Apschiet

Mein Freund Klaus

Meinen Freund Klaus hatte ich zuletzt bei einer Demonstration im Soninsaal des Michels gesehen.

Mit einer Stadtteilinitiative kämpften wir gerade dafür, dass nicht noch ein Verlagshaus in unser Viertel „Südliche Neustadt“, geklotzt wurde. Der Spiegelverlag wollte direkt an die Ludwig-Erhard-Straße ein großes Verlagsgebäude errichten lassen.

Hatte doch Henri Nannen mit seinem Verlag Gruner und Jahr vor noch nicht so langer Zeit ein riesiges Verlagshaus am Hafen bauen lassen. Ein großer Abenteuerspielplatz und sehr viele sehr alte Platanen mussten dem Haus weichen. Zurück blieb ein klitzekleiner Spielplatz über einer Tiefgarage mit Schaukel, Wippe, Rutsche und Karussell für Kleinkinder. Eine uralte Platane am Anfang meiner Straße fiel einem Glashaus als Eingang der Tiefgarage zum Opfer. Eines Morgens, als ich zur Arbeit ging, lag der Baum gefällt auf dem Weg, die Bank, die ihn rundherum schmückte, und auf der die Menschen unseres Viertels gerne verweilten, unter ihm begraben.

Sofort erklang das traurige Lied von Alexandra „ Mein Freund der Baum“ in mir.

Mit großer Unterstützung unseres Hauptpastors, der freie Blick von St. Pauli auf unseren  „Michel“ war nicht mehr gewährleistet,  erreichten wir das scheinbar Unmögliche.

Klaus war der Kopf unserer INI, und Herausgeber der Zeitschrift „ Apschiet“.

Er formulierte die Artikel auf Hochdeutsch, ich auf Plattdeutsch.

Wir hatten es in der INI so beschlossen, weil sehr viele Hafenarbeiter in unserem Viertel wohnten, die nur „ Platt“ snackten.

Klaus ärgerte sich darüber, dass er unsere Muttersprachen nicht verstand. Ich musste ihm den Text übersetzen, sonst wurde der Apschiet nicht gedruckt. 

Dann war mein Freund Klaus wieder für Jahre in Guatemala abgetaucht, um den Regenwald zu retten.

Ich hatte einen Schlüssel für seine Wohnung, und schickte ihm jede Woche per E-Mail die Post. 

Eines Tages kam er zurück nach Hamburg und seiner INI. Wir freuten uns auf ihn, und verabredeten uns im „ Tämers“ auf dem Großneumarkt.

Braungebrannt, ziemlich verwegen, betrat er das Weinlokal.

Mit großem Hallo umarmten wir uns. Klaus hatte viel zu erzählen.

Er setzte sich zu uns an den Tisch, und plötzlich klatschte er in die Hände.

Unser Gespräch verstummte.

Wir starrten ihn an.

„ Was glotzt ihr denn so!“

Er klatschte wieder in seine Hände.

Und noch einmal.

Der Inhaber des Tämers kam an unseren Tisch.

„ Haben Sie eben nach mir in die Hände geklatscht?“

„ Ja, in Guatemala-Stadt ist das so üblich!“

„ Wir sind hier aber nicht in Guatemala!, und Sie verlassen sofort mein Lokal!“

„ Kommt ihr?“, hier gibt es ja genug andere Lokale auf dem Großneumarkt!“, sagte er lachend zu uns.

Wir blieben sitzen.

Klaus verließ das Lokal.

Ich sah ihn nie wieder.

( © Monika Zelle  01.10.2024 )

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