Zauberin Erinnerung
Langsam steige ich die Stufen zur Wohnung hoch.
Schließe die Tür auf.
Mama.
Da sitzt sie.
Mal wieder vor der Glotze.
Ich stelle das Gerät aus.
Wütend schaut sie mich an.
Zeigt mit ihrem Finger auf die Küche.
„ Da ist jemand, schon den ganzen Tag!“
Ich gehe in die Küche.
Schaue nach.
„ Nein, Mama, da ist niemand.“
„ Doch, habe ich genau gesehen!“
Ich hole den Fotokasten aus Rosenholz.
Wir setzen uns zusammen auf das Sofa.
Schauen uns die Fotos an.
Plötzlich wird Mama unruhig.
Zeigt aufgeregt auf ein Foto.
Reißt es mir aus der Hand.
Ihre Finger zittern.
Quelle, flüstert Mama.
Büsenbachtal.
Katzenberg.
Bruno.
Ihre Augen strahlen.
Viele Worte auf einmal strömen aus ihr heraus.
Aus dem Mund, der sonst keine Worte mehr findet.
„ Heide“, antworte ich.
Mit großen Augen schaut Mama mich an.
Tränen laufen über ihre Wangen.
Ich nehme sie in den Arm.
„ Bruno“, flüstert Mama noch einmal.
Dann fallen ihre Augen zu.
Langsam stehe ich vom Sofa auf.
Lege ihre Beine hoch.
Decke sie mit ihrer Lieblingswolldecke zu.
Bleibe bei ihr.
Als sie wieder erwacht schnauzt sie mich fast wütend an:
„ Du hast mir noch gar kein Frühstück gemacht!“
Es ist nachmittags um vier.
( © Monika Zelle 28.04.2020 )