Nackt

Nackt.

Laut schreiend stürzte sie sich splitterfasernackt in die Fluten der Ostsee auf der Insel Als am Damm der Verbindung zu der Insel Kaegnes, von Adolf Hitler im 2. Weltkrieg erbaut, Autokrat, Diktator, Vegetarier, seine Parolen schreiend vor seinem Rednerpult, neben ihm sein Propagandaminister Josef Goebbels, Halbjude, Wortjongleur, der die Massen in seinen Bann zog wie kein Anderer, mit 6 Millionen Juden auf dem Gewissen.

Prustend, mit schnellen Zügen schwamm sie weit hinaus, die Wellen streichelten ihre weiche Haut, der 2. Weltkrieg gehörte längst der Vergangenheit an, an dem ihre Eltern, drei Mal in Hamburg ausgebombt fast zerbrochen wären, ihre Eltern, die sich nie schämten, nackt durch die Wohnung zu laufen, mit ihr zusammen zu duschen, was sie dann lauthals auf dem Hof der Frau Reifegerste kundtat, die staunend an ihrem offenen Parterrefenster stand, die dann abends gestikulierend ihrem Vater mit einer Anzeige drohte.

Freizügig sein, freigeistig, sich nackig machen, das hatte sie auch ihren beiden Kindern vorgelebt.

Schwer atmend schwamm sie weiter, immer weiter hinaus zum Horizont, der Sonne entgegen, immer in Gedanken bei ihren Eltern, wie diese laut lachend mit ihren sonnengebräunten Körpern nackend auf ihrem Heideland, drei Kilometer vom Dorf entfernt, im dichten Kiefernwald Verstecken und Kriegen spielten, dort wo sie in den 1930iger Jahren Bücher von Heine, Kästner und Bert Brecht Bücher in einer Eisenkiste vergruben, die sie nie wieder fanden.

In der Ferne sah sie ihren Mann am Strand spazierend, bekleidet mit T-Shirt und Schorts, an den Füßen weiße Socken, die in Sandalen steckten, Füße, die niemals den feinen Sand des Ostseestrandes zu spüren bekämen….

Aber er hatte ihr hoch-und heilig versprochen, wenn sie stirbt, und nicht mehr nackend in der Ostsee schwimmen konnte, ihre Urne genau an diesem besagten Damm zu bringen, um ihre Asche hier ins Meer zu streuen, genau hier.

In der Ferne sah sie ihren Bulli an der Steilküste stehen, grün mit weißem Dach, ein Oldtimer aus den 1970iger Jahren, den sie hoffentlich bald gegen ein Tinyhouse eintauschen konnte. 

Herr Sörensen, der Inhaber des Campingplatzes, hatte schon ein kleines Areal für sie reserviert. 

Ihr Blick ging abermals zur Steilküste, auf der sie sehr bald nackt, von der Sonne gestreichelt,

vor ihrem Tinyhouse sitzend, auf das Meer schauen würde. 

Das Leben ist schön.

( © Monika Zelle  01.04.2025 )

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