Head Office

1962

Ich saß im Sessel in der Stube unserer 2 ½ Zimmer- Wohnung in Barmbek, vor mir ein kleiner gepackter Koffer.

Eine schwere Sturmflut tobte in und um Hamburg herum.

Die Evakuierung der Bevölkerung aus der Luft wurde

Zu einer Bewährungsprobe für die politischen und gesellschaftlichen Institutionen. Die Elbdeiche brachen und ein Sechstel des Stadtgebiets vor allem südlich der Elbe in Wilhelmsburg und den angrenzenden Stadtteilen wurde überschwemmt. Über 300 Menschen verloren dabei ihr Leben, viele weitere wurden von den Helfern ziviler Hilfsorganisationen, der Bundeswehr und ausländischer NATO-Einheiten gerettet, was dem damaligen Innensenator Helmut Schmidt zu verdanken war.  Nach der Katastrophe baute man die Deiche im Stadtgebiet und entlang der gesamten Unterelbe aus. Die Überlebenden wurden teilweise in andere Stadtbezirke umgesiedelt.

Die sechziger Jahre waren für Hamburg aber auch eine Zeit des Optimismus, politischer Stabilität und wirtschaftlicher Blüte, in der innerstädtische soziale Konflikte und Finanzprobleme im Vergleich zu den nachfolgenden Jahrzehnten eine deutlich geringere Rolle spielten. Der Wideraufbau der Stadt nach Ende des 2. Weltkrieges wurde offiziell erst im Mai 1965 mit einer Feierstunde im Rathaus abgeschlossen. 

Zu dieser Zeit beendete ich erfolgreich die höhere Handelsschule. Die Direktoren der Banken, Versicherungen, Behörden und anderen kaufmännischen Betrieben scharrten schon mit den Hufen, um die sehr gut kaufmännisch ausgebildeten Schülerinnen und Schüler für sich zu gewinnen.

Ein Mitschüler in meiner Klasse fragte mich, ob ich mich bei seinem Vater in der englischen Bank „ The Standard Bank Ltd.“ vorstellen wolle.

Der Personalchef Mr. Field, ein kleiner, schlanker, sehr sympathischer Engländer, empfing mich in seinem kleinen Büro mit Blick auf die Alster. Meine Zeugnisse interessierten ihn nicht. Er sagte:“ In einem halben Jahr wissen wir was sie leisten können Fräulein Klein!“  Er unterhielt sich noch ein bisschen auf Englisch mit mir. Es war ein Donnerstag. Am Montag

Sollte ich meine kaufmännische Lehre beginnen. 

Am 28. Mai 1965, Sonnenuntergangszeit kam Königin Elizabeth die II. aus England in die Hansestadt Hamburg. Queen Elizabeth und Prinz Philipp stehen an der Reling der königlichen Jacht „Britannia“ im Hamburger Hafen und winken hoheitsvoll. Die Queen trägt ein funkelndes Diadem und eine schneeweiße Pelzstola. Eine Königin wie aus dem Märchen, finden die Hamburger, die sich zu Zehntausenden an der Elbe versammelt haben. Sie erleben eine eindrucksvolle Flaggenparade am letzten Tag des „Staatsbesuchs des Jahrhunderts“.

Auch wir, alle Angestellten unserer Bank standen an den offenen Fenstern zum Jungfernstieg und jubelten ihr zu, als sie in einer offenen Staatskarosse an uns vorbei fuhr.

Leider überschattete ein Ereignis den Besuch der Queen. Unser damaliger Bürgermeister Paul Nevermann hat die Königin nicht in Begleitung seiner Frau empfangen. Sie hatten Eheprobleme, und seine Frau hat das Treffen kurz vorher abgesagt. Ein Skandal!!

The Standard Bank Ltd. hatte Filialen Teilen ganz Afrikas. Eines Tages kam ein Trainee namens Barbara aus Johannesburg zu uns in die Hamburger Filiale. Ich freundete mich mit ihr an. Schon länger spielte ich mit dem Gedanken nach Johannesburg, Pretoria oder Kapstadt in South Africa zu gehen. Auch die Filialen in Nairobi/ Kenya, East Africa oder Windhoek/ West Africa, das heutige Namibia, interessierten mich sehr.  Als Barbara mir dann berichtet, dass Weiße nicht mit Schwarzen auf einer Bank sitzen oder im Bus fahren, geschweige denn mit ihnen sprechen dürfen, war für mich die Sache erledigt.

In politischer Hinsicht überschlugen sich die Ereignisse in Hamburg, wobei meine Eltern immer noch mit der Bewältigung des Hitlerkrieges und der Judenverfolgung beschäftigt waren. Ein Trauma, das sich sogar in den Nachkriegskindern und deren Kinder noch verfestigt hatte.

In der zweiten Hälfte der sechziger Jahre veränderten die Studentenbewegung und die Entstehung einer bundesweit aktiven „Außerparlamentarischen Opposition“ das politische Klima auch in Hamburg. So kam es im Juni 1967 anlässlich des Besuchs des autoritär regierenden Schahs von Persien, ähnlich wie zuvor in Westberlin zu Protesten und gewalttätigen Ausschreitungen. Während dieser Ausschreitung wurde am 02. Juni 1967 der Student und Pazifist Benno Ohnesorg erschossen. Am 9. November 1967 störten Studierende in der Universität die Rektoratsübergabe. Sie forderten Reformen und mehr Demokratie im Bildungswesen. Wenige Monate später kam es in Hamburg zu schweren Auseinandersetzungen mit der Polizei, als sich die Empörung der Studierenden nach dem Mordanschlag auf den Berliner APO-Führer Rudi Dutschke gegen den konservativen Springer-Konzern und die BILD-Zeitung richtete. Jüngere Hamburger Spitzenpolitiker wie Helmut Schmidt hatten sich lange um den Dialog mit den Protestierenden bemüht, ältere wie Bürgermeister Weichmann sahen die Entwicklung dagegen kritisch und mit Sorge.

Mit dem in den 1960iger Jahren modernen Minirock bekleidet, nahm ich an den Demonstrationen natürlich teil. In der Bank war der Minirock verpönt. Wir Frauen durften nur im Kostüm zur Arbeit kommen. Frauen mussten bis 1972 ihre Männer sogar noch um Erlaubnis bitten, wenn sie eine Arbeitsstelle antreten wollten. 

Aber nicht nur die Demonstrationen beherrschten mein Leben, zu dieser Zeit ging ich fast jedes Wochenende in den Starclub, um die Beatles zu bewundern, und zu ihrer Musik zu tanzen.The Beatles  war eine aus Liverpool stammende britische Beat-Rock- und PopBand in den 1960er Jahren. Mit mehr als 600 Millionen[1] – nach Schätzungen ihrer Plattenfirma EMI sogar mehr als einer Milliarde[2] – verkauften Tonträgern ist sie die erfolgreichste Band der Musikgeschichte.

Es war eine Wilde Zeit damals, an die ich mich gerne zurückerinnere.

( © Monika Zelle 10.10.2023 )

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