Ich bin

Ich bin ich. Oder nicht?

Werde sein.

Weiterleben in meinen Kindern.

Wer bin ich wirklich.

Bin ich die in mir selbst?

Bin ich die in meinen Geschichten. Sind es meine Geschichten in mir.

Ich lebe in meinen Geschichten wie meine Geschichten in mir.

Mit meinen Geschichten rette ich meine Seele.

Finde mich in meinen Geschichten wieder, und in mir selbst?

Wer meine Geschichten liest, liest in meinem Leben wie in einem offenen Buch.

Wie lebe ich. Wie habe ich gelebt, wie war ich, wie bin ich, wie werde ich sein?

Habe ich zu mir selbst gefunden?

Habe ich mich von mir selbst befreit?

Bin ich auf der Flucht vor mir selbst?

Vor wem fliehe ich.

Erkenne ich etwas von mir in mir selbst wieder?

Ich gehöre nur mir selbst.

Bin eine Gefangene meiner selbst.

Manchmal verliere ich mich an mich, finde mich nicht wieder.

Ich bin meine größte Freundin oder Feindin. Lebensretterin?

Meine Lieder sind mein Leben. Lebe in meiner Musik. Mit meiner Musik.

Die Musik ist in mir, auch sie rettet meine Seele.

Ich schreibe das Tagebuch für meine Enkelin aus ihrer Sicht.

Wird sie es lesen? Werde ich es erleben?

Ich bin wie ich bin.

Ich bin ich.

Ich bin….

( © Monika Zelle 06.11.2024 )

Tante Nelli

Tante Nelli

Wir sitzen in der 3. Etage einer Mietskaserne in der Wohnküche und essen Birnen, Bohnen und Speck. 

Wir, dass ist meine Freundin Miriam, ihr Vater, ihre Mutter, Tante Annie und ich.

Tante Anni Jacobsen ist Jüdin.  Miriams Vater hat sie und ihre beiden Söhne vor den Chergen Hitlers gerettet. Der Mann von Tante Anni wurde bei einem Bombenangriff in Hamburg verschüttet. Ihr Sohn Rolf war Briefträger, und trank jeden Tag bei der Familie meiner Freundin Kaffee. Ihr Sohn Helmuth lebte in Bonn und handelte mit gebrauchten Maschinen, die er an England verkaufte. 

1946 war die Mutter meiner Freundin mit ihrem Sohn 8 Wochen in Bonn bei Helmuth Jacobsen. Danach ist Miriam entstanden.

Tante Annie wollte meiner Freundin und mir Tischmanieren bei  sprechen, dass ließ Miriams Vater sich allerdings nicht verbieten, und die Mutter auch nicht.

Uns war es viel wichtiger, in Miriams Zimmer mit unseren Puppen Kinderkriegen zu spielen.

Wir stopften uns die Puppen unter den Pullover,  pressten sie von dort wieder heraus, und ahmten filmreif Babystimmen nach.

Noch viel lieber spielten wir draußen Kibbel Kabbel, Marmeln oder Messerstech, machten Klingelstreiche bei den Nachbarn, und legten vorher Stapel von Fußmatten vor die Tür des verhassten Herrn Brahmer.

Während wir aßen, schaute Miriams Mutter mit ihren eiskalten blauen Augen streng auf uns.

Wie aus dem Struwwelpeter „ Der Zappelphilipp“ :

„ Und die Mutter blicket stumm auf dem ganzen Tisch herum“.

„ Benehme Dich zu Hause, als seiest Du bei Fremden, dann kannst Du Dich bei Fremden benehmen, als seist Du zu Hause!“, war ihr täglicher Slogan, erzählte mir Miriam.

Meine Freundin stieß immer vor Schreck das Trinkglas um.

Ihr Vater zwinkerte uns dann mit seinem warmen Lächeln zu.

Manchmal besuchte meine Freundin und ihre Mutter Tante Anni im Mechelnbusch in Rissen.

Es gab immer Steak und Salat.

Miriam besuchte viel lieber ihre Tante Luise im Tinsdaler Heideweg.

Dort durften sie und ihr Cousin Herbert mit dem Sofa Eisenbahn spielen.

Es gab bei Tante Luise sogar eine Schaukel und ein Klettergerüst in der Wohnung.

Manchmal durfte ich mit zu Tante Luise.

Als die Mutter meiner Freundin mal 6 Wochen im Krankhaus war,  verbrachte meine Freundin die ganze Zeit bei ihrer Tante Luise und Onkel Ralf. Paradiesische Zeiten, obwohl es einen Nachbarsjungen gab, der meine Freundin oft verprügelte. Roland Felgentreff. Seine Eltern führten einen Gemischtwarenladen.

