Heimlichkeiten

Heimlichkeiten

Die mich mein Leben lang begleiten

Mir oft Stress bereiten

Wenn ich mich in Widersprüche verstricke

Verliere meine Überblicke

Doch liebe ich auch meine Heimlichkeiten

Sie führen mich in unendliche Weiten

Meiner Fantasie

Missen möchte ich sie nie

Ich lebe mit ihnen in einer anderen oder meiner eigenen Welt

Was dann nur zählt ist am Ball bleiben

Sich nicht lassen vertreiben

Oder zur Wahrheit zwingen

Wird es mir auf ewig gelingen

Meine Heimlichkeiten zu schützen

Manchmal komme ich ganz schön ins Schwitzen

Wenn jemand mir kommt auf die Schliche

Aber ich Glückliche

Komme wieder in die Spur

Mit meiner Heimlichkeitentour

Heimlichkeiten kleine Fluchten

Von Bedrängten und Gesuchten

Oder sinds am Ende Lügen?

Um sich selbst und andere zu betrügen?

Vielleicht auch eine Schuld begleichen

Oder Verbotenes zu erreichen?

Heimlichkeiten um eine Flucht vorzubereiten

Um sein Leben in der Fremde zu bestreiten…

Heimlichkeiten haben wohl viele Facetten

Sich aus einer Not zu retten….

(© Monika Zelle 20.08.2024)

Mein Sehnsuchtsort

Mein Sehnsuchtsort

Immer wenn ich meinen Bücherschrank öffne, auf der Suche nach einem bestimmten Buch, segeln mir einige Ansichtskarten entgegen. 

Ich hebe eine auf, und betrachte sie eingehend. Ich weiß natürlich sofort wo sich dieses mittelalterliche Dorf im Süden Frankreichs befindet, und wie es heißt.

Saint Guilhem le Desert.

Ein verwunschener Ort des Gorges de L`Herault im Department Languedoc der Region Okzitanien, in den Cevennen. Ein Ort „ Plus beaux Villages de France…UNESCO Weltnaturerbe.

Ich entdeckte ihn, als ich nach einem erfrischenden Bad in dem glasklaren Wasser des L`Herault die Gegend erkundete.

Es war wie im Märchen, als ich durch die Gassen dieses Ortes lief.

An jeder Ecke ein kleiner Handwerksbetrieb, meistens Töpfereien, mit Menschen, schon ziemlich betagt, oft bärtig oder langhaarig, aber auch Jüngere, und natürlich Frauen, die geschäftig ihrer Arbeit nachgingen.  

Überall Gemüse oder Blumengärten, in denen fleißig geackert wurde.

Der Duft von Thymian, Majoran Basilikum und Myrte aus den Kräutergärten wehte mir entgegen. Lavendelbüsche und Mimosen entführten meine Sinne in die wunderbare Welt der Düfte.

An den Hängen Weinreben, die sich von der Schwere der Trauben zu Boden neigten.

Ich verliebte mich über beide Ohren.

Hier wollte ich meinen Lebensabend verbringen. 

Unbedingt. 

Autonom leben.

Mit einem Garten, wo ich mein Gemüse anbaue, und einer Ziege, die mir Milch gibt.

Als Selbstversorgerin sozusagen. 

Hier erstand ich auch die Ansichtskarte, die ich nun in meinen Händen halte.

Doch was ist aus diesem Vorhaben, oder besser gesagt, aus diesem Traum geworden.

Nichts. 

Wie eine Seifenblase zerplatzt.

Nun bin ich alt. 

Ängste quälen mich. 

Was ist, wenn ich dort krank werde. Wer wird mich pflegen. Werde ich Freunde finden. 

Lerne ich die Sprache noch auf meine alten Tage.

Obwohl.

Mein Sohn hat seit einiger Zeit eine neue Freundin. 

Anaïs. 

Sie ist Französin. 

Ich habe sie sofort in mein Herz geschlossen. 

Sie ist eine große Bereicherung in meinem Leben. 

Zugänglich, empathisch und sehr sehr lieb. 

