnen.

Einen Arztkoffer wie die Kinder heute besaßen wir natürlich nicht, es mussten die Küchenbestecke der Eltern herhalten. 

Manchmal kamen unsere Puppen auch erst als Babys aus unserem Bauch, das war das Höchste der Gefühle.

Zu mir nach Hause durfte ich keine Kinder mitbringen, das duldete meine Mutter nicht, sie könnten ja etwas schmutzig machen, in ihrem so geleckten Haushalt, wo man gewissermaßen vom Fußboden essen konnte. Tisch und Stuhl hatten wir natürlich auch.

Dann zog Margrit mit ihren Eltern und ihrem Bruder Ronald ins Nebenhaus in eine größere Wohnung. 

Wenn ich bei Margrit spielte, lackierte sich Frau Nagel meistens die Fingernägel rot.

Herr Nagel war ein höherer Angestellter bei den Hamburger Gaswerken, wo die meisten Männer und auch manche Frauen unseres Wohnblocks beschäftigt waren.  Ihr Bruder Ronald besuchte die Mittelschule, und ärgerte uns oft.

Wenn die Nagels am Wochenende in den Harburger Bergen wandern gingen, durfte ich manchmal mit. Frau Nagel setzte sich dann immer mit nacktem Hintern in einen Ameisenhaufen, das sollte gegen ihr Rheuma helfen.

Dann zogen die Nagels plötzlich wieder um, nach Wandsbek Gartenstadt, in eine noch größere Wohnung, und natürlich bessere Gegend. Es hieß,  Herr Nagel sei mit seiner Sekretärin fremd gegangen.

Frau Nagel verließ ihren Mann nicht, aber sie schämte sich vor der Nachbarschaft.

Ich war ziemlich traurig, dass Margrit nun nicht mehr hier bei mir in der Nähe wohnte, denn nun sah ich sie nur noch ein einziges Mal, als meine Mutter und ich bei den Nagels zu Kaffee und Kuchen eingeladen waren, um die neue Wohnung zu besichtigen.

Das wars.

Nach vielen Jahren mieteten sich die Nagels eine Ferienwohnung in der Heide, und luden uns dorthin ein.

Wir erfuhren, dass ihr Sohn Ronald inzwischen verstorben war.

Margrit wohnte mit ihrer Familie in Handeloh, ganz in der Nähe der Ferienwohnung.

Wir hatten  uns aus den Augen verloren, und ich traute mich nicht, sie in Handeloh, wenige Kilometer von unserem Heidegrundstück am Pferdekopf entfernt, zu besuchen.

( © Monika Zelle 01. Juni 2021 )

Stamm am Baum

Stamm am Baum

Mein Bruder ist nicht mehr mein Bruder. Das hat viele Gründe.

Mein Wissen über die Familie meiner Eltern reicht nicht so weit zurück.

Mein Cousin Reiner aus dem Klein Clan soll einen Stammbaum väterlicherseits haben.

Müsste ihn anrufen.

Der Großvater meines Vaters hatte ein Buchdruckerei und schrieb Gedichte.

Sein Sohn, mein Großvater war Elektriker und Gewerkschafter. 

Meine Großmutter, Bürstenmacherin, soll eine liebenswerte gutmütige Frau gewesen sein. Sie kurte gern in Heringsdorf auf der Insel Usedom.

Alle Kinder hatten einen Beruf erlernt.

Meine Vater war Autoschlosser, im Krieg nicht einen Tag arbeitslos, und nie Soldat.

Ein sehr politischer Mensch und Gewerkschafter durch und durch.

Onkel Ewald auch Autoschlosser, 5 Jahre in russischer Kriegsgefangenschaft, kam fast verhungert nach Hause, sein Sohn Reiner war schon 6 Jahre alt.

Onkel Walter, Schlangenbeschwörer und Sozialpädagoge. Kreuzottern liefen frei in seiner Wohnung herum, ein Eremit.

