Was ich schon immer wusste

Was ich schon immer wusste

Was ich schon immer wusste ist, dass ich später einmal unbedingt 6 Kinder haben wollte. Was ich nicht wusste war, dass das kein Sonntagsspaziergang wird.  Mein Dilemma war, dass ich nie einen Mann kennen lernte, der gerne Kinder mit mir gehabt hätte. Am Ende sind es zwei wunderbare Kinder geworden, mit einem Mann, dem es egal war, ob er Kinder hat, oder nicht, und wenn ich wollte, dass er etwa mit Ihnen spielte, sagte er immer:“ Du wolltest die Kinder!“

Wenn ich als Kind in einen Kinderwagen schaute, wo ein Baby drin lag, fing es unweigerlich an zu weinen. Wahrscheinlich lag es an meinem bösen Blick, den man mir nachsagte, der mir aber in dem Moment überhaupt nicht bewusst war.

Auf keinen Fall aber wollte ich so früh Kinder bekommen wie mein Bruder.

Erst einmal das Leben genießen, Männer kennen lernen, Erfahrungen machen, um nicht die Katze im Sack zu kaufen. 

Als ich 16 Jahre alt war, fuhr ich meine kleine Cousine in der Heide in ihrer Karre spazieren, und ließ sie Schafsköddel essen, weil ich gehört hatte, dass kleine Kinder alles probieren und ausprobieren sollen. Später hat diese Cousine dafür gesorgt, dass mein Bruder unser Heideland an ihre Freundin verkaufte. Aber das nur so nebenbei.

Ich liebe Kinder über alles, sowie ich sie sehe, wird mir warm ums Herz.

Kinder muss man fördern, das wusste ich schon ganz früh, und habe es auch bei meinen beiden Kindern ausgiebig getan, was sich als überaus erfolgreich erwies.  

Jahrelang habe ich Kindern in einer Förderschule ehrenamtlich Geschichten vorgelesen. Sie konnten leider mit 10 Jahren noch nicht richtig lesen und verstehen.

Wenn sie Geburtstag hatten, schenkte ich ihnen ein Buch. Das glückliche Strahlen in ihren Augen vergesse ich nie. Ein Junge aus einer Romafamilie in meiner Nachbarschaft ging auch in diese Schule. Er kam dann nachmittags zu mir zum Lesen üben. Wir beide hatten eine gute Zeit. Heute ist er 30 Jahre alt, und hat eine Friseurlehre absolviert.

Ich bin stolz auf ihn, und wenn wir uns treffen, hat er immer ein gutes Wort für mich.

Heute habe ich eine kleine Enkelin. Inzwischen ist sie 8 Jahre alt.

Wie viele Kinderbücher mag ich ihr wohl vorgelesen haben? Unzählige.

Heute kann sie selbst lesen. Mein Slogan für sie heißt: „ Lesen bildet!“

Wie viele Lieder habe ich ihr wohl vorgesungen, weil Musik Balsam für die Seele ist.

Heute liebt sie Rollenspiele wie Leo und Tigres, Lena und Sarah mit Lina und Annabell,  Bibi und Tina oder Superhelden, meistens am Telefon, oft stundenlang. Wir vergessen einfach die Zeit.  Ihre Woche ist doch ziemlich ausgefüllt, seit sie in die Schule geht, Geige Spielt und tanzt. 

Gerne würde ich Kindern in Schulen oder Kitas wieder vorlesen, aber seit Corona bin ich vorsichtig geworden. Auch für meine Nachbarskinder wäre ich gerne da, aber wie gesagt. 

Kinder werden immer meine große Leidenschaft sein, und ich hoffe, dass ich sie, und auch meine Enkelin noch lange lange erleben darf. 

Ich hoffe nur für die Kinder dieser Welt, dass die Politiker * Politikerinnen, die Eltern,  und überhaupt alle Menschen dieser Erde es mit kleinen Schritten hinbekommen für sie eine lebenswertere Welt zu gestalten. 

Da fällt mir noch das Lied von Su Kramer ein. „ Kinder der Liebe sind wir alle auf der Welt.“ 

„ Kinder der Liebe sind wir alle auf der Welt.“ 

( © Monika Zelle  02. August 2022 )

Erlebnis im öffentlichen Nahverkehr

Erlebnis im öffentlichen Nahverkehr

Als unsere Enkelin noch in die Kita ging, holten wir sie einmal in der Woche von dort ab.

Zuerst ging es mit dem Bus zum Harburger Bahnhof,  weiter mit der S-Bahn bis Landungsbrücken.

Dann war es eines Tages wieder so weit. Die S-Bahn von Harburg in Richtung Innenstadt fuhr nicht, wegen Gleisbauarbeiten.

Nun hieß es rüber laufen zum Fernbahnhof und in den Metronom, der wie immer in der Zweiten Klasse völlig überfüllt war. Ja, es gibt noch die 1. Und die 2. Klasse im Metronom.

Wir begaben uns wie so oft einfach in die 1. Klasse, weil wir uns das Gedrängel in der 2. Klasse nicht zumuten wollten.

In dem Wagen der 1. Klasse saßen nur 2 weitere Personen. Na Bitte.

Eigentlich ein Unding, wie ich fand. 

Kontrolliert wurde von Harburg bis Hauptbahnhof ohnehin nicht mehr. War ja nur eine Station.

Aber einmal hatten wir uns in den Finger geschnitten. Die Zugbegleiterin im Metronom kam zum kontrollieren. Unsere Enkelin war ja noch so klein, dass sie keine Fahrkarte brauchte. 

Ich zeigte der Schaffnerin meine normale Seniorenkarte vor. Im Jahresabonnement kostete sie monatlich damals auch schon 43 Euro. Ist ja kein Pappenstiel.

Die Schaffnerin sagte zu mir: „ Sie befinden sich hier in der 1. Klasse des Metronom, und hätten eine Fahrkarte mit dem Zuschlag lösen müssen!“

Ich fiel aus allen Wolken.

Dann kontrollierte sie meinen Mann.

Wie von Zauberhand hatte er eine Fahrkarte mit dem Zuschlag in der Hand.

Entgeistert schaute ich ihn an.

Die Schaffnerin kontrollierte die Karte und meinte zu mir:“ Sehen Sie, ihr Mann wusste Bescheid, er hat die erforderliche Fahrkarte für die erste Klasse gelöst.“

Ich nickte beschämt.

„ Na ja“, meinte die Zugbegleiterin, „ Diesmal will ich noch ein Auge zudrücken, aber beim nächsten mal lösen sie bitte den Zuschlag, wenn sie in der ersten Klasse sitzen wollen!“

Ich nickte wieder.

Als die Schaffnerin weiter gegangen war, um die anderen Fahrgäste zu kontrollieren,

grinste mein Mann, und zeigte mir seine Fahrkarte.

Das Datum darauf wies nicht den damaligen Tag aus. .

Grau fahren sagt der Volksmund dazu.

Wir sind nie wieder in der 1. Klasse grau gefahren, das war uns dann doch zu peinlich.

( © Monika Zelle   14. Juli 2022 )

Federn lassen

Federn lassen

Lina wälzt sich in ihrem Bett hin und her. 

An Schlaf, nicht zu denken.

Der Berg, der sich vor ihr auftürmt, ist nicht mehr zu erklimmen.

Sie denkt an früher. 

An die goldenen 1970iger oder auch zum Teil noch 1980iger Jahre.

Als sie eine Familie gegründet hat. 

Ja,  da musste sie auch den Pfennig in der Hand umdrehen, genau wie ihre Eltern  nach dem unseligen Krieg.

Und jetzt? Es ist wieder Krieg in Europa.

Schon als Lina in den Ruhestand trat, musste sie Federn lassen.

Nach 50 Jahren Arbeit.

Kein Auto mehr, keine kulturellen Veranstaltungen, keine Restaurantbesuche.

Und dann kam Corona. 

Die sportlichen Aktivitäten fielen buchstäblich ins Wasser.

Kein Schwimmen gehen, keine Muckibude mehr.

Sie saß zu Hause, machte immer nur Pause. Zwangsläufig.

Die Decke fiel ihr auf den Kopf

Nur Einkaufen und Spazieren gehen war erlaubt.

Sie kannte die Wege schon in und auswendig, die sie jeden Tag lief.

Und jetzt? Corona ist nicht vorbei, obwohl die Menschen so tun.

Alles wird teurer.

Wenn Lina an ihre Betriebskostennachzahlung denkt, wird ihr angst und bange.

Und dann demzufolge die Mieterhöhung.

Der Angstschweiß kriecht auf ihre Stirn.

Sofort hat sie die Heizung auf Null gedreht, obwohl es draußen noch kalt war.

Im Waschbecken sammelt sie das Wasser, um sich mehrere Male die Hände darin zu waschen. 

Wie früher, auf ihrem Heideland. Da hatten sie auch mit Wasser sparen müssen, weil sie es mühsam, wie der Hummel, von der zwei Kilometer weit entfernten Quelle heranschleppen mussten. Duschen? Nur einmal in der Woche.

Gewiss, wenn Lina kein Auto fährt, Heizung und Wasser spart, dann hat sie einen guten biologischen Fußabdruck. 

Wenn sie den Gürtel enger schnallt, kann sie auch sparen.

Aber was hat man dann noch, wenn man nicht mal mehr lecker essen kann, denkt Lina.

Jetzt kann sie erst recht nicht mehr einschlafen.

Auch der Krieg in Europa macht ihr zu schaffen.

Ist denn wirklich Corona und Putins Krieg an ihrer Misere Schuld?

Na ja, das Geld wird ja schon seit Jahren immer weniger wert.

Da war die Wende, dann kam der Teuro.

Aber jetzt? Die Inflation galoppiert voran wie ein Rennpferd beim Derby.

Und das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange.

Wird sie im nächsten Winter frieren müssen, weil Putin den Gashahn zugedreht hat?

Oder einfach nur, um Heizkosten zu sparen?

Oder ist Europa dann schon in Schutt und Asche gefallen?

Lina kann auch nicht mehr zu ihrer Datsche. Da hätte sie wenigstens einen Kohleofen und könnte Kartoffeln anbauen.

Soll sie sich einen Nebenjob suchen? In ihrem Alter?

Was, wenn sie die Miete nicht mehr bezahlen kann.

Das war schon immer ihre Angst, wie eine Obdachlose auf der Straße leben zu müssen, und nur das zu haben, was sie auf dem Leib trägt.

Es wird hell draußen.

Die Sirenen, die sie jede Nacht zu hören glaubt, haben nicht geheult.

Mir fallen noch keine Bomben auf den Kopf denkt sie.

Und während Lina sich nach einem kleinen Urlaub am Meer sehnt, fällt sie dann doch noch in einen unruhigen Schlaf . 

( © Monika Zelle 16.06.2022 )

Leidenschaft und Passion

Leidenschaft oder Passion

Und jetzt?……..

Sie ist fast verstummt, kann nicht mehr singen.

Das Leben hat sie das Schweigen gelehrt.

Manchmal hört sie an einem Tag höchstens zehn Worte. Gezählt hat sie sie noch nicht. Noch nicht.

Das einzige Highlight sind die Telefonate mit ihren beiden Freundinnen.

Da kommt Leben in ihr Leben.

Oder wenn sie mit ihrer Enkelin am Telefon Rollenspiele spielt. Hexe Lilli, Tigres und Leo, Lena und Sarah mit ihren Schwestern Annabell und Lina, oder auch Superhelden, da sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt, und das Reden ist garantiert. 

