Kinderfreundschaften

Kinderfreundschaften

Margrit

Kinderfreundschaften hatte ich viele. Wir waren eben viele Kinder am Dulsberg in den 1950iger Jahren.

Meine beste Freundin aber war Margrit Nagel.

Die Nagels waren unsere direkten Nachbarn, und wenn wir Kinder nicht draußen Meyersche Brücke, Fischer Fischer wie tief ist das Wasser, Kibbel Kabbel, Länder klaun oder Marmeln spielten, war ich meistens bei Margrit drüben.

Wir besaßen beide eine Kinderpost und spielten hingebungsvoll Briefmarken und Briefumschläge verkaufen, Briefe oder Pakete entgegen nehmen und versenden und was es sonst noch alles bei der Post zu tun gab. Es war unser Lieblingsspiel.

Von Zeit zu Zeit spielten wir aber auch mit unseren Puppen. Echte Mädchen eben.

Meine Puppe hieß Helga.

Meistens spielten wir, dass die Puppen krank waren, und wir waren abwechselnd die Ärztinnen.

Einen Arztkoffer wie die Kinder heute besaßen wir natürlich nicht, es mussten die Küchenbestecke der Eltern herhalten. 

Manchmal kamen unsere Puppen auch erst als Babys aus unserem Bauch, das war das Höchste der Gefühle.

Zu mir nach Hause durfte ich keine Kinder mitbringen, das duldete meine Mutter nicht, sie könnten ja etwas schmutzig machen, in ihrem so geleckten Haushalt, wo man gewissermaßen vom Fußboden essen konnte. Tisch und Stuhl hatten wir natürlich auch.

Dann zog Margrit mit ihren Eltern und ihrem Bruder Ronald ins Nebenhaus in eine größere Wohnung. 

Wenn ich bei Margrit spielte, lackierte sich Frau Nagel meistens die Fingernägel rot.

Herr Nagel war ein höherer Angestellter bei den Hamburger Gaswerken, wo die meisten Männer und auch manche Frauen unseres Wohnblocks beschäftigt waren.  Ihr Bruder Ronald besuchte die Mittelschule, und ärgerte uns oft.

Wenn die Nagels am Wochenende in den Harburger Bergen wandern gingen, durfte ich manchmal mit. Frau Nagel setzte sich dann immer mit nacktem Hintern in einen Ameisenhaufen, das sollte gegen ihr Rheuma helfen.

Dann zogen die Nagels plötzlich wieder um, nach Wandsbek Gartenstadt, in eine noch größere Wohnung, und natürlich bessere Gegend. Es hieß,  Herr Nagel sei mit seiner Sekretärin fremd gegangen.

Frau Nagel verließ ihren Mann nicht, aber sie schämte sich vor der Nachbarschaft.

Ich war ziemlich traurig, dass Margrit nun nicht mehr hier bei mir in der Nähe wohnte, denn nun sah ich sie nur noch ein einziges Mal, als meine Mutter und ich bei den Nagels zu Kaffee und Kuchen eingeladen waren, um die neue Wohnung zu besichtigen.

Das wars.

Nach vielen Jahren mieteten sich die Nagels eine Ferienwohnung in der Heide, und luden uns dorthin ein.

Wir erfuhren, dass ihr Sohn Ronald inzwischen verstorben war.

Margrit wohnte mit ihrer Familie in Handeloh, