Neretva
Verschlafen lag es da, das kleine Städtchen Orebic auf seiner Halbinsel, 40 km westlich von Dubrovnic.
Frühmorgens tuckerten die Fischer mit ihren Booten aufs Meer hinaus, um ihre Netze auszulegen, deren Fang sie Mittags am kleinen Hafen zum Verkauf feilboten.
Dann fielen sie ein, die Busse mit ihren Touristen, wie Bienenschwärme auf die Blüten, um in den neu erbauten Hotels ihre Zimmer zu beziehen.
Die Sonne Jugoslawiens brannte, da konnten sie in den ersten zwei Tagen nur ein Schattendasein führen. Wer sich dennoch der Sonne aussetzte, musste mit einem gefährlichen Sonnenbrand bis hin zum Sonnenstich rechnen.
Eine Bergwanderung führte nicht selten zu einer Kate der bitterarmen Bergbauern,
die ihre Gäste mit schwerem roten Landwein, Schinken und selbstgebackenem Weißbrot bewirteten, um sie dann lachend, mit den Blicken ihrer tiefschwarzen Augen zu begleiten, wenn diese wieder ins Dorf hinunter torkelten.
Bei einem abendlichen Spaziergang klang Musik aus der Dorfkneippe herüber.
Zu heimatlichen Klängen stampften die Bauern mit ihren Füßen auf, und wiegten sich im Takt. Es duftete nach Civapcici, dessen Schärfe den Nichteinheimischen beim Verzehr die Tränen in die Augen trieb.
Nachts wies Der Mond den Gästen den Weg zu Musik und Tanz zum benachbarten Hotel.
Leise klatschten die Wellen des Meeres an den Strand.
Langsam bewegten sich die Paare zur Musik der Hotelband, oder saßen in der lauen Sommernacht bei Campari Soda an ihren Tischen und unterhielten sich leise.
Am nächsten Morgen führte sie ihre Reise entlang des türkisfarbenen Flusses Neretva, dessen Schaumkronen wie kleine quirlige Seifenblasen auf den Wellen tanzten, zu dem Dorf Mostar, das seinen türkischen Einschlag nicht leugnen konnte.
Auf der legendären Brücke aus Römerzeiten stürzten sich junge Männer in den Fluss, um wie Pfeile durch das relativ flache Wasser zu schießen. Wieder oben angekommen reichten sie ihre Sonnenhüte für einen Dinar herum.
Noch ahnten sie nicht, dass hier in 1990iger Jahren ein blutiger Bürgerkrieg toben, der tausenden und abertausenden Menschen das Leben kosten, und ihr Land und ihre Seele tief erschüttern würde.
In einer Privatwohnung reichte eine Familie den Touristen und Touristinnen schwarzen süßen Tee. Eine Touristin mit schwarzen Haaren und dunkelbraunen Augen probiert eine bunte türkische Tracht, die sie wie eine Einheimische aussehen lässt. Ihre Freundin fängt diesen Augenblick mit einer Klick Klack ein.
Am nächsten Tag folgte eine Pause am Strand.
Das unvergleichlich glasklare tiefblaue Wasser des Meeres lädt zum Schwimmen ein.
So manche Liebesgeschichte findet hier ihren Anfang, sowie ein jähes Ende.
So wie die von Maria und Jelko, dem Medizinstudenten aus Sarajewo und der Touristin aus Hamburg.
Sie treffen sich, lieben sich, und werden sich am Ende nie wieder sehen.
( © Monika Zelle 13.05.2022 )
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