Onkel Werner, Bürohengst beim Staat. Später schrieb ich ihm, längst schon Ruheständler, Geburtstagsgrüße aus der Personalstelle derselben Behörde, bei der er auch beschäftigt war.

Tante Lotte, meine Bestmutter, meine Lieblingstante, ein Bücherwurm wie ich.

Eine Reisende.

Tante Gertrud konnte aus 50 Pfennige eine Mark machen, sparte sich dadurch ein Haus in der Lüneburger Heide zusammen.

Der Großvater meiner Mutter aus dem Gosch Clan war in Schleswig Mühlenbesitzer und Spieler. Sein Sohn, also mein Großvater, stolzer Besitzer eines Pferdes mit Wagen, Gymnasiast, endete in der Schanzenstraße in einer Schlachterlehre. Ein Musikliebhaber mit einer guten Stimme. 

Meine Oma Anna geborene Holtmann, seine sehr unnahbare Frau, zog 6 Kinder groß, die auch alle eine Lehre gemacht hatten. 

Onkel Willi. Modelltischler, wanderte 1950 nach Amerika aus, seine Frau Helen leitete eine Bankfiliale in Womelsdorf, Pennsylvania, durch sie lernte ich sehr gut Englisch, weil wir uns Briefe schrieben. Mein Cousin Billy ist heute Mathematikprofessor a.D.

Onkel Paul fuhr Zeit seines Lebens auf dem Tankschiff der Caroline Oetker als Obersteward und Zahlmeister zur See. Die ganze Familie half bei dem Bau seines Hauses in der Lüneburger Heide.

Onkel Heini, Schwimmlehrer im Hessepark in Blankenese, ertränkte immer Katzenjunge in der Regentonne.

Er brachte mir als vierjährige zusammen mit meinem Vater das Schwimmen bei.

Onkel Julius, Judel genannt, lernte Ketelklopper bei Blohm & Voss. Arbeitete später bei Hein Gas, und gewann beim Pferderennen eine größere Summe Geld.

Onkel Friedrich, Fiete genannt, auch Ketelklopper, heiratete die Prostituierte Rosi aus Magdeburg. 

Meine Mutter lernte Putzmacherin und besuchte eine Hauswirtschaftsschule. Sie war die perfekteste aller Hausfrauen, das einzige Mädchen unter fünf Brüdern.

Alle Kinder des Gosch Clans, sehr musikalisch, hatten sich alle selbst ein Musikinstrument beigebracht.

All diese Menschen sind schon lange nicht mehr am Leben, aber in meinem Herzen und meiner Erinnerung immer noch sehr präsent.

Meine jetzige Familie besteht aus meinem Mann Joachim aus dem Zelle Clan, meinen beiden schon erwachsenen Kindern Stefan und Simona, und meiner einzigen Enkelin Lea.

Ob mein Bruder noch lebt, weiß ich nicht. Ich habe nie wieder etwas von ihm gehört.

 ( © Monika Zelle 11.05.2021 )

M & B

M & B

Es ist als hätte ich den Verstand verloren…. ja vielleicht, dachte sie…

Schwarze Rauchschwaden stiegen gen Himmel……

Zwei Tage zuvor…..

In sich gefangen und getrieben wanderte sie den endlos langen Heideweg hinauf zu ihrem Land, und dachte an den Bruder. Ob er noch lebte?

Der Mond schien sich im weißen Heidesand zu sonnen. Diesen Weg kannte sie wie ihre Westentasche, sie würde ihn mit geschlossenen Augen finden.

Verwunschen lag es da, ihr Heideland.

Die Gartenpforte quietsche.

„Klein“ stand immer noch auf dem verrosteten Schild.

Sie streichelte sanft den Steinermann, den ihr Vater vor gefühlten hundert Jahren dort mit seinen heilenden Händen geschaffen hatte.

Sie arbeitete sich durch das Dickicht bis zu den Hütten durch. Sie schienen unbewohnt.