Miriams Onkel Ralf nahm Roland dann in den Schwitzkasten.

Der Onkel behauptete immer, dass meine Freundin eine schöne Kopfform hat.

Mit ihrem Cousin lief Miriam oft durch die Rissener Heide zum Elbanleger.

Als Miriams Eltern sie wieder abholen wollten, versteckte sie sich bei Tante Nelli auf dem Dachboden unter dem Sofa. Tante Nelli, die aussah wie eine Hexe mit einem Buckel, die ihr und dem Cousin immer Geschichten erzählte,  war  den Kindern unheimlich.

Sie verriet Miriam aber nicht.

Tante Nelli, die hinter einer Bretterwand auf dem Sofa thronte, wo Miriam niemand entdeckte. 

Tante Luise versorgte Tante Nelli mit Essen…..  

( © Monika Zelle 30. 10.2024 )

Mit 17 hat man noch Träume

Mit 17 hat man noch Träume…

Freddy Quinn schimpft auf die Gammler, die Rolling Stones erobern Berlin, und der Judenhass hat immer noch ein Gesicht in Deutschland.

Und wer war sie, eine 17 jährige, die gerade eine Banklehre machte, Freddy Quinn sehr mochte, die Rolling Stones aber auch. Vor allem natürlich die Beatles.

An den Wochenenden tanzte sie  wild im Starclub. Meistens wollten die Türsteher sie nicht reinlassen, sie wirkte noch wie ein Kind, das Geburtsdatum im Ausweis zeigte ihr wahres Alter… 

5 DM für eine Cola den ganzen Abend musste reichen. Am besten gleich austrinken, belehrte der Vater, der sie und ihre Freundin mit seinem VW Käfer auf den Kiez brachte und wieder abholte. LSD war in dieser Zeit im Umlauf.

Die Freundin wurde immer sofort zum Tanzen aufgefordert, mit ihrer hochtoupierten Frisur und ihrem stämmigen Körper sah sie viel älter aus. Zudem war sie auch noch sehr groß.

Der Freund des Mädchens, mit dem sie ihr erstes sexuelles, unspektakuläres Erlebnis hatte, durfte nicht in den Starclub.

Eines Tages holte er sie unaufgefordert von ihrer Arbeit ab, nahm sie bei der Hand und zog sie über den Jungfernstieg auf den Alsterdampfer. 

Es war herrlichstes Sommerwetter. Auf der Fahrt zur Saarlandstraße eröffnete er ihr, dass nun Schluss wäre, weil er eine Andere hätte. Wie konnte das sein, hatte er ihr doch gerade zu ihrem 17. Geburtstag 17 rote Rosen geschenkt. Seine Mutter war Blumenbinderin.

Von der Saarlandstraße liefen sie schweigend durch die von Mietskasernen gesäumten Straßen nach Hause. Noch ein Kuss vor der Haustür, und das wars.

Wie in Trance lief sie die Treppen in die 3. Etage hoch. Es roch nach Sauerkraut und dem Schweiß von Frau Mulsow, die wohl gerade das Treppenhaus geputzt hatte. Was war passiert. Wie sollte sie damit umgehen. Immerhin waren sie seit 3 Jahren zusammen.

Ihre Mutter schaute argwöhnisch mit ihren bösen blauen Augen, als sie in den engen Flur der kleinen Wohnung trat. Ihren Tränen schenkte sie keine Beachtung.

In ihrem kleinen Durchgangszimmer musste sie daran denken, als ihre Mutter zu ihr sagte:

„ Das hast Du jetzt alle 4 Wochen, dafür müssen die Männer sich jeden Tag rasieren!“, in dem sie ihr eine Packung Damenbinden reichte.

Ihre Mutter, die sie mit 4 Jahren in ein Kindererholungsheim schickte, wo sie sich nach jedem Essen übergab, weil einfach zu viel Essen auf dem Teller war. Sie sollte ja zunehmen.

Eine Mutter, die ihre Tochter noch zum Vorstellungsgespräch bei der englischen Bank begleitete, ihrer Tochter nie etwas zutraute. „ Das kann das Mädchen nicht“, war ihr Slogan…. Die jeden Tag, wenn sie nach Hause kam, am Bügelbrett stand, und Coca Cola trank.

Dann die Zeit, als ihr Bruder mit Frau und Kind in die Wohnung einzog, und sie die Prüfungen zur höheren Schule nicht bestand, weil es keine ruhige Minute gab. Das Kind schrie oft die ganze Nacht….

Zu dem Wochenendhaus in die Heide fuhr das Mädchen schon lange nicht mehr mit.

Nach der Trennung von ihrem Freund ging das Leben für sie erst richtig los.

