Mein Sehnsuchtsort
Immer wenn ich meinen Bücherschrank öffne, auf der Suche nach einem bestimmten Buch, segeln mir einige Ansichtskarten entgegen.
Ich hebe eine auf, und betrachte sie eingehend. Ich weiß natürlich sofort wo sich dieses mittelalterliche Dorf im Süden Frankreichs befindet, und wie es heißt.
Saint Guilhem le Desert.
Ein verwunschener Ort des Gorges de L`Herault im Department Languedoc der Region Okzitanien, in den Cevennen. Ein Ort „ Plus beaux Villages de France…UNESCO Weltnaturerbe.
Ich entdeckte ihn, als ich nach einem erfrischenden Bad in dem glasklaren Wasser des L`Herault die Gegend erkundete.
Es war wie im Märchen, als ich durch die Gassen dieses Ortes lief.
An jeder Ecke ein kleiner Handwerksbetrieb, meistens Töpfereien, mit Menschen, schon ziemlich betagt, oft bärtig oder langhaarig, aber auch Jüngere, und natürlich Frauen, die geschäftig ihrer Arbeit nachgingen.
Überall Gemüse oder Blumengärten, in denen fleißig geackert wurde.
Der Duft von Thymian, Majoran Basilikum und Myrte aus den Kräutergärten wehte mir entgegen. Lavendelbüsche und Mimosen entführten meine Sinne in die wunderbare Welt der Düfte.
An den Hängen Weinreben, die sich von der Schwere der Trauben zu Boden neigten.
Ich verliebte mich über beide Ohren.
Hier wollte ich meinen Lebensabend verbringen.
Unbedingt.
Autonom leben.
Mit einem Garten, wo ich mein Gemüse anbaue, und einer Ziege, die mir Milch gibt.
Als Selbstversorgerin sozusagen.
Hier erstand ich auch die Ansichtskarte, die ich nun in meinen Händen halte.
Doch was ist aus diesem Vorhaben, oder besser gesagt, aus diesem Traum geworden.
Nichts.
Wie eine Seifenblase zerplatzt.
Nun bin ich alt.
Ängste quälen mich.
Was ist, wenn ich dort krank werde. Wer wird mich pflegen. Werde ich Freunde finden.
Lerne ich die Sprache noch auf meine alten Tage.
Obwohl.
Mein Sohn hat seit einiger Zeit eine neue Freundin.
Anaïs.
Sie ist Französin.
Ich habe sie sofort in mein Herz geschlossen.
Sie ist eine große Bereicherung in meinem Leben.
Zugänglich, empathisch und sehr sehr lieb.
Es gibt wenige Menschen, von denen ich soviel Zuneigung erfahre.
Und….
Ich lerne Französisch. Mit Duolingo.
Damit ich mich in ihrer großen Familie verständigen kann, wenn ich sie an Weihnachten besuche.
Immer noch quält mich die Sehnsucht nach Saint Guilhem les Desert.
Das hört niemals auf.
Werde ich dieses Dorf irgendwann noch einmal wiedersehen?
Oder es wagen, tatsächlich dorthin zu ziehen?
Jetzt stehen die Chancen gut.
Mein Sehnsuchtsort.
Ich komme…..
( © Monika Zelle 09.08.2024 )