Eigentlich ist das Hausfriedensbruch, dachte sie.

Die Türen standen offen.

Den Schlüssel, den sie über Jahre aufbewahrt hatte, brauchte sie nicht.

Es stank bestialisch hier drinnen, nach Marderkot.

Früher tanzten auch die Mäuse auf dem Tisch, wenn sie nach einem langen Winter mit ihrer Familie hierher kam.

Mehl, Zucker und Seifenvorräte waren von ihnen vertilgt worden.

Nein, hier konnte sie nicht nächtigen.

Der Himmel mit seinem glitzernden Sternenzelt würde ihr ein Dach über dem Kopf geben.

Die Nächte im August waren warm genug.

Sie legte sich auf ein Bett aus Moos, neben ihren Baum, dem sie all ihre Freuden, Sorgen und Nöte anvertraut hatte. Morgen würde sie hinaufklettern, und von oben schauen, wer dieses Land verkommen ließ.

Sie hörte Kinderstimmen. 

„ Tor, Tor!“ schrien sie.

Die gütige Stimme ihres Vaters ließ sie in einen tiefen Schlaf versinken, aus dem sie am frühen Morgen von den Vögeln geweckt wurde.

Die Bickbeeren standen in voller Blüte.

Auch wenn sich hier jetzt jemand einfinden sollte, sie verlässt das Grundstück nicht wieder, komme da was wolle.

Im Schuppen war bestimmt noch ein altes verrostetes Schloss mit einer Kette zu finden.

Damit wollte sie sich hoch oben im Baum anketten.

Ihr Baum mit seinen starken Armen hält und beschützt sie, wie früher.

Vorher aber müssten die stinkenden Hütten brennen.

Diese Ungepflegtheit und den Verfall hatten sie nicht verdient.

Einen Frühjahrsputz überleben sie nicht.

Der Duft der Heideblüte streichelte ihre Sinne.

Sie folgte ihm ins Tal der Sehnsüchte.

So früh waren hier noch keine Menschen unterwegs, um ihre Picknickdecken auszubreiten, und ihren vom Essen und Trinken übrig gebliebenen Müll zu hinterlassen. 

Sie trank von dem frischen Quellwasser ihres Baches, watete mit ihren Füßen darin.

Über den Berg mit der alten Birke erhoben sich die ersten Sonnenstrahlen.

Sie wanderte hinauf, und suchte das eingeritzte Herz mit Ihrem und dem Namen ihrer ersten großen Liebe in der Lehne der einzigen Bank hier oben.

„ Wie heißt der Bürgermeister von Wesel!“

„ Esel!“ 

Alle Wünsche und Träume kehren zu ihr zurück, genau wie das Echo, bevor sie sich in die ewigen Jagdgründe verabschiedet.

( © Monika Zelle 04.05.2021 )

Starke Arme

Maja machte zum ersten Mal mit ihrer Freundin Luise Urlaub. 

In Italien, dem Land wo die Zitronen blühen.

Luise war schon des Öfteren am Gardasee, und hatte hier sogar einen Freund.

Antonio, Sesselliftwart.

Maja hatte  noch nie in ihrem Leben hohe Berge gesehen.

Das schmucke Städtchen Torbole lag an der engsten Stelle oberhalb des Gardasees.

Hier bezogen sie ein kleines Zimmer in der Villa Martha.

Als Maja und Luise ein paar Tage die seidige Luft am See genossen, und sich ihre Haut  an die Sonne gewöhnt hatte, unternahmen sie einen Ausflug an den Ledrosee. 

Maja hatte keine Ahnung, dass dieser See hoch oben in den Bergen lag.

Als die beiden in Riva beim Sessellift ankamen, beschlich sie schon ein mulmiges Gefühl, denn dieser Lift fuhr rauf und runter ohne Unterlass. Die Geschwindigkeit war nicht zu unterschätzen. Nach langem Hin und Her setzte sich Maja dann doch in den Sessel des Lifts, allein. Luise fuhr hinter ihr. Es ging höher und höher. Maja wurde schwindelig.