Sie traf Männer, die ihr zeigten, dass man auch zärtlich mit einem Frauenkörper umgehen konnte. Rauf und runter dudelte ihr Plattenspieler das Lied der Single von Peggy March „ Mit 17 hat man noch Träume, da wachsen noch alle Bäume in den Himmel der Liebe.

Nach Beendigung ihre Lehre bei der Bank, reiste das Mädchen zum ersten Mal mit ihrer Freundin nach Italien. Endlich verdiente sie richtiges Geld…..

Als erstes ließ sie in ihrem Elternhaus ein Telefon legen…

( © Monika Zelle 16.10.2024 )

Zwei kleine Italiener

„Zwei kleine Italiener“

Der Zug ratterte vom Hauptbahnhof in Richtung Basel.

Ich war 18 Jahre alt, und hatte in meinem bisherigen Leben noch nie so hohe Berge gesehen.

Ich fand keine Ruhe im Schlafwagenabteil. Meine Freundin Luise schlief tief und fest.

Zum ersten Mal nach Italien. Das Land meiner Sehnsucht und meiner Träume.

Dort, wo die Zitronen blühen.

In Basel stiegen wir um in den Zug nach Genua. Vorbei am Lago Maggiore, dessen Schönheit mir fast den Atem raubte. Von Genua aus fuhren wir mit einem Bummelzug entlang der Blumenriviera über San Remo nach Bordighera. In dem Zug fuhren nicht nur Menschen, sondern auch Tiere aller Art mit. Hühner gackerten, Ziegen meckerten, und die Einheimischen palaverten alle durcheinander. So etwas hatte ich in Hamburg noch nie erlebt.

In Bordighera holte uns ein älterer Mann mit einem Tempo vom Bahnhof ab.

Luise, ich und unsere Koffer wurden auf die Pritsche verladen, als ein furchtbares Gewitter losging. Dicke fette Regentropfen prasselten auf uns herab.

Als wir völlig durchnässt in unserem Zimmer der Villa Giardini standen, ging plötzlich das Licht aus. Blitz und Donner erhellten es zwar etwas von Außen, unsere Angst konnte dieses Licht aber nicht bändigen. Wir liefen die Treppe hinunter zu dem Hausherrn, der dann schnell die Glühbirne auswechselte.

Am nächsten Morgen erkundeten wir bei strahlendem Sonnenschein und azurblauem Himmel unseren bunten Ort am Mittelmeer. Es war gerade Markt, dessen Stände unter den Früchten und dem Gemüse fast zusammenbrachen.

Düfte verschiedenster Kräuter berauschten unsere Sinne. 

Luise und ich setzten uns auf eine Bank und schauten auf das Meer. Ich hatte auch noch nie so ein Meer gesehen, himmelblau, riesige Wellen, unter die die Italiener, elegant, wie Fische im Wasser hindurchtauchten.

Das wollte ich, als sichere Rettungsschwimmerin später auch machen.

Plötzlich setzten sich zwei Italiener zu uns auf die Bank, und verwickelten uns in ein Gespräch. Während wir uns mit Händen und Füßen verständigten, sagte der eine:

„ Ick weet, wo du herkummst, ut Hamborg!“ Verblüfft schauten wir ihn an. Woher konnte er Plattdeutsch sprechen?

Er erzählte uns dann, dass er 5 Jahre als Autoschlosser bei den Hamburger Gaswerken in unserer Heimatstadt gearbeitet hat, aber wegen seines Heimwehs wieder zu seiner Familie nach Italien zurückgekehrt sei. Eigentlich müsste er meinen Vater kennen, der auch zu dieser Zeit in dem Werk als Autoschlosser arbeitete. Zudem hieß er auch noch Bruno, wie mein Vater. 

Ich fragte ihn dann:

„ Kennst Du eenen Bruno Klein?“

„ Jo, denn kenn ick, dat weer dotomol mien Lehrmeister!““

„ Dat is jo een Tofall!”, anter ick, datt is mien Vadder!”

dien Vadder?“ „ Ne, dat gift dat doch gunnich!“

Von nun an begleiteten uns Bruno und Luigi jeden Tag auf unseren Entdeckungstouren oder an den Strand. So einen Strand hatte ich auch noch nie gesehen, steinig, nicht sandig wie bei uns an der Nord-oder Ostsee….Mir gefiel dieser Strand.

Wie ich mir vorgenommen hatte, wollte ich nun auch unter den hohen Wellen hindurchtauchen. Doch ich hatte mich über- und die meterhohen Wellen unterschätzt. 

Die blaue Fahne, die hier als Warnflagge galt, hatte ich übersehen.

Eine riesige Welle türmte sich vor mir auf, schleuderte mich herum, ich schlug mit dem Kopf auf die Steine, und wurde von dem Sog ins Meer gezogen.

