Veränderung

Veränderung

Leben ist Veränderung.

Veränderung ist Leben.

Viele Jahre war das Leben jeden Tag Veränderung für mich. Meine Kinder, meine Arbeit hielten mich auf Trab, jede Menge Leben eben.

Und dann die Urlaubsreisen, mit dem Bulli, meistens fuhren wir in unser geliebtes Frankreich. Häufig nach Südfrankreich, Clermont L`Herault, am Lac Salagou.

Wie oft haben wir in den Grotten des Flusses L`Herault gebadet. 

Dort gab es ein kleines Dorf, Sankt Guillem Le de Dessert, mit vielen kleinen Handwerksbetrieben, und einer Landwirtschaft. In dieses Dorf habe ich mich sofort verliebt. Später, wenn wir im Unruhestand sind, wollten wir hier leben. 

Viele Jahre haben wir dieses Dorf wieder besucht, und uns vorgestellt, wie schön es sein würde, hier zu leben. Von hier aus wollten wir dann Reisen mit einem größeren und moderneren Wohnmobil unternehmen.

Ja, der Unruhestand, der ist es im wahrsten Sinne des Wortes schon geworden. 

Ungläubig schauten wir auf unsere Rentenbescheide, da war nicht mehr viel drin, schon gar nicht ein neues Wohnmobil, oder gar ein Umzug nach Südfrankreich. Allenfalls könnten wir noch unsere Wochenenden auf unserem Grundstück in meiner geliebten Heide verbringen. Aber der Traum zerplatzte auch wie eine Seifenblase, weil mein Bruder mein Erbe einfach verkauft hat. Aber das ist eine lange Geschichte. Und wie sollten wir auch dorthin kommen, in die Heide, wir hatten ja nicht mal mehr ein Auto. Und so mit Sack und Pack per Bahn, das wäre dann doch zu anstrengend gewesen in unserem Alter. Den Bulli haben wir unserem Sohn vererbt, ist heute ein Oldtimer, und steht des Öfteren tatsächlich noch in unserer Straße. Wir sind nicht mehr mit dem Bulli unterwegs, weil er nicht mehr komfortabel genug für uns ist, und campen mögen wir auch nicht mehr so gerne. Mich überkommt aber doch manchmal so eine Wehmut, wenn ich aus dem Fenster schaue.

Ja, es ist immer noch ein Unruhestand, nämlich mit sehr wenig Geld jeden Monat über die Runden zu kommen. Es wäre ja mehr gewesen, wenn nicht die Wende und der Euro uns einen Strich durch die Rechnung gemacht hätte. Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl hat den Rentenstamm an die Menschen in den neuen Ländern verpulvert, die nie in unsere Rentenkassen eingezahlt haben. Nicht, dass ich ihnen es nicht gönne. Nein, keinesfalls.

„ Die Renten sind sicher“, hat der gutmütige Arbeitsminister Norbert Blüm einmal lauthals verkündet. Aber das ist alles Geschichte. Die Herren schauen sich längst die Radieschen von unter an. Und wir? Verreisen ist höchstens einmal im Jahr eine Woche nach Dänemark drin.

Na ja, immerhin, besser als nichts. Ansonsten sitzen wir zu Hause und machen immer nur Pause. Zudem hat mein Mann eine Blasen-und Nierenerkrankung, ist darum nicht mehr so mobil, und verbringt die meiste Zeit mit seinem Smartphone oder Computer auf dem Sofa und schweigt. Ich drehe meine täglichen Runden in den Wallanlagen oder am Hafen, und denke über mein Leben nach. Wenn ich dann mal wieder sehr verzweifelt bin, suche ich im Internet nach einer kleinen Wohnung in der Nähe meiner Enkelin. Doch dann verwerfe ich diesen Gedanken wieder ganz schnell, weil ich mir das Leben alleine gar nicht leisten kann. Außerdem muss die Familie meiner Tochter ihren eigenen Film drehen, und ich würde sie auch nicht öfter sehen als jetzt. Bald geht meine Enkelin auf eine weiterführende Schule, und dann hat sie erst recht keine Zeit mehr. Was soll ich dann in so einem Kuhdorf auf dem Land. Schreibwerkstatt und Literaturkurse ade. Zum Glück habe ich meine Schreiberei, die ich mir seit vielen Jahren gönne, mit netten Menschen, die auch alle ihre eigenen Geschichten haben.

Mein anderer Traum ist ein Tinyhaus, natürlich nur zu Miete. Es gibt rund um Hamburg einige Tinyhousedörfer. Aber das eine liegt direkt an der Elbe. Wenn dann die große Flut wegen des Klimawandels kommt, saufe ich dort ganz schnell ab. Das andere ist in der Nähe von Stade.

Ok, das Atomkraftwerk ist seit vielen Jahren abgeschaltet, aber es strahlt doch noch, oder?

So lebe ich in den Tag hinein, um mich in meinen Tagträumen zu verlieren.

Na ja, ganz so ist es ja auch nicht. Neuerdings gehe ich in den Micheltreff unserer Gemeinde, um dort mit anderen Frauen und einem Mann Denksport zu betreiben, oder Gesellschaftsspiele zu spielen. Für 2,00 Euro gibt es dort einmal in der Woche Kaffee und Kuchen. Der Kuchen selbst gebacken und sehr lecker. Der Kaffee übrigens auch.

Früher habe ich immer gedacht, ich kann dort in die Gemeinde nicht zu den Aktivitäten gehen, weil ich nicht an den lieben Gott glaube. Aber das ist nicht so, davon konnte ich mich zum Glück frei machen. Auch die Ungläubigen sind dort willkommen. 

Und was heißt schon ungläubig. Jeder Mensch glaubt doch an irgendetwas, oder?

Veränderung heißt Leben und Leben heißt Veränderung.

Mal sehen, was mir das Leben mit seinen Veränderungen noch so bietet, und ob ich mich vielleicht doch noch aus meiner Win Win Situation retten kann.

( © Monika Zelle 01.08.2023 )

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