Mit 17 hat man noch Träume…
Freddy Quinn schimpft auf die Gammler, die Rolling Stones erobern Berlin, und der Judenhass hat immer noch ein Gesicht in Deutschland.
Und wer war sie, eine 17 jährige, die gerade eine Banklehre machte, Freddy Quinn sehr mochte, die Rolling Stones aber auch. Vor allem natürlich die Beatles.
An den Wochenenden tanzte sie wild im Starclub. Meistens wollten die Türsteher sie nicht reinlassen, sie wirkte noch wie ein Kind, das Geburtsdatum im Ausweis zeigte ihr wahres Alter…
5 DM für eine Cola den ganzen Abend musste reichen. Am besten gleich austrinken, belehrte der Vater, der sie und ihre Freundin mit seinem VW Käfer auf den Kiez brachte und wieder abholte. LSD war in dieser Zeit im Umlauf.
Die Freundin wurde immer sofort zum Tanzen aufgefordert, mit ihrer hochtoupierten Frisur und ihrem stämmigen Körper sah sie viel älter aus. Zudem war sie auch noch sehr groß.
Der Freund des Mädchens, mit dem sie ihr erstes sexuelles, unspektakuläres Erlebnis hatte, durfte nicht in den Starclub.
Eines Tages holte er sie unaufgefordert von ihrer Arbeit ab, nahm sie bei der Hand und zog sie über den Jungfernstieg auf den Alsterdampfer.
Es war herrlichstes Sommerwetter. Auf der Fahrt zur Saarlandstraße eröffnete er ihr, dass nun Schluss wäre, weil er eine Andere hätte. Wie konnte das sein, hatte er ihr doch gerade zu ihrem 17. Geburtstag 17 rote Rosen geschenkt. Seine Mutter war Blumenbinderin.
Von der Saarlandstraße liefen sie schweigend durch die von Mietskasernen gesäumten Straßen nach Hause. Noch ein Kuss vor der Haustür, und das wars.
Wie in Trance lief sie die Treppen in die 3. Etage hoch. Es roch nach Sauerkraut und dem Schweiß von Frau Mulsow, die wohl gerade das Treppenhaus geputzt hatte. Was war passiert. Wie sollte sie damit umgehen. Immerhin waren sie seit 3 Jahren zusammen.
Ihre Mutter schaute argwöhnisch mit ihren bösen blauen Augen, als sie in den engen Flur der kleinen Wohnung trat. Ihren Tränen schenkte sie keine Beachtung.
In ihrem kleinen Durchgangszimmer musste sie daran denken, als ihre Mutter zu ihr sagte:
„ Das hast Du jetzt alle 4 Wochen, dafür müssen die Männer sich jeden Tag rasieren!“, in dem sie ihr eine Packung Damenbinden reichte.
Ihre Mutter, die sie mit 4 Jahren in ein Kindererholungsheim schickte, wo sie sich nach jedem Essen übergab, weil einfach zu viel Essen auf dem Teller war. Sie sollte ja zunehmen.
Eine Mutter, die ihre Tochter noch zum Vorstellungsgespräch bei der englischen Bank begleitete, ihrer Tochter nie etwas zutraute. „ Das kann das Mädchen nicht“, war ihr Slogan…. Die jeden Tag, wenn sie nach Hause kam, am Bügelbrett stand, und Coca Cola trank.
Dann die Zeit, als ihr Bruder mit Frau und Kind in die Wohnung einzog, und sie die Prüfungen zur höheren Schule nicht bestand, weil es keine ruhige Minute gab. Das Kind schrie oft die ganze Nacht….
Zu dem Wochenendhaus in die Heide fuhr das Mädchen schon lange nicht mehr mit.
Nach der Trennung von ihrem Freund ging das Leben für sie erst richtig los.
Sie traf Männer, die ihr zeigten, dass man auch zärtlich mit einem Frauenkörper umgehen konnte. Rauf und runter dudelte ihr Plattenspieler das Lied der Single von Peggy March „ Mit 17 hat man noch Träume, da wachsen noch alle Bäume in den Himmel der Liebe.
Nach Beendigung ihre Lehre bei der Bank, reiste das Mädchen zum ersten Mal mit ihrer Freundin nach Italien. Endlich verdiente sie richtiges Geld…..
Als erstes ließ sie in ihrem Elternhaus ein Telefon legen…
( © Monika Zelle 16.10.2024 )