Das ist jetzt mein Ende, dachte ich nur noch, als mich vier starke Arme packten, und aus dem tobenden Meer zogen. Es waren Bruno und Luigi, die mir gerade das Leben retteten,

mich zu einer Krankenstation brachten, wo meine Kopfplatzwunde genäht wurde. Der schöne italienische Arzt musste ein paar meiner langen Haare entfernen, aber das verzieh ich ihm sofort.  Am nächsten Tag verabschiedeten wir uns unter Tränen von unseren beiden Italienern, und fuhren über  Genua wieder zurück in unsere schöne Stadt Hamburg.

Als meine Eltern mich am Hauptbahnhof abholten, erschraken sie zuerst über die kahle Stelle an meinem  Kopf.

Mein Vater nahm mich in seine Arme und sagte nur: „ Na mien Deern, dor büst Du jo wedder, un heßt di ok noch een Andenken ut Italien mitbrocht!“

Als  ich ihm von Bruno, erzählte, erinnerte er sich sofort, und bedauerte sehr, das der  Italiener es nicht in Deutschland und bei ihm in der Werkstatt ausgehalten hatte.

Mein Leben hat von nun an keine hohe Welle mehr geschlagen.

In Italien bin ich nur noch zwei Mal gewesen. Doch meine Sehnsucht in das Land, wo die Zitronen blühen, stirbt zuletzt.

( © Monika Zelle 08.10.2024 )

Apschiet

Mein Freund Klaus

Meinen Freund Klaus hatte ich zuletzt bei einer Demonstration im Soninsaal des Michels gesehen.

Mit einer Stadtteilinitiative kämpften wir gerade dafür, dass nicht noch ein Verlagshaus in unser Viertel „Südliche Neustadt“, geklotzt wurde. Der Spiegelverlag wollte direkt an die Ludwig-Erhard-Straße ein großes Verlagsgebäude errichten lassen.

Hatte doch Henri Nannen mit seinem Verlag Gruner und Jahr vor noch nicht so langer Zeit ein riesiges Verlagshaus am Hafen bauen lassen. Ein großer Abenteuerspielplatz und sehr viele sehr alte Platanen mussten dem Haus weichen. Zurück blieb ein klitzekleiner Spielplatz über einer Tiefgarage mit Schaukel, Wippe, Rutsche und Karussell für Kleinkinder. Eine uralte Platane am Anfang meiner Straße fiel einem Glashaus als Eingang der Tiefgarage zum Opfer. Eines Morgens, als ich zur Arbeit ging, lag der Baum gefällt auf dem Weg, die Bank, die ihn rundherum schmückte, und auf der die Menschen unseres Viertels gerne verweilten, unter ihm begraben.

Sofort erklang das traurige Lied von Alexandra „ Mein Freund der Baum“ in mir.

Mit großer Unterstützung unseres Hauptpastors, der freie Blick von St. Pauli auf unseren  „Michel“ war nicht mehr gewährleistet,  erreichten wir das scheinbar Unmögliche.

Klaus war der Kopf unserer INI, und Herausgeber der Zeitschrift „ Apschiet“.

Er formulierte die Artikel auf Hochdeutsch, ich auf Plattdeutsch.

Wir hatten es in der INI so beschlossen, weil sehr viele Hafenarbeiter in unserem Viertel wohnten, die nur „ Platt“ snackten.

Klaus ärgerte sich darüber, dass er unsere Muttersprachen nicht verstand. Ich musste ihm den Text übersetzen, sonst wurde der Apschiet nicht gedruckt. 

Dann war mein Freund Klaus wieder für Jahre in Guatemala abgetaucht, um den Regenwald zu retten.

Ich hatte einen Schlüssel für seine Wohnung, und schickte ihm jede Woche per E-Mail die Post. 

Eines Tages kam er zurück nach Hamburg und seiner INI. Wir freuten uns auf ihn, und verabredeten uns im „ Tämers“ auf dem Großneumarkt.

Braungebrannt, ziemlich verwegen, betrat er das Weinlokal.

Mit großem Hallo umarmten wir uns. Klaus hatte viel zu erzählen.

Er setzte sich zu uns an den Tisch, und plötzlich klatschte er in die Hände.

Unser Gespräch verstummte.

Wir starrten ihn an.

„ Was glotzt ihr denn so!“

Er klatschte wieder in seine Hände.

Und noch einmal.

Der Inhaber des Tämers kam an unseren Tisch.

„ Haben Sie eben nach mir in die Hände geklatscht?“

„ Ja, in Guatemala-Stadt ist das so üblich!“

„ Wir sind hier aber nicht in Guatemala!, und Sie verlassen sofort mein Lokal!“

„ Kommt ihr?“, hier gibt es ja genug andere Lokale auf dem Großneumarkt!“, sagte er lachend zu uns.