Es gibt wenige Menschen, von denen ich soviel Zuneigung erfahre. 

Und….

Ich lerne Französisch. Mit Duolingo.

Damit ich mich in ihrer großen Familie verständigen kann, wenn ich sie an Weihnachten besuche.

Immer noch quält mich die Sehnsucht nach Saint Guilhem les Desert.

Das hört niemals auf.

Werde ich dieses Dorf irgendwann noch einmal wiedersehen?

Oder es wagen, tatsächlich dorthin zu ziehen?

Jetzt stehen die Chancen gut.

Mein Sehnsuchtsort.

Ich komme…..

( © Monika Zelle 09.08.2024 )

Katinka

Katinka

Ich werde ewig leben, mit meinem dicken Panzer, in den ich mich zurückziehen kann, wenn Gefahr mir droht. Nicht so sensibel wie als Erdenmensch.

Immer traurig. Immer ängstlich.

Zärtliche Hände setzen mich in lauwarmes Wasser, damit ich mein Geschäft machen kann.

Es gibt mein Lieblingsessen.

Pflaumen und Weintrauben.

Meistens gibt’s Salat.

Endlich Veganerin.

Ich bin selig in meinem Einsiedlerleben.

Was ist das?

Jemand setzt mich in einen Korb.

Mit ein paar Salatblättern.

Plötzlich bin ich in einem Auto. Ein Mann sitzt am Steuer. Eine Frau neben ihm.

Ist es die Frau mit den zärtlichen Händen?

Manchmal stuppst sie mich mit einem Schuh an.

Ich fühle mich bedroht und fauche…

Was passiert jetzt?

Will man mich aussetzen?

Nach einer Ewigkeit stellt der Mann den Motor ab, und steigt aus.

Die Frau nimmt den Korb.

Ich rieche Wald und Heide, wo bin ich?

Der Mann hat einen Spaten. Will er mich erschlagen? Vielleicht Zerhacken?

Das ist bestimmt nicht einfach.

Nein. Jetzt sticht er eine kleine Fläche ab. Baut ein Drahtgeflecht drumherum.

Ist das für mich?

Die zärtlichen Hände setzen mich auf weiches Moos und Torf.

Ach ist das schön, und die frische Luft!

Die Sonne scheint warm auf meinen Panzer. 

Herrlich.

Jetzt gehen die beiden ins Haus. Emsig laufen sie hin und her.

Schleppen Decken und Kissen heraus.

Ich wühle mich ins Erdreich.

So, wie ich es im Winter mache, wenn ich Winterschlaf halte.

Den ganzen Winter schlafen. Wie herrlich. Niemand stört.

Nur manchmal kommt eine Gießkanne, und befeuchtet den Torf.

Was ist das?

Kein Drahtgeflecht mehr.

Ich wühle weiter.

Komme nach oben.

Setze mich langsam in Bewegung.

Ich kann laufen. Unendlich laufen. 

Wo führt mein Weg mich hin.

Eine Bickbeere fällt auf meine Nase.

Sie schmeckt noch besser als Pflaumen und Weintrauben.

Mein Weg in die Wärme ist weit.

Doch ich werde es schaffen.

Langsam aber sicher.

Bin ich frei?

Ja, ich bin frei.

(© Monika ( Zelle 23.04.2024)

Nastrovje

Nastrovje

Das Wetter auf der Krim ist zur Zeit noch sonnig und warm.

Aber am Horizont ziehen dunkle Wolken auf.

Später wird es regnen.

Das Wochenendhaus liegt hoch am Hang, umgeben von Zypressen.

Gerhard sitzt vor dem Haus auf einer Bank, wie immer, bei einem Glas Rotwein.

Er wartet.

Eigentlich sollte Wladimir schon längst da sein.

Schafft der den Aufstieg wieder nicht, weil er zu viel Wodka intus hat?

Ach, da ist er ja schon.

Die Freunde begrüßen sich mit einer herzlichen Umarmung.

„ Wladimir, schön dass du da bist!“

„ Ja, ich freue mich auch Gerhard, aber ich kann nicht so lange bleiben, sonst verliere ich den Überblick über meine Truppen in der Ukraine.“

„ Ja, darüber wollte ich mit dir sprechen Wladi. Schau mal, Du bist doch ein kluges Kerlchen, warum setzt Du Dich nicht wieder zu diplomatischen Gesprächen mit Olaf und Emmanuell an einen Tisch.

„ Warum sollte ich Gerhard, hast Du nicht mitbekommen, dass Boris jetzt Soldaten ins Baltikum geschickt hat? Was soll ich machen, die Natomitglieder provozieren mich, wo sie nur können.“

„ Wladimir, der Klügere gibt nach. Es geht doch auch um unsere Gaslieferungen nach Europa.

Wir beide verlieren Milliarden!“

„Ich habe da einen Vorschlag Wladi.“

Was hältst Du davon, wenn wir die Krim teilen. Du behältst Deinen Zugang zum schwarzen Meer, und damit zu Europa, und die Ukraine auch.

„ Nein, auf gar keinen Fall. Ich will alles. Ich will die Länder, die einmal zu Russland gehörten alle zurück, einschließlich Polen.

„ Wladimir, das ist Wahnsinn, das wirst Du nie schaffen, dieser Krieg wird eine unendliche Geschichte, und endet im Desaster. Komm, wir trinken erstmal einen Vodka.

Gerhard stellt die Flasche auf den Tisch, und schenkt ein.

„ Nastrovje mein Freund!“

„ Nastrovje Gerhard.“

So Yeon  kommt später noch vorbei, und bringt uns ein Süppchen.

„ Oh, das freut mich Gerhard, dann lerne ich endlich Deine schöne junge Frau kennen!“

Sie trinken weiter.

So Yeon kommt den steilen Hang hoch. Sie trägt einen schweren Rucksack auf ihrem Rücken.

„ Da bist Du ja endlich mein Schatz, wir sind hungrig wie ein Bär!“

Wladimir umarmt So Yeon, und merkt es sofort. Da springt ein Funke über.

Zum Süppchen gibt es reichlich Rotwein. Danach wieder Vodka…

„ Ich mache jetzt mein Mittagsschläfchen mein Schatz.“

„ Ja, Gerhard ruhe Dich nur gut aus, und schlaf schön.“

Wladimirs und So Yeons Blicke treffen sich.

Nach zwei Stunden hat Gerhard seinen Mittagsschlaf beendet.

„ Gerhard, ich habe mir Deinen Vorschlag durch den Kopf gehen lassen. Morgen telefoniere ich mit Olaf und Emmanuell. Bedingung ist aber,  dass sie sofort die Soldaten aus dem Baltikum zurückziehen. 

„ Well done Wladimir, dafür sorge ich!“

Gerhard lehnt sich auf seiner Bank zurück, und steckt sich eine Brasil an.

( © Monika Zelle 10.04.2024 )

Einkaufen ist nichts für Feiglinge

Einkaufen ist nichts für Feiglinge

Ich kaufe Bio. Nur Bio.

Und es ist nicht egal wo.

Niemals bei Lidl oder Aldi & Co.

Niemals.

Ich könnte da zwar auch Bio kaufen. Aber nur 4. Wahl.

Ich kaufe Demeter Lebensmittel.

Nur Demeter.

Nachhaltig. Regional. Saisonal.

Allein die musikalische Untermalung in den Supermärkten.

Verrückt. 

Warum denken Aldi, Lidl & Co eigentlich, dass man die Musik dort mag?

Unerhört…

Fremdbestimmt….

In meinem Biosupermarkt gibt’s keine Musik. Und der Laden ist leer.

Oder sagen wir mal fast leer. Kein Gedränge an der Kasse.

Wunderbar beruhigend.

Dann die Ware. Erste Wahl und immer frisch.

Ich bin glücklich.

Freunde? Fehlanzeige.

Reisen? Passe`.

Kaninchen und Grasfresserin nennt man mich.

Zugegeben.

Bio kaufen ist teuer.

Kann sich nicht jede*jeder leisten.

Aber wenn man sieht, was manche Leute bei Aldi, Lidl & Co so alles in den Einkaufswagen laden, da wird einem übel. Ich kaufe nur, was ich unbedingt brauche. Nicht mehr und nicht  weniger.

Basta!!!

Und wenn man dann auch noch den Vergleich anstellt, Biomöhren von Aldi oder von Demeter, da schmeckt man aber den Unterschied.

Hinzu kommt die Ausbeutung der Belegschaft. Alles Billiglohnempfänger. Arbeiten nicht einmal für ein Ei und Butterbrot, geschweige denn für einen Mindestlohn.

Sklaventreiberei nennt man sowas.

Supermärkte bestimmen die Preise der Erzeuger, und deren Erntehelfer*Helferinnen.

Auch alles Sklaven. Niedriglohnempfänger.

Ihre Unterkünfte aus Pappe und Plastikplanen, von Hygiene ganz zu schweigen.

Und dann verschulden sie sich noch, damit sie in hier überhaupt arbeiten dürfen.

Ihre Arbeitgeber, die Bauern können von ihren Erzeugnissen, sprich ihrer Ernte nicht mehr leben. Erst hat man sie dazu getrieben Massen zu produzieren, sich hoch zu verschulden, und dann lässt man sie mit dem ganzen Schlamassel im Stich. Aldi, Lidl&Co können ihre Waren doch nur so billig verkaufen, weil sie den Bauern und ihren Beschäftigten nur einen Hungerlohn zahlen. Die Bauern pflügen teilweise ihre Erdbeeren unter, und bauen dafür Mais an, weil die Ernte ertragreicher ist. 

Armes Deutschland!! 

Habe ich alles im Fernsehen gesehen. Aber weiß man ja auch, wenn man mit offenen Augen und Ohren durch die Welt geht. Und diese Tragödie spielt sich in allen europäischen Ländern ab.

Und dann sind da noch die LKW-Fahrer*Innen, die die Waren zu den Ausbeutern*Innen fahren. Auch alles Leiharbeiter*Innen. Niedriglohnempfänger, die manchmal mehr als 24 Stunden ununterbrochen auf dem Bock sitzen. Der LKW ist ihre Wohnung.

Und nein ich kaufe bei den Ausbeutern nicht.

Und ja, ich bin lieber eine Körnerfresserin. 

Man gönnt sich ja sonst nichts!

Man ist was man isst, sagt ein Sprichwort.

Und… Weniger ist eben Mehr….

Und by the way, auf die Luftbrötchen der Lieferkettenbäckereien kann man auch verzichten.

Ich kaufe Bio bei Demeter und damit Basta!!!!

( © Monika Zelle 04. April 2024 )

Schwimmen

Schwimmen.

Jeden Tag.

Nach der Arbeit.

Zuerst fährt sie mit dem Bus.

Dann mit der Hochbahn bis Kellinghusenstraße.

Umziehen.

Duschen.

Eiskalt.

Das kühle Nass.

Streichelt ihre Haut.

Sie schaut in die Wolken.

Denkt an ihren Papa.

Schwimmt, schwimmt, schwimmt.

Sich frei frei frei.

Frei sein.

Von düsteren Gedanken.

Sie hält inne.

Am Beckenrand.

Was ist das.

Plötzlich sieht sie ihren Papa.

Am Beckenrand.

Gegenüber.

Er winkt.

Sie schwimmen aufeinander zu.

Kommen sich näher.

Und näher.

Doch dann.

Nur noch ein Schatten.

Und.

Aus.

Sie taucht.

Tief.

Nichts.

Im Wellenbad.

Wellen tragen sie.

Hinauf.

Hinab.

Da!

Papa.

Er lacht.

Winkt.

Wellen tragen ihn.

Zu ihr hin.

Zum Greifen nah.

Doch dann.

Nichts.

Wieder taucht sie ab.

Sieht nur noch einen Schatten.

Papa!

