Leben In Zeiten von Corona
Ich wache auf.
Wovon bin ich jetzt wieder wach geworden?
Bestimmt von den Glocken der Micheluhr, oder?
Vom Hof höre ich eine Rumpeln und Poltern.
Ach ja, es sind die Müllmänner, sie ziehen die Müllcontainer hinter sich her, das macht auf dem unebenen Pflaster einen Höllenlärm.
Ich stehe auf, und schaue aus dem Fenster. Sie haben keinen Mund-Nasen-Schutz auf.
Typisch, und das in dieser ungewissen Zeit.
Ich lege mich wieder hin, und versuche, noch eine Runde zu schlafen.
Vergeblich.
Meine Gedanken kreisen um Corona.
Ich stehe auf.
Morgentoilette.
Gymnastik.
Einen Pott Kaffee auf dem Balkon.
Es ist ungewöhnlich warm für November. Fast 20°.
Erste Malzeit gegen 11h. Unterbrochenes Fasten.
Dann wieder Gymnastik, Yoga, oder Qi Gong auf Alpha.
Tut mir unendlich gut.
Nachmittagsspaziergang. Natürlich mit MNS Schutz.
Bewaffnet mit einem Desinfektionstuch in der Rechten, und einem Papiertaschentuch in der linken Hand gehe ich durch unser Treppenhaus.
Man weiß ja nie.
Dann Spießrutenlaufen im Venusbergpark.
Mir weicht niemand aus. Schon gar nicht die Hunde. Von Abstand halten keine Spur.
Eine junge Frau streift im Vorübergehen fast meinen Arm, und hustet auch noch.
Voller Panik rufe ich ihr hinterher, ob Corona für sie vorbei wäre.
Verständnisloses Kopfschütteln.
Voller Angst, dass es mich jetzt trotz meines NMS Schutzes erwischt haben könnte,
hetze ich weiter.
Auf der Michelwiese spielen zwei kleine Jungen Fußball.
Der Ball saust um Millimeter an meinem Kopf vorbei.
Die Kinder tun mir leid in diesen unsicheren Zeiten, aber wenigstens haben sie wohl ein Dach über dem Kopf und zu Essen, nicht wie im Krieg, wo die Menschen nach einer Bombardierung ohne alles da standen.
Homeschooling und Homeoffice ist heutzutage das Stichwort.
Eltern und Kinder oft am Limit.
Ich wähle den Weg durch die ruhige Rehoffstraße.
Keine Menschenseele in Sicht. Aufatmen.
Vor dem Ledigenheim bleibe ich stehen.
Auf einem Plakat sind Lesungen angekündigt. Kostenlos.
Freiwillige Spenden erwünscht.
Diesmal nicht hier im Raum, sondern im kleinen Michel.
Ob sie wohl stattfinden? Bestimmt nicht.
Im Herrengraben muss ich die Straße benutzen.
Auf den Gehwegen kommen beidseitig Menschen entgegen.
Ein Auto hupt.
Zurück in meiner Straße prescht auf dem Fußweg eine Radfahrerin an mir vorbei.
Ich schreie ihr hinterher: „ Blöde Kuh!“, weil ich mich zu Tode erschrocken habe.
Nachmittags kommt meine Tochter mit meiner Enkelin vorbei.
Ich drücke beide herzlich an mich, küsse das goldblonde Haar meiner Enkelin.
Ohne Maske.
( © Monika Zelle 03.11.2020 )