Wir blieben sitzen.

Klaus verließ das Lokal.

Ich sah ihn nie wieder.

( © Monika Zelle  01.10.2024 )

Geheimnisträgerin

Geheimnisträgerin

Meine beste Freundin, wie sie immer behauptet, erzählt mir von einer Begebenheit in ihrer Familie, die sie mir eigentlich nicht erzählen darf, weil es ein absolutes Geheimnis sei. 

Ich musste ihr das Versprechen geben, es auf keinen Fall irgend jemandem zu erzählen. 

Nun würde ich es aber sehr gerne meinem Tagebuch anvertrauen, ich nenne es „ Mein liebes Grünes“, aber nicht einmal das wage ich.

Eine Geschichte darüber schreiben? Nein niemals, ich bin ja schließlich eine  Geheimnisträgerin, und dann noch die beste Freundin. Ich halte also Wort.

Eines Tages treffe ich eine Nachbarin.

Sie erzählt mir genau die Geschichte meiner Freundin, die diese zu einem so großen Geheimnis gemacht hat, und die ich auf keinen Fall jemandem weiter erzählen sollte.

Was soll ich davon halten?

Nun werde ich wohl doch eine Geschichte daraus machen, oder es meinem geliebten Tagebuch anvertrauen. 

Aber nein, ich habe ihr doch versprochen, das Geheimnis nicht weiter zu tragen.

Aber warum hat sie es dieser Nachbarin erzählt. 

Will sie mich vielleicht prüfen? Oder die Nachbarin, oder uns beide?

Ich würde niemals, niemals ein Geheimnis, dass mir jemand anvertraut, weitererzählen.

Ich stelle meine Freundin zur Rede.

Zuerst schaut sie mich irritiert an. Dann sagt sie, ich würde es wohl doch unbewusst weiter erzählt haben.

Ich bin empört. Ich, die ehrliche Haut, wie man mir nachsagt, soll das von mir wohlgehütete Geheimnis irgend jemand anderem erzählt haben? Niemals!

Jetzt sollte ich es aber doch niederschreiben, um meine geschundene Seele zu befreien.

Das hilft mir in meinem Leben ungemein, Erlebnisse, ob traurig oder lustig, in kleinen Geschichten niederzuschreiben. 

Aber ich kann doch nicht…. Wie soll ich jetzt meine Seele trösten, ob dieser Schmach.

Tagelang laufe ich durch die Straßen, und frage mich, warum meine Freundin von ihrer angeblich besten Freundin so etwas denkt. Ich komme nicht zur Ruhe, kann nicht mehr schlafen. Ich muss es niederschreiben!

Es muss ja niemand lesen. 

Aber was ist, wenn es jemand in meiner Geschichtensammlung findet.

Dann hätte ich sie doch verraten.

Aber warum, die Nachbarin weiß es doch auch. Es ist also kein Verrat!!!

Wahrscheinlich weiß es ohnehin die halbe Nachbarschaft.

Kann ich meiner Freundin noch vertrauen?

Ich setze mich an meinen Schreibtisch, schlage mein Tagebuch auf, und schreibe:“

Sonntag 20. Juli 2014

„Mein liebes Grünes“

Vor ein paar Wochen…….

( © Monika Zelle 24.09.2024 )

Du mein stilles Tal oder das Kind in Dir muss Heimat finden

Das Kind in Dir muss Heimat finden…

Du mein stilles Tal…..

Der Brotbeutel hängt an der Pforte, damit der Bäckerwagen an unserem Grundstück anhält.

Ich weiß gar nicht mehr, warum meine Mutter die Fußmatten unserer Heidehütte vor die Tür warf. War es, weil sie sich vorher mit dem heißen Kaffeesatzpulver den Unterarm verbrannt hatte? Oder weil ihr Kronensohn so lange nicht mehr zu Besuch war?

Ihre Wut entlädt sich, als sie auf den Fußmatten herumtrampelt, um den Dreck daraus zu entfernen. Oder es kam auch der Teppichklopfer zum Einsatz. Wie oft tanzte der auf meinem Rücken.

Der Bienenstich von der Bäckersfrau bei einer Tasse guten Bohnenkaffee würde meine Mutter am Nachmittag besänftigen. 

Meine Onkel schufteten gerade an den Schweißgeräten der Rohre für die neue Schwengelpumpe.

Die dicken Frauen mussten sich später auf das dafür konstruierte Holzkreuz setzen, um die Rohre in die Erde zu rammen. 