Noch nie hatte sie unter sich einen so tiefen Abgrund gespürt. Nur nicht nach unten schauen, hatte Luise vorher zu ihr gesagt.

Nach 15 Minuten kamen sie oben an. Nun hieß es während der Fahrt aussteigen.

„ Das schaffe ich nie!“, dachte Maja. 

„ Ich kann nicht aussteigen!“, schrie sie.

Der Sesselliftwart Antonio erkannte ihre Unsicherheit, und zog sie aus dem Sessel auf die Plattform. Dabei verfing sich ihre Handtasche in der Öffnung des Verschlusses am Sessel, und fuhr wieder ins Tal.

Maja stand wie erstarrt da und zitterte.

„ Die kommt wieder rauf“, sagte Antonio seelenruhig. 

Maja fing an zu weinen: „ Da sind alle meine Papiere und mein Geld drin!“, jammerte sie.

Antonio zog Maja zu sich heran, nahm sie in den Arm, und drückte sie an sich. Maja beruhigte sich zusehends. Als sie zu ihm aufschaute, sah sie, wie gutaussehend dieser Typ war, braun gebrannt, groß, breitschuldrig.

Ein warmes Gefühl strömte durch ihren Körper. Sie verliebte sich Hals über Kopf in ihn.

Inzwischen war auch Majas Handtasche und Luise oben angekommen.

„ Nun schau dir doch mal diese wunderschöne Landschaft an!“, rief Luise, und lief in Richtung Ledrosee.

Wie in Trance ging Maja hinter ihr her.

Erst ganz allmählich nahm sie den smaragdgrünen See und die schneebedeckten Berge wahr. „ Ein Traum“, dachte sie, wie Antonio.

Wie von Zauberhand geschaffen, entdeckten sie ein kleines Restaurant.

Sie setzten sich auf die Terrasse mit Blick auf den See. 

Kleine Wellen verschluckten sich auf der Wasseroberfläche und glitzerten in der Sonne.

Die Berge spiegelten sich im See.

„ Traumhaft, oder?“, rief Luise, und bestellte sich Spaghetti Bolognaise, dazu einen Espresso.

„ Na, war es nun so schlimm, hier hoch zu fahren?“

„ Du hast es doch geschafft!“

„ Ja, aber runter fahre ich nicht!“, sagte Maja entschlossen.

„ Wie runter fahre ich nicht, willst Du hier oben versauern? Wo willst Du denn hier bleiben?“

„ Bei Antonio!“, sagte Maja.

Luise lachte schrill, hektische rote Flecken überzogen Hals und Gesicht. “ Der wohnt doch gar nicht hier oben!“ 

„ Mich kriegen keine zehn Pferde mehr in diesen Sessellift!“, sagte Maja.

Sie hatte nichts gegessen, nur eine erfrischende Grenadine getrunken.

Langsam umrundeten die beiden noch den von Geheimnissen umwobenen See.

Wieder am Lift angekommen, wollte Maja tatsächlich nicht nach unten fahren.

Die schwindelerregende Höhe nahm ihr den Atem.

Doch Antonio wusste Rat. Ruhig nahm er sie bei der Hand, half ihr in den Sessel, setzte sich in den Nachfolgenden, ergriff die Kette von Majas Sessel, und so fuhren die beiden Hand in Hand hinunter ins Tal…………….

( © Monika Zelle 20.04.2021)

Watt Gifft Neeges

Watt gifft Neeges

Diesmal will ich über meinen Onkel berichten, mein Onkel Julius, Judel genannt. Aber an fängt meine Geschichte in einem Dorf in Vierlanden, wo mancher Hamburger oder Hamburgerin wegen der Hungersnot in ihrer Heimatstadt Zuflucht suchte. 