( © Monika Zelle 13.03.2024 )

Das Haus in der Heide

Das Haus in der Heide

„ Willst du mal den Hamburger Michel sehn?“, fragte meine Bruder, und hob mich an meinen Jadekissen mit beiden Händen hoch. Es tat weh, ich dachte, er renkt mir den Hals aus.

Zusammen mit Kalle Schnoor kajolte er mit seinem Moped durch die Straßen von Barmbek.

Einmal durfte ich auf seinem Motorrad mit ihm um den Block fahren. 

In einer Sylvesternacht wurde mein Bruder mit eine Alkoholvergiftung nach Hause gebracht.

Ich war vier Jahre alt, und bangte die ganze Nacht um ihn. 

Mein Bruder, ein Kriegskind, geboren 1935. Bombennächte bestimmten seine Kindheit.

Er schwängerte Erika.

Aus der Traum vom Aufstieg des Autoschlossers zum Autoverkäufer bei Opel Lausse.

Sie zogen bei uns ein.

Die Wochenenden verbrachten meine Eltern und ich auf dem Land meiner Tante Gertrud in der Heide.

Mein Bruder bekam das Land geschenkt. 

Meine Eltern kauften das Land von Onkel Werner.

Mein Bruder wohnte inzwischen mit seiner Familie in der Göhrde.

Eines Tages fuhr er in der Heide mit einem Porsche vor. Wie stolz war ich, mit meinem Bruder eine Spritztour durch den Hamburger Hafen machen zu dürfen. 

Manchmal kam er in Barmbek mit seinem Milchlaster vorbei.

200 g Krabben holte ich bei Fische Loop, und bekam keine einzige davon ab. 

Wir hegten und pflegten sein Land.

Er kam nur auf Stippvisite.

Wenn mein Bruder mit seinem Milchlaster über den Trelder Berg fuhr, wanderten wir schnell hin, um ihn zu treffen, um ihm von unserer Mutter belegte Brötchen zu bringen.

Die Jahre vergingen.

Inzwischen verbrachte ich mit meiner Familie die Wochenenden auf dem Heideland in unserem Heidehaus.

Dann baute mein Bruder für sich und seine Familie ein eigenes kleines Heidehaus auf das Grundstück.

Wir weinten vor Freude.

Die Hoffnung, ihn nun öfter auf seinem Land zu sehen, war groß. 

1972 starb unser Vater. Wie oft hatte er meinen Bruder ermahnt, was das Heidegrundstück betraf:“ Denke an Deine Schwester!“

Wie oft habe ich mit meinem Bruder darüber gesprochen, mir Land zu überschreiben, oder doch meinen Niesbrauch, von ihm handschriftlich verfasst, im Grundbuch zu verankern.

Als wir einmal am Telefon darüber sprachen, sagte er nur:“ Da kannst Du Dir eigentlich nur den Arsch mit abwischen!“ 

Telefonierten wir sonst oft und lange, hatte wir dieselben politischen Ansichten.

Er erzählte mir von dem Belagerungszustand durch die Atommülltransporte nach Gorleben, direkt an seinem Grundstück vorbei, das an der betroffenen Bahnlinie lag. Hubschrauber Tag und Nacht. Das ist wie im Krieg, sagte er immer….

Als unsere Mutter ein Pflegefall wurde, betreute ich sie in Hamburg.

Mein Bruder und seine Frau kamen nur zu ihrem Geburtstag und zum Muttertag zu Besuch.

Sie beschwerten sich dann, dass die Wohnung unserer Mutter nicht sauber genug wäre, und das Grab unseres Vaters verwildert sei.

Dann starb unsere Mutter. 

Mein Mann und ich verbrachten wieder mehr Zeit auf dem Heideland, waren aber auch unterwegs mit unserem Bulli in der Weltgeschichte, was meinem Bruder missfiel.  Als unser Sohn mit seiner Freundin ein Wochenende in unserem Heidehaus verbrachte, rief er uns an und sagte, da wären Einbrecher in unserem und seinem Haus….

So mit der Zeit vergraulte man uns von dem Land. Eines Tages räumten wir mit unseren Kindern und Schwiegerkindern das Heidehaus aus, und somit das Feld. 