Auch ein richtiges Wohnhaus errichteten sie mit ihrer Hände Arbeit für meine Tante Gertrud, der das Heideland gehörte, und die aus 50 Pfennig eine D Mark machen konnte, indem sie sich bei meiner Mutter Eier, Milch, oder sonstige Lebensmittel auslieh, die nie wieder zu uns zurückkehrten.

Meine Eltern hatten nur die kleine Holzhütte.

Ich war glücklich mit meinem Kletterbaum, oder wenn ich mich, im Zittergras liegend, in die sich im Wind wiegenden Wipfel der Kiefern träumte. 

Auch ich schaffte es mit meiner Familie nur zu einem kleinen Holzhäuschen, jedoch nicht auf eigenem Grund und Boden gebaut, immerhin mit fließendem Brunnenwasser und Strom.

Ich weiß gar nicht, warum die Kinder von Tante Gertrud meiner inzwischen 80jährigen Mutter nicht mehr beim Einkaufen helfen wollten. 

Von heute auf morgen zog meine Mutter in ihr Zuhause nach Hamburg.

Sie kehrte nie wieder auf ihr Heideland zurück.

Fern von Zittergras und Kletterbaum pflegte ich sie bis zu ihrem Tod.

Meinen geliebten Vater hatte sie 30 Jahre überlebt.

Als wir ihn das letzte Mal besuchten, sagte er zu meinem Bruder:

„ Denk an Deine Schwester!“

Damit meinte er das Heideland.

Nun stehe ich hier, selbst fast 80 Jahre alt, vor einer mit Kettenschlössern verrammelten und verrosteten Pforte, an der ich das Schild mit meinem Mädchennamen entdecke. „ Klein“, steht dort in großen Druckbuchstaben. Ich schaue von außen auf Kletterbaum und Zittergras, und denke an meinen Bruder.

Lebt er noch? Einmal hat er mich in seinem Porsche mit in den Freihafen genommen.

Eine Wahnsinnsfahrt. Der Porsche keine Familienkutsche, die er eigentlich gebraucht hätte.

Oder die Fahrt auf dem Sozius seiner NSU Prinz. Einmal um den Häuserblock in Hamburg.

Da wartete schon sein Freund Kalle Schnoor…

Seit mein Bruder unser Heideland verscherbelt hat, habe ich ihn weder gesehen, noch etwas von ihm und seiner Familie gehört.

Tief atme ich die würzige Waldluft ein, und wandere noch einmal auf den Katzenberg.

Am Horizont die goldgelben Weizenfelder von Wesel….

Ich rufe:“ Wer ist der Bürgermeister von Wesel! Esel! Hallt das Echo…

Auf der neuen Bank war nicht mehr das eingeritzte Herz mit den Buchstaben M+B zu sehen.

Die windschiefe Birke lädt zum Klettern ein, nichts zu machen….

Ich gehe hinunter zur Quelle, über die kleine Brücke, noch einmal mit den Füßen im Büsenbach waten. Das glasklare Wasser streichelt meine Füße.

Soll ich mir ein Stück Borke suchen, es zu einem Schiffchen schnitzen, mit einem Stock als Mast, und einem Blatt als Segel, und es in dem Bach noch einmal fahren lassen?

Ich wandere vorbei an der Heidschnuckenherde, die dafür sorgt, dass die Heide in jedem Jahr wieder blüht, dem Hütehund,der die Herde zusammenhält, und dem Schäfer, der ihn mit einem unüberhörbaren Pfiff zu sich befiehlt. Ich höre noch das Getrappel der Hufe, wenn die Schnucken an unserer Pforte vorbeilaufen,  und wir Kinder sie fröhlich begrüßen….

Im Winter entlässt die Quelle ihr überschüssiges Wasser ins Tal.

Ich höre unsere Kinderstimmen. Schreiend gleiten wir mit den Schlittschuhen über die schneebedeckten zugefrorenen Flächen. Wir sind glücklich. Gegenüber der Schafstall.

Drinnen die blökenden Schnucken in Erwartung des Frühjahrs und ihrer Lämmer….

Von Kindheitserinnerungen überwältigt, laufe ich durch mein stilles Büsenbachtal zu Bahnstation….

Ich denke an das Lied, das meine Mutter immer sang:


  • „1. Im schönsten Wiesengrunde ist meiner Heimat Haus; 
    da zog ich manche Stunde ins Tal hinaus. 
    Dich, mein stilles Tal, grüß ich tausend mal! 
    Da zog ich manche Stunde ins Tal hinaus.
  • 2. Müsst aus dem Tal ich scheiden, wo alles Lust und Klang;
    das wär mein herbstes Leiden, mein letzter Gang.
    Dich, mein stilles Tal, grüß ich tausendmal!
    Das wär mein herbstes Leiden, mein letzter Gang.
  • 3. Sterb ich – in Tales Grunde will ich begraben sein;
    singt mir zur letzten Stunde beim Abendschein:
    Dir, o stilles Tal, Gruß zum letzten Mal!
    Singt mir zur letzten Stunde beim Abendschein.“

Mir kommen die Tränen.

