Ein Männlein steht im Walde ganz still und stumm Es hat von lauter pur pur ein Mäntlein um
Sag wer mag das Männlein sein Das da steht im Wald allein Mit dem purpurroten Mäntelein….
Sah sie gerade ihn? Das kleine hässliche Männlein mit dem roten Mantel?
Ja, sie hasste ihn aus vollem Herzen, diesen Schwerenöter. Dennoch hatte er was an sich, dass sie auch aus vollem Herzen liebte.
Er konnte sie betören, dass ihr Hören und Sehen verging.
Hier stand sie nun auf dem Sandweg vor ihrem Waldgrundstück und horchte in die Stille.
Hörte sie nicht das leise Motorengeräusch seines Mercedes?
Würde er etwa wieder hinaus kommen in die Wallachei? Hoffentlich allein.
Schon einmal war er mit einem Freund zu ihr in ihr Haus gekommen.
Freund?
Diese Blicke, diese Anzüglichkeiten.
Wieder hörte sie das Geräusch, oder war es nur Einbildung?
Nein. Jetzt bog der alte Mercedes um die Kurve. Ein Hupkonzert ertönte.
Eine Hand winkte aus dem Beifahrerfenster.
Schnell öffnete sie das Tor zum Grundstück.
Mit Schmackes drehte Männlein das Lenkrad nach links, und sauste auf das Haus zu.
Sie erschrak. Er würde doch nicht ihre schöne Rosenhecke zerstören.
Nein, im letzten Moment bremste er das Gefährt ab, und hüpfte in seinem roten Mantel aus dem Auto. Was fand sie nur an Männlein?
Und dann stieg er aus, sein angeblicher Sandkastenfreund. Strahlend kam der auf sie zu, begrüßte sie mit einem Handkuss.
Was sollte das. Wollte der sie auch noch betören?
Und dann kam das Männlein, schloss sie in seine Arme, und küsste sie zärtlich auf den Mund.
Ein Schauer durchfuhr sie. Der Schauer der Lust oder des Grauens, sie wusste es nicht genau…
Sie führte die beiden in den gemütlichen Wohnraum, wo sie einvernehmlich auf dem Sofa Platz nahmen.
In der Küche bereitete sie einen schwarzen süßen Tee mit Milch, den sie in chinesischen Porzellantassen servierte, einst von Onkel Paul mitgebracht von seinen Reisen mit der Caroline Oetker als Zahlmeister und Obersteward nach China. Dazu gab es Gebäck.
Sie plauderten Belangloses.
Ob er heute bleiben würde? Der Schönling könnte ja den Wagen zurück in die Stadt nehmen.
Nein, er würde nicht bleiben, hatte in der Stadt noch einen wichtigen Termin.
Sie reichte noch eine zweite Tasse Tee, dann brachen die Sandkastenfreunde wieder auf.
Als sie in der Küche die wertvollen Teetassen spülte , vernahm sie aus dem Wald einen langanhaltenden Hupton, der nicht zu enden schien………
Leise, mit einem Lächeln auf den Lippen, summte sie das Lied, das ihr nicht mehr aus dem Kopf ging…..
Ein Männlein steht im Walde
Ganz still und stumm
Es hat aus lauter purpur ein Mäntlein um
Sag wer mag das Männlein sein
Das da steht im Wald allein
Mit dem purpurroten Mäntelein……. ( © Monika Zelle 05.01.2024 )