Plattdeutsch
Mien Modersprook.
Von klein auf an hörte ich zu Hause diese liebliche Sprache, unsere Muttersprache.
Meine Eltern sprachen zu Hause und auch mit ihren Geschwistern, also mit meinen Verwandten, und auch Freunden nur Plattdeutsch.
Ich heff düsse Sprook sotoseggen mit de Moddermelk opsogen.
Als kleines Kind sagte ich schon Weihnachtsgedichte op Platt auf, so wie das Gedicht
„ Vun Wiehnachsmann“.
Als ich in den 1950iger Jahren in die Schule kam, durften wir Kinder gar kein Plattdeutsch sprechen, weil die Kinder aus Finkenwerder, oder auch manch andere Kinder ausschließlich Plattdeutsch snackten. Sie sollten Hochdeutsch lernen.
Viele Jahre später hatte unser lieber Lehrer Hans Böhme aus Berlin dat Begehr, mit seinen Schöler un Schölerinnen wedder plattdüütsch to snacken.
Weil ick mien Modersprook god lesen und snacken kunn, musste ich in meiner Klasse Geschichten von Rudolf Kinau aus seinen Büchern „ Sünn in der Seils“ oder „ Bi uns an`n Diek“ vorlesen.
In einem leeren Klassenraum hatte ich mich vorzubereiten. Mir hat das großen Spaß gemacht.
Hatte ich eine Geschichte vorgelesen, mussten meine Mitschüler* sie sinngemäß ins Hochdeutsche übersetzen. Das war eine sehr gute Übung für uns.
Alle Kinder in unserer Klasse waren im Kulturring der Jugend, und wir gingen häufig ins Ohnsorg Theater, damals noch in den großen Bleichen, heute im Bieberhaus.
Auch unsere Chorleiterin Heidi Haronska sang mit uns plattdeutsche Lieder.
„ Dat Du mien Leewsten büst“ ist heute noch einer meiner plattdeutschen Lieblingslieder. Mit meiner Enkelin singe ich oft das Lied
„ An de Eck steiht`n Jung mit`n Tüdelband“. Sie liebt es, und konnte es mit drei Jahren auswendig singen.
Abends las mein Vater mir oft die Geschichten „ Pole Poppenspäler“ oder „ Böttcher Baasch“ von Theodor Storm vor. Ich liebte sie.
Wat ick noch seggen wull.
Mein Vater nannte meine Mutter immer Modder Lütt. Das klingt heute noch in meinen Ohren nach, so liebevoll sagte er es.
Später sang ich sogar in einem plattdeutschen Frauenchor, den „ Bavaria Deerns“,
geleitet von einer Japanerin. Die Japaner lieben „ Plattdüütsch“, und überhaupt „Heimatgeschichten“, sowie auch Trachten.
In den 1990iger Jahren habe ich zwei plattdeutsche Bücher bei dem Isensee Verlag veröffentlicht. „ Datt und Dütt swatt op witt“ und „ De leddige Lokusrull“. Leider hat der Verlag mich ganz schön über den Tisch gezogen. Ick wär een „ Noname“ harr keene Lobby.
( © Monika Zelle 29.06.2021 )
Vor ein paar Tagen ist mein Lehrer 90 Jahre als geworden. Ich habe ihm ein plattdeutsches Gedicht geschrieben:
1 7. J U N I 2021
9 0 J A H R E
Leewe Hans
Neentig Johr dat is ne lange Tied
Wenn Du se vör di liggen sühst
Neentig Johr dat is den korte Spann
Wenn Du se sühst vun achter an
Du büst nu neentig Johrn
Neenteinhunnerteenundottig born
Wi wünscht die alle Glück un Segen
Opp alle diene Wegen
Liehrt hefft wi bi di veel
Datt mehrste awer in Sport un Speel
Ok Plattdüütsch mussen wi lesen
Dat is een grootet Anliegen vun di wesen
Us Modersprook wär di bannig wichtig
Wi shullt se lesen un schriewen richtig
För us Schöler een grootet Plesär
Eene goode Übung för dien un us Gehör
Nu heff eene goode Tied
Viellich mit Kinner, Frünnen un leewe Lüüd
Een feinen Geburtsgag wünscht wi di
In Gedanken sünd wi ok dorbi
Allens Leewe
Diene Schölerinnen un Schöler
vun diene Afslussklasse 9 A 1963
In de Emil-Krause-School
Ick gleuw he hett sick bannig freit.
Un mannig mol, wenn ick in de Brass bünn, oder mi freien do, dann snack ick ok een beeten Platt.
Lange Jahre ist unsere Muttersprache in Vergessenheit geraten, obwohl sie sogar als Kultursprache anerkannt ist.
In meinem Viertel, hier in der Neustadt in Hamburg, ist us Plattdüütsch in de Stadtteilschol een Pflichtfach. Dor bün ick bannig stolt op.
Ich besitze ein antiquarischen Buch von Klaus Groth „ Mien Moderspraak“.
Sein Gedicht und Lied daraus möchte ich Euch unbedingt ans Herz legen.
Klaus Groth
Mien Moderspraak
Mien Modersprak, wa klingst du schön! Wa büst du mi vertrut!
Weer ok min Hart as Stahl un Steen, Du drevst den Stolt herut.
Du bögst min stiwe Nack so licht As Moder mit ern Arm,
Du fichelst mi umt’ Angesicht Un still is alle Larm.
Ik föhl mi as en lüttjet Kind, De ganze Welt is weg.
Du pust mi as en Vörjahrswind De kranke Boß torecht.
Min Obbe folt mi noch de Hann’ Un seggt to mi: Nu be!
Un „Vaderunser“ fang ik an,
As ik wul fröher de.
Un föhl so deep: dat ward verstan, So sprickt dat Hart sik ut.
Un Rau vunn Himmel weiht mi an Un Allns is wedder gut!
Min Modersprak, so slicht un recht,
Du ole frame Red!
Wenn blot en Mund „min Vader“ seggt, So klingt mi’t as en Bed.
So herrli klingt mi keen Musik Un singt keen Nachtigall;
Mi lopt je glik in Ogenblick De hellen Thran hendal.
(unveränderte Schreibweise)
Quelle: Klaus Groth: Quickborn. Volksleben in plattdeutschen Gedichten. Meersburg und Leipzig 1930
Worterklärungen:
fichelst = streichelt, Boß = Brust, Obbe = Großvater, folt = faltet, be! = bete!, Rau = Ruhe, frame = fromme