Mitleidig schauen die Fahrgäste im Triebwagen Richtung Buchholz mich an.

Kletterbäume und Zittergras fliegen vorbei…….

( © Monika Zelle  16.08.2024 )

Wie verhext

Wie verhext….

Ich bin wie verhext

Oder ist es ein Komplex

Meine Gedanken schwanken und rasen

In vergangene Lebensphasen

Tanzen bis zur Raserei

Alles war mir einerlei

Heiße Nächte an kalten Tagen

Fragen über Fragen

Genießen bis zur Bewusstlosigkeit

Zu allen Schandtaten bereit

Doch dann war damit plötzlich Schluss

Vorbei wars mit der Lebenslust

Ehe Kinder Arbeit

Für die Liebe wenig Zeit

So ging das viele Jahre

Von der Ehe bis zur Bahre

Und jetzt….

Ich fühle mich verletzt

Was hat das Alter noch für mich bereit

In dieser fliehenden Lebenszeit

Die Jahre flogen nur so dahin

Ich bin….

Wo werde ich sein….

Komme ich in den Himmel hinein?

Oder werde ich in der Hölle schmoren?

Werde ich wiedergeboren?

Oder bin ich verloren?

Noch einmal verhext sein

Wie von Sinnen

Wo es gibt kein Entrinnen

Tanzen bis zur Ekstase

In dieser endlichen Lebensphase….

( © Monika Zelle 17.07.2024 )

Ich wollte doch…

Ich wollte doch…..

Ja, ich wollte doch, was wollte ich doch alles bei Eintritt in meinen Unruhestand.

Endlich mit dem Wohnmobil monatelang unterwegs sein.

Städtereisen.

Zu allererst nach St. Petersburg, dann Istanbul, Madrid, Barcelona, Lissabon,

Stockholm, Rom und  Weitere Städte sollten folgen.

London, in London war ich auch noch nicht, obwohl ich bei einer englischen Bank eine Lehre gemacht habe.

Aber Pustekuchen, nichts, aber auch gar nichts ist daraus geworden.

Es war aber abzusehen.

Seit der Wende und der Umstellung auf den Teuro ist mein Rentenanspruch jedes Jahr gesunken. Herr Kohl hat seinerzeit den Rentenstamm an die neuen Länder verschenkt.

Bei der Euroumstellung war das Geld plötzlich nur noch die Hälfte wert, und alles wurde um das Doppelte teurer. 

Aber Deutschland geht es gut….. Ich musste mir immer die Augen reiben, wenn ich die Mittelung von der BFA bekam….

Zugegeben, irgendwie habe ich es immer gewusst, dass mir am Ende nicht viel bleibt,

aber glauben wollte und konnte ich es nicht.

Zudem habe ich zeitlebens Teilzeit gearbeitet, damit meine Kinder nicht in den viel zu vollen Kitas mit viel zu wenig Personal versauern. Außerdem wollte ich meine Kinder selbst sozialisieren, und mit ihnen Zeit verbringen, wozu habe ich sonst Kinder?

Meine demente Mutter habe ich 10 Jahre gepflegt, damit sie nicht in einem der einfachen Pflegeheime dahinvegetieren muss. 

Als Dank gab es von der Pflegeversicherung 10 Euro Rente im Monat. Juhu…

Also aus der Traum mit Städte- und monatelangen Bullireisen.

Spazieren gehen, oder auf der Parkbank sitzen ist angesagt.

Die Politiker*Innen und die Vorstandsvorsitzenden in den Aufsichtsräten stopfen sich die Taschen voll, das Volk wird immer ärmer. 

Altersarmut ist das Stichwort. 

Die Schere zwischen Arm und Reich macht inzwischen Spagat.

So hätte ich mir das Leben im Alter niemals vorstellen können.

Die fortschreitende schleichende Inflation tut ihr Übriges.

Heute habe ich in der Monatsmitte kein Geld mehr für Lebensmittel.

Die Energiekosten fressen mich auf.

Vor dem Russlandangriff auf die Ukraine habe ich jedes Jahr so ca. 500 Euro Energiekosten erstattet bekommen. Plötzlich waren es 900 Euro, die ich nachbezahlen sollte.

Aber wie. Meine Miete betrug vor dem Angriff 590 Euro, jetzt zahle ich 810 Euro, eine Rate für die Heizungskosten plus Vorauszahlung für Heizung und Warmwasser.