Jeden Morgen lief mein Vater zu Fuß an den vielen Gewächshäusern der Bauern vorbei zum Zug, um zu seiner Arbeit nach Hamburg zu fahren.

Jeden Morgen traf er auch den Dorftrottel Heinerich, und jeden Morgen fand zwischen den beiden die gleiche Unterhaltung statt.

„ Moin, watt`n Luft hüüt!“

„ Jo, watt`n Luft hüüt!“

„ Meist gorkeen Luft!“

„ Jo, meist gorkeen Luft!“

So ging das jahrein jahraus, bis meine Eltern mit mir wieder in die Stadt zogen.

Jetzt kommt mein Onkel Judel ins Spiel.

Er kam jeden Samstagmorgen, um uns zu besuchen, im Gepäck mindestens 4 kg frischen Fisch vom Markt. Ich öffnete ihm immer die Tür, weil ich seine Ankunft auf keinen Fall verpassen wollte.

„ Na, watt gifft Neeges!“, rief er. 

„ Gifft nix Neeges“, sagte ich.

„ Nix Neeges mien Deern, datt kummt noch, gleuw mi datt!“

Er nahm stantepe den Weg in die Küche, und drückte meiner Mutter den Fisch in die Hand, den sie nun sofort zuzubereiten hatte, mit Senfsoße natürlich, die mochte Onkel Judel am liebsten. Und wehe, jemand mochte keinen Fisch, prompt sagte er: „ Watt de Buer nich kennt, datt fritt he nich!“ Dann setzte er sich zu meinem Vater auf die Bank an den Küchentisch. Die beiden politisierten, bis Onkel Judel, aufbrausend cholerisch, eine hochroten Kopf bekam, während mein Vater, immer ruhig und besonnen, ihm einen Schnaps einschenkte.

Sie waren unterschiedlicher politischer Gesinnung, mein Vater und Onkel Judel. Aber sie kamen am Ende immer zu dem Schluß: „ Wo de een mit wuschen is, is de anner mit kämmt!“ Damit meinten sie die Politiker oder Politikerinnen. 

Wenn der Fisch fertig war, kamen meine Tante Erna, Onkel Judels Frau und sein Sohn Herbert zum Essen dazu. Nachmittags ging es dann zum Fußball, zum FC Concordie, da spielte mein Cousin.

„ Ich bünn fardig mit Jack un Büx!“, sagte meine Mutter, wenn ihr Bruder weg war.

„ Nix tun Boxen, nix tun Ringen, keen Klavier non Böhn to bringen!“, meinte mein Vater über meinen Onkel, und lachte über das ganze Gesicht.

Nun komme ich zu den legendären Geburtstagsfeiern in der Lüneburger Heide.

Die Tische bogen sich förmlich unter den Torten-und Kuchenplatten, und alle Geschwister meiner Eltern waren gekommen, samt Kinder.

Je später der Abend, desto lustiger und lauter die Gäste. Und gerade, wenn Tante Erna noch schnell zum Brunsberg wandern wollte, erhob Onkel Judel sich, baute sich in voller Größe vor ihr auf, zog seinen Zündschlüssel aus der Tasche und rief;

„ So, nu wüllt wie no Huus!“  Da gab es kein Heulen und Zähneklappern, und schon gar keine Wanderung auf den Brunsberg mehr. Onkel Judel setzte sich in seinen VW und ließ den Motor an. Wenn Tante Erna und Herbert nicht rechtzeitig im Auto saßen, fuhr er einfach los. 

„ Watt denn een sein Uhl, is denn annern sien Nachtigall!“, meinte mein Vater.

Die Feier ging bis in die frühen Morgenstunden, und Tante Erna tat mir leid.

Er blieb bis zu seinem Tode aber immer mein Lieblingsonkel.

Eine Anekdote habe ich noch. Onkel Judel war ein großer Musikliebhaber, und in der Heide gab es bei den Verwandten den ersten Fernseher.