Als wir später einmal im Cafe Schafstall im Büsenbachtal zum Mittagessen waren, unternahmen mein Mann und ich eine kleine Wanderung zu dem Heideland. Die Gartenpforte war mit Ketten und Schlössern gesichert. Auf dem Schild an der einen Pforte stand der Name „ Speck“. Auf der anderen Pforte noch mein Mädchenname „ Klein“. Fassungslos standen wir da…. Ein Anwalt wurde konsultiert. Mein Niesbrauch war ja nicht im Grundbuch eingetragen…..

Mein Bruder hatte das Land, und unser Heidehaus einfach verkauft, ohne uns davon in Kenntnis zu setzen.

Als ich ihn in einem Brief um eine Erklärung bat, ließ er mir durch seinen Rechtsanwalt verbieten, ihm zu schreiben. 

Ich habe meinen Bruder nie wieder gesehen. Ich weiß nicht mal, ob er noch lebt. Er wäre jetzt 88 Jahre alt……..

Ganz selten verirren wir uns noch mal zum Land. Meine Sehnsucht ist einfach zu groß.

Die Natur hat es sich zurückgeholt.  

( © Monika Zelle 06.03.2024 )

Nur Steine leben lang

Nur Steine leben lang

Männern wird die Eigenschaft Jäger und Sammler zugesprochen.

Ich bin Jägerin und Sammlerin von Büchern und Schreibgeräten, und vieler anderer Dinge.

Lesen und Schreiben ist von Kindheit an mein Lebenselixier.

Meine Regale ächzen unter dem Gewicht der Bücher, meine Schreibgeräte drängeln sich in zahlreichen Bechern….und immer kommen noch neue hinzu. Trage ich Taschen von Büchern zu Jack un Büx, denke, ich hätte mich befreit, und eine Erinnerung an sie sei nicht möglich, erinnere ich mich doch an jedes einzelne von ihnen, ihres Titels und ihre Handlung.

Dann kommt auch die Erinnerung an die Bücher in der Heide von Heinrich Heine, Erich Kästner, Bertholt  Brecht, Wolfgang Borchert und viele andere, die dort von meinen Eltern vor den Nazis  vergraben wurden, um sie vor der Verbrennung zu retten. Wir fanden sie nie wieder.

Ein ganzes Regal ist gefüllt mit Kinderbüchern.

Es könnte sich ja mal ein Kind bei mir verirren. Ein Nachbarskind hat schon den Weg zu mir gefunden. Nori. Ich lese ihr dann aus den Kinderbüchern meiner Enkelin vor. 

Meine zweite Leidenschaft sind Fotos. Augenblicksmomente längst vergangener Zeiten. 

Oder Seifen aus vielen Ländern dieser Welt. Alle meine Kinder bringen mir Seifen oder Geschirrtücher von ihren Reisen mit. Auch Steine von den Stränden der Meere.

Steine mit Loch von dänischen Stränden, aufgereiht auf ein Band an der Brüstung meines Balkons.

Riesige Kiefernzapfen von der Ile de Oleron, von einem der vielen Frankreichurlaube.

Nun hat mein Sohn seine große Liebe gefunden. Anaïs, eine Französin, die mir auch Seife aus Frankreich schenkte. Lavendelseife, meine Lieblingsseife.

Der Sekretär meiner Mutter aus Mahagoniholz, mit Liebesbriefen aus Paris von Marcel. Marcel war von den Nazis interniert in Trebbin, einem kleinen Ort südlich von Berlin.

Die große Liebe meiner Mutter.

„ Du bist so eine saubere Frau“, schrieb er in einem Brief in perfektem Deutsch. Auch meine Mutter liebte Seife.

Da ist ja noch der Bulli, ein Oldtimer Baujahr 1977, liebevoll restauriert von meinem Sohn, schnurrt er immer noch durch die Welt. Sein Herz hört noch nicht auf zu schlagen, genau wie meines. 