Wo soll das noch hinführen. Ich weiß es nicht. 

Das Volk ist unzufrieden. Immer mehr Menschen wenden sich dem rechten Lager zu.

Ist ja kein Wunder. Die Menschen denken, mit der AFD und ihren unlauteren Versprechen wird alles besser.

Adolf Hitler hat den Menschen auch damals das Blaue vom Himmel versprochen.

Als er gewählt wurde, hat er sofort alle anderen demokratischen Parteien und die Gewerkschaften verboten.

Die Menschen damals hätten nur mal sein unsägliches Buch „ Mein Kampf“ lesen sollen,

dann hätten sie gewusst, was dieser Despot alles vorhat.

Und die Sozialdemokraten heute machen wieder den gleichen Fehler wie damals.

Sie zieren sich wie die Mücke vorm Schiss, mit den Linken zu koalieren.

Die Grünen genauso. Stattdessen koalieren sie mit Herrn Lindner, der ihnen wirklich jeden Stein in den Weg legt, den er finden kann, wenn es um Geld für Bedürftige geht.

Eine Umverteilung des Kapitals ist dringend erforderlich.

Oder die Reichensteuer.

Warum zahlen Staatsbedienstete nicht längst in die Rentenkassen ein, um den Rentenstamm zu stärken.

Da wird lieber rumgejammert, dass 2 junge Menschen für einen Rentner aufkommen müssen. Ja, die jungen Leute heutzutage tun mir leid.

Sie schließen Zusatzversicherungen für ihre spätere Rente ab, und am Ende kommt nichts dabei rum.

Wo soll das alles nur hinführen.

Jetzt bin ich mittlerweile 13 Jahre im Unruhestand, und habe noch nicht einmal das Einkommen, das ich zuletzt verdient habe. Und die schönsten Städte der Welt kann ich mir abschminken.

Das Beste zum Schluss.

Wenn mein lieber Bruder nicht einfach unser Grundstück in der Lüneburger Heide verscherbelt hätte, könnte ich wenigstens dort meine Sommer in meinem Heidehäuschen verbringen.

Wieder Pustekuchen…

Na ja, so gehe ich halt spazieren, oder setzte mich auf die Parkbank.

Das Einzige, was ich mir gönne, ist meine Schreibwerkstatt.

Hier kann ich lieben Schreiberlingen meine Geschichten vorjammern.

Ach ja, da war doch noch was….

Corona….

Corona hat mir dann sozusagen den Rest gegeben.

Mein Mann ist zudem während dieser einsamen Zeit schwer erkrankt, und verbringt seine kostbare Zeit zunehmend auf dem Sofa.

Das Schlimmste allerdings war für mich, dass ich meine Kinder und mein Enkelkind nicht mehr sehen durfte. Na ja, es gab ja Skype.

Ein Glück.

So konnten wir auch unsere Schreibwerkstatt weiter machen.

Hier noch ein Spruch von Philipp Simon aus den Mitternachtsspitzen.

„ Genießen Sie den Klimawandel“.

Kennt ihr nicht? Philipp Simon?

Er ist mein Held…..

Oder Christoph Sieber, auch von den Mitternachtsspitzen, der immer fordert:

„ Weitermachen, weitermachen“……

Ach, ich wollte doch…….

Zugegeben, ich kaufe teure Lebensmittel.

Du bist was Du isst!

Ach ja, und da sind ja noch meine Bücher, meine Rettungsanker.

Mein Vater sagte immer, Räume ohne Bücher haben keine Seele.

Weitermachen, weitermachen…..

( © Monika Zelle 26.06.2024)

Zwischen zwei Stühlen

Zwischen zwei Stühlen

Zwischen zwei Stühlen

Im Spiel mit meinen Gefühlen

Sie fahren mit mir Achterbahn

In meinem Liebeswahn

Ich muss mich entscheiden

Lügen vermeiden

Ich die ehrliche Haut

Meine Zukunft auf Sand gebaut?

Will niemanden hintergehn

Immer zu ihm stehn

Doch kann ich ihn noch lieben?

Sind meine Gefühle für ihn aufgerieben?

Will ich auf meine letzten Tage noch was erleben?

Mich mit Fantasien verweben?

Tanzen lieben lachen?

Verrückte Dinge machen?

Angst vor meiner eigenen Courage?

Ist alles nur Staffage?

Brauche ich nur ein wenig Mut?

Dann wird alles wieder gut?

Fragen über Fragen

Soll ich es wirklich wagen

Eine neue Liebe einzugehn?

Wäre das nicht wunderschön?

Ich sitze zwischen zwei Stühlen

Im Spiel mit meinen Gefühlen.

( © Monika Zelle 11.06.2024 )