Ja, Kinder, die liebt sie, vor allem natürlich ihre Enkelin.

Sie hatte sich immer viele Kinder gewünscht, hätte vor der Geburt ihres ersten Kindes nie gedacht, mit wie viel Anstrengung es verbunden ist, ein Kind auf die Welt zu bringen, und es groß zu ziehen. Na ja, wie auch……

Familie, Arbeit, Zeitnot,Küche, Kinder, Computer, die langjährige Pflege der Mutter.

Ja, eigentlich hat sie ein Familienunternehmen geleitet, wofür sie aber bei weitem nicht entlohnt wurde. 

Musik, Tanz, Schwimmen, Gedichte schreiben, Reisen, das Singen im Chor ist völlig ins Hintertreffen geraten, und natürlich das Lesen…… einer ihrer Lieblingsbeschäftigungen.

Sie hat funktioniert, immer nur funktioniert. 

50 Jahre Tretmühle. Fremd bestimmt sein. 

Kleine Reisen, ja. Leidenschaftslos, alles leidenschaftslos. Das Schweigen im Walde……

Hätte sie ein anderes Leben haben können? Ja, ihr fehlte nur die Kraft und der Mut.

Als sie dann endlich ich den wohlverdienten Ruhestand gegangen ist, hat sie das Geschichten schreiben für sich entdeckt, und das war ihr großes Glück.

In Ihren Geschichten findet sie sich und ihr Leben wieder. Nur dort kann sie aufblühen und ihr Schweigen brechen 

In den ersten Monaten der Pandemie hat sie jede Menge Haikus geschrieben.

Haikus, die ihre Gedanken und Gefühle zum Ausdruck brachten.

Und dann ist da noch das Tagebuch für ihre innig geliebte Enkelin. 

Das Vermächtnis ihrer gemeinsam erlebten Zeit.

Ja, die Schreiberei ist zu ihrer liebsten Passion geworden. In ihr kann ihr niemand den Mund verbieten.

Wie gern würde sie wieder mit dem Singen anfangen, aber ihre Stimme ist mit dem Alter gebrochen. 

Dabei wurde in ihrer Familie den lieben langen Tag gesungen und geredet.

Ja, und nicht zu vergessen, das Schwimmen, was auch in ihrer Familie ganz groß geschrieben wurde. Alle waren im Schwimmverein, und ihr geliebter Vater hat vielen Kindern das Schwimmen beigebracht. Ehrenamtlich…….

Nach einer langwierigen Schultererkrankung ist sie nach der Arbeit jeden Tag zum Schwimmen gegangen, und hat das jahrelang fort gesetzt, bis…. ja bis Corona kam.

Da war es aus mit der Schwimmerei, und bis jetzt hat sie sich noch nicht getraut, wieder ins Schwimmbad zu gehen. Hinzu kommt der Fachkräftemangel. Viele Schwimmbäder sind geschlossen. 

Ach ja, da sind ja noch ihre vielen Liebhaber, die sie sehr leidenschaftlich geliebt hat, und von denen sie oft schmerzlich enttäuscht wurde, vielleicht, weil ihre Liebe zu stark war? Oder weil sie ihre Eifersucht nicht im Zaum halten konnte?

Dazu gibt es einen trefflichen Spruch:

„ Eifersucht ist Leidenschaft, die Eifer sucht und Leiden schafft!“

Und heute?

Sie lässt sich ihr Leben immer noch fremd bestimmen. Fühlt sich verantwortlich.

Nimmt ihr Leben nicht in ihre Hände.

Krankheit frisst ihren Alltag auf. 

Sie lebt tatsächlich nur noch in ihren Geschichten.

Heute sind ihre Gedanken ihre einzige Leidenschaft.

Sie fühlt sich wie ein Vogel im Käfig, der das Fliegen verlernt hat, oder es nie konnte?

 ( © Monika Zelle 05.06.2022)