Ich liebte es, im Zittergras zu liegen.
Meinen Träumen nachzuhängen.
Die Wipfel der Kiefern auf unserem Heideland spendeten mir Schatten, und versprühten ihren Duft.
Aus unserem schmucken Holzhaus roch es nach Königsberger Klopsen.
Gleich würde es Mittagessen geben.
Schritte auf dem Weg.
Ich richtete mich auf und sah, dass mein Vater mit einem Topf in den Händen zur Pforte lief.
Wo ging er hin?
Die Neugier ließ mich nicht los.
Ich folgte ihm.
Ich sah, wie er am Ende des Weges auf einem verwilderten Grundstück verschwand.
Was wollte er dort?
Mit dem Topf.
Ich schlich hinterher, und versteckte mich im Dickicht.
Mein Vater reichte den Topf einer ihm entgegen gestreckten Hand.
Als er wieder nach Hause ging, näherte ich mich der geheimnisvollen Stelle.
In einem Kellerloch sah ich ein sehr verschmutztes Fenster, mit Spinnweben verdeckt.
Hinter dem Fenster ein Holztisch, davor zwei Stühle.
Auf dem Tisch zwei Teller, und Besteck.
War da nicht eben ein Schatten?
Ich kniete mich hin, und beuge mich tief hinunter, entfernte die Spinnweben, um näher an das Fenster zu kommen.
Nichts zu sehen.
Plötzlich hörte ich leise jiddische Gesänge einer Frau.
Sie hatte eine wunderschöne tiefe Stimme.
Ich kannte das Lied.
Meine Eltern haben es oft gesungen.
Ich richtete mich wieder auf.
Junge Birken hatten sich auf dem grasbedeckten Dach über der unterirdischen Wohnung selbst gesät.
Jeden Tag folgte ich meinem Vater nun.
Dann entdeckte er mich.
Traurig schaute er mich an.
Dann sagte er:
„ Hier wohnen Herr und Frau Winterberg, sie verstecken sich, weil sie denken, dass der Verrückte noch immer an der Macht ist, und sein Unwesen treibt.
„ Der Verrückte?, fragte ich, „ wer ist das?“
„ Na, dieser Hitler!“
Du darfst es niemandem verraten, dass die Leute sich hier verstecken.
Ich versprach es.
Von nun an begleitete ich meinen Vater jeden Tag, bekam die Winterbergs aber nicht zu Gesicht.
Sie hatten Angst.
Auch vor mir.
Sie haben ihre Kellerwohnung nie wieder verlassen.
( copyright Monika Zelle 09. Oktober 2017)