Dias der Urlaube in Frankreich mit dem Bulli. Vergilbt bis zur Unkenntlichkeit

Das Teeservice von Tante Luise. Wie lange habe ich nicht aus diesen braunen, schicken Tassen getrunken. Tante Luise, eine meiner Bestmütter, die mir zeigte, dass Kinder auch ohne Schläge groß werden.

Das Essservice von Tante Erna mit englischen Motiven. Nie esse ich von den Tellern, außer es kommt Besuch, der im Alter immer seltener wird.

Tante Erna, auch eine meiner Bestmütter, von der ich immer dachte, sie wäre meine Mutter.

Eine meiner Freundinnen aus der Gruppe im Michel Treff besuchte mich am letzten Sonntag.

Sie konnte sich nicht sattsehen an den vielen von mir gesammelten Gegenständen. Auch die vielen Bilder an den Wänden ließen sie nicht los.

Hier ist es wie in einem Museum, sagte sie.

Na ja, wir gehören ja auch schon fast ins Museum, antwortete ich.

Nur Kleider, von denen trenne ich mich leicht, damit wieder neue meinen Kleiderschrank schmücken.

( © Monika Zelle  27. 02.2024 )

Love me tender

Love me tender

Es war endlich soweit. Heute wollte Dieter mich in der Heide besuchen.

Beschwingt fuhr ich mit meinem roten Fahrrad den Heideweg hinunter. Jedes, mir wie im Schlaf bekannte Schlagloch umfahrend, kam ich vergnügt am Bahnhof an.

Mein geliebter Bahnhof Holm-Seppensen.

Ich schaute auf die Bahnhofsuhr. Ach, da hatte ich ja noch eine Menge Zeit, bis der Triebwagen ankommen sollte.

Ich dachte an Tante Gertrud. Wenn mein Cousin und ich mit ihr nach Hamburg fuhren, kaufte sie beim Kolonialwarenhändler Lorenz Brötchen, Butter und Leberwurst. Sie hatte immer ein kleines silbernes Messer dabei. Während wir auf den Triebwagen nach Buchholz warteten, verzehrten wir genüsslich die frischen Leberwurstbrötchen und waren selig.  Während ich so sinnierte, erklang das laute Horn des Schrankenwärters. Jetzt müsste der kleine Zug gleich da sein. Laut hupend passierte er den Bahnübergang. Aufgeregt sprang ich von einem Bein auf das andere. Als die rot-gelbe Bahn, mit nur einer Handvoll Fahrgästen darin, endlich anhielt, sprang Dieter hinaus auf den Bahnsteig. Seine Elvistolle machte einen Hüpfer. Eine Tasche über die eine Schulter, und seine Gitarre über die andere gehängt stand er da.  Ich lief auf ihn zu. Ein bisschen ungelenk umarmten wir uns. 

Mein Fahrrad auf der einen Seite und Dieter auf der anderen, liefen wir zurück zu dem Heidegrundstück meiner Eltern. Die Sonne strahlte vom Himmel, wir strahlten uns an.

Der Heideweg schlängelte sich 3 Kilometer durch den Wald. Dieter schob mein Fahrrad, an die er seine Tasche gehängt hatte. Ich trug seine Gitarre.

Meine Eltern standen schon vor dem Tor des Grundstücks, und begrüßten Dieter herzlich.

Die Kaffeetafel war gedeckt. Wir wollten aber lieber gleich einen Spaziergang zum Katzenberg machen.  Meine Mutter schaute verschnupft. Mein Vater sagte:“ Der Kuchen kann warten!“ 

Der Katzenberg auch. Wir suchten uns ein verstecktes Plätzchen mitten im Wald, und sanken ins weiche Zittergras. Zärtlich nahm Dieter mich in den Arm und küsste mich lange. Dann nahm er seine Gitarre, und spielt „ Love me tender“, nur für mich. „ Ich liebe Dich“ flüsterte er mir ins Ohr, und streichelte mir übers Haar.