Onkel Judel durfte dann manchmal mit schauen, wenn Erna Sack, eine berühmte Opernsängerin zu sehen und zu hören war.

Wenn die Frauen sich dann unterhalten wollten, sagte er „ Wüllt ji snacken, oder wüllt ji dor toheuern, sonst go ick runner!“ Damit meinte er die kleine Hütte im Wald, die er manchmal mit seiner Familie bewohnte. 

(© Monika Zelle 13.04.2021)

Haikus Corona April 2021

Haikus Corona April 2021 

Geduldsfadenriss 

Geduld ist eine Tugend

Geduldsprobenaus

+

Tagesspaziergang

Menschen weichen mir nicht aus

Besserwissertum

+

Der Postbote kommt

Er hat noch seine Arbeit

Arbeitslosigkeit

+

Eingesperrt allein

Wie ein Tier im Käfig

Käfigsyndrome

+

Die Sonne scheint hell

Dunkle Gedanken kreisen

Meine Seele weint

+

Die Angst vor Morgen

Jeder Tag neue Sorgen

Sorgentelefon

+

Wer redet mit mir?

Wieder ein trostloser Tag

Wortlosigkeiten

+

Ein Vöglein zwitschert

Was will es mir erzählen?

Hoch oben im Baum

+

Einsame Zeiten

Gruselige Pandemie

Annonymität

+

Kinderspielplatzzeit

Das Mädchen mit den Puppen

Puppentheater

( © Monika Zelle 24.04.2021 )

Hakuna Matata

Hakuna  Matata

Hexe Lilli hat einen Plan. Den kann sie aber nicht alleine bewältigen, dazu braucht sie Hilfe. Und zwar die Hilfe von ihrem besten Freund Pinoccio.

„Hokus Pokus Fidibus, drei mal schwarzer Kater!“, hext sie, und schon ist sie auf ihrem Besen in der Werkstatt des Tischlers Antonio gelandet.

Pinocchio hat Stubenarrest, weil er wieder einmal gelogen hat. Ausnahmsweise darf Hexe Lillie in seine Stube. „ Herrjemine, Deine Nase ist ja schon wieder gewachsen Pinocchio!“, ruft sie. Dann weiht sie ihn in ihren Plan ein. Pinocchio ist begeistert, endlich raus aus dem Haus.

Er bittet und bettelt seinen Meister an, mit Lilli den Plan ausführen zu dürfen.

Verraten darf er ihn natürlich nicht, sonst ist alles für die Katz.

Zuerst weigert Meister Antonio sich und ruft:“ Wo willst du schon wieder mit dieser rothaarigen Hexe hin, das kann doch nicht gut gehen!“

„ Rothaarig?“, kreischt Lilli, „ haben Sie etwa etwas gegen Rothaarige?“

Der Meister bekommt Angst, und schickt die beiden aus der Werkstatt. Immerhin ist Lilli ja  eine Hexe, und wer weiß, was sie so alles hexen kann.

„Hokos Pokus Fidibus drei mal Schwarzer Kater!“, hext Lilli wieder, und schon sind sie unterwegs auf ihrem Besen hoch in den Lüften. 

Pinocchio ist ganz berauscht von der Höhe. Endlich kann er die Welt einmal von Oben betrachten. 

Sie fliegen über Berge, Flüsse, Seen und Meere. Über die Wüste des Landes Afrika, wo es die meisten Kinder gibt.

Jetzt öffnet Lilli ihren Rucksack, und lässt Flugblätter herunter sausen auf denen geschrieben steht: „ Kinder aller Länder vereinigt Euch!“ 

Oder:“ Kinder an die Macht!“ 

So klein wie Stecknadelköpfe bücken die Kinder sich, sammeln die Flugblätter auf und rufen: „ Hakuna Matata!“ 

Pinnocchi schreit Lilli in die Ohren:“ Was heißt das, Hakuna Matata!“

„ Alles in Ordnung!“, schreit Lilli nach hinten, und weiter geht’s über Meere und Kontinente.