„ Ich Dich auch!“, hauchte ich. Dort lagen wir nun Arm in Arm, zwei blutjunge Menschen, einmal zusammen zu Zweit. Plötzlich hörten wir ein Knacken. Ein Reh trat aus dem Schatten eines Busches, sah uns mit seinen großen braunen Augen an, und schon war es wieder im Dickicht verschwunden. 

„ Wie Deine Augen!“, flüsterte Dieter, „die schönsten Augen, die ich kenne.“

Die Sonne hatte sich inzwischen hinter dunklen Wolken versteckt. Die Luft war schwül und warm. Dann goss es in Strömen. Wir bemerkten es kaum. Vorsichtig suchten sich die Sonnenstrahlen erneut einen Weg durch den Blätterwald. Es mussten Stunden vergangen sein, bis wir am Kaffeetisch saßen, ziemlich durchnässt, aber glücklich.

Nun stand ich hier vor dem Heidegrundstück, schaute über den Zaun, und dachte an Dieter.

Wie wäre es wohl gewesen, wenn wir uns hier ein Häuschen gebaut hätten. In der Ferne Kinderlachen. Ich sah hinauf in die Kiefern, die sich leise dem Wind beugten. Ich hörte ein Knacken.

Ein Reh trat auf die Lichtung, schaute mich mit seinen großen braunen Augen an, und verschwand wieder im Dickicht. Die Blätter säuselten im Wind. Sie flüsterten:“ Wie Deine Augen, die schönsten Augen, die ich kenne.

Ich warf noch einen Blick zurück, wanderte langsam und vorsichtig, jedes mir bekannte Schlagloch umgehend, den Heideweg hinunter ins Dorf zu dem kleinen Bahnhof, der wie eh und je dastand, und auf seine Fahrgäste wartete.

Lorenz gibt es immer noch, als Supermarkt.

Ich kaufte mir ein Brötchen, etwas Butter und Leberwurst.

Während ich auf den jetzt rot-grauen Triebwagen wartete, verzehrte ich es, und dachte

an Tante Gertrud. 

( © Monika Zelle 20.02.2024 )

Das Kind in mir

Das Kind in mir…..

„ Einmal möcht ich wieder Kind sein, nur für einen Tag……

Nein, nicht einmal für einen Tag….

Wenn ich an das Kind, das ich einmal war denke, füllen sich meine Augen mit Tränen.

Das Kind in mir muss Heimat finden.

Mein Kind in mir hat noch keine Heimat gefunden. 

Ich möchte niemals wieder das Kind von früher sein.

Oder doch? 

Ich spüre in mich hinein und fühle, dass ja nicht alles schlecht war.

Zum Beispiel die wunderbaren Ferien in der Lüneburger Heide.

Und die erlebte Zeit mit meinem Vater. Die Wanderungen.

Welches Kind wäre ich denn gern gewesen?

Ich spüre wieder in mich hinein.

Den ganzen Tag draußen spielen.

Marmeln, die Meyersche Brücke, Fischer Fischer wie tief ist das Wasser.

Klingelstreiche, verstecken und kriegen spielen, und Länderklaun.

Länderklaun oder auch Messerstech ? Eigentlich bin ich doch Pazifistin.

Früher war das aber mein Lieblingsspiel.

Das gefühlte Kind in mir möchte tanzen und singen den ganzen Tag.

Einen Tapetenwechsel. Einfach loswandern, so weit die Füße tragen.

Mit einem Rucksack voller Dinge, die ich gerade so tragen kann, auf einem Weg, der mich in unbekannte Welten führt… Auf zu neuen Ufern.

Ich träume mich hinein in diese neue Welt, kann gar nicht aufhören zu schwärmen.

Ich spüre Sand unter meinen Füßen.

Ist es Wüstensand? Oder ein Sandstrand? 

Da…. da ist das Meer.

Mein geliebtes Meer. Ich tauche ein, immer weiter und weiter….

Das Telefon klingelt.

Es ist meine Enkelin.

Wenn sie anruft, erwacht das Kind in mir, wenn auch nur für eine Stunde, in der sie Lena ist und ich Moritz. 

Das Spiel beginnt. 

( © Monika Zelle 08.02.2024 )