Auf der ganzen Welt halten die Kinder nun die Flugblätter in den Händen. Doch noch bevor sie ans Werk gehen können, verseucht ein Virus alle Kontinente der Erde. Während die Kinder noch überlegen, wie sie ihre Welt von dem Teufelswerk befreien können, hat Hexe Lille schon wieder eine Idee:

„ Ene Mene Schneckenschleim, der Stoff soll aus Fledermauskot sein!“, ruft sie. 

„Ja, Fledermauskot, das ist es!“, rufen die Kinder.

Sie brauen dieses übel riechende Zeug mit Kräutern und Gewürzen zusammen, und kochen daraus einen Sud. Hiervon soll nur ein kleines Schlückchen getrunken werden, und schon wird dieses Virus kein einziges Kind befallen. 

So wird es eines schönen Tages nur noch Kinder auf der Welt geben, die ihre Umwelt schützen, keine Kriege führen, und kein Hunger leiden. Ein Leben wie im Paradies.

So hat Lilli sich ihren Plan vorgestellt, und Pinocchio hat an sie geglaubt, und sie tatkräftig unterstützt.

Völlig erschöpft kommen Hexe Lilli und Pinocchio zu Hause an.

In der Werkstatt liegt der Meister Antonio, bereits tot.

( © Monika Zelle 31.03.2021 )

Haikus Corona 3. Welle

Haikus Corona 3. Welle März 2021 

Urlaub auf Mallorca

Im voll besetzten Flieger

Ungerechtigkeit

+

Gran Canaria

Flugzeuge fliegen wieder

Privilegierte

+

Unwegbarkeiten

Auf dem Hinflug getestet

Auf dem Rückflug nicht

+

Solidarität

Egoisten dieser Welt

Machen die Runde

+

Wir sitzen daheim

In der Gefängniszelle

Träume sind Schäume

+

Astra Zeneka

Impfstoff schlechter Güte?

Löst die Grippe aus

+

In der Pandemie

Aus der Zeit gefallen

Wo noch hingehen?

+

Flut ist im Fleet

Kleine Wellen schlagen hoch

Tide wechsel Dich

+

Wolken treiben schnell

Die Flut schlägt an die Deiche

Schimmelreiter kommt

+

Schnelllebige Zeit

Geduld ist eine Tugend

Langsamkeit der Welt

( © Monika Zelle 22.03.2021 )

Haikus Corona April 2021

Haikus Corona  im April 2021 

Endlich ist Frühling

Zartes Grün sprießt überall

Osterspaziergang

+

Sonne strahlend warm

Der Himmel unerreichbar

Hoch am Himmelszelt

+

Berge versetzen 

Wo ist die Zeit geblieben

Enkellebenszeit

+

In Dir ist Leben

Wecke die Lebensgeister

Die Geisterstunde

+

Brainstorming ist In

Die Fantasie anregen

Fantastereien?

+

Einsamkeitsgefühl

Decke fällt mir auf den Kopf

Sonntagsspaziergang

+

Warum noch Leben?

In diesen schlechten Zeiten?

Aussichtslosigkeit?

+

Trostloses Leben

Ein Tag wie der andere

Struktur ist alles

+

Der letzte Abschnitt

Alter nichts für Feiglinge

Mach das Beste draus

+

Der Lockdown bremst aus

Wir könnten in uns gehen

Leben ohne Stress?

+

Die Zahlen steigen

In unendliche Höhen

Kinderkrankheiten

+

Alles grau in grau

Die Zeit spiegelt die Menschen

Pandemiezeitgeist

+

Fridays for Future

Die Kinder verdienen es

Denkt an die Zukunft

+

+Die Hagelkörner

So groß wie kleine Erbsen

Laune der Natur?

( © Monika Zelle 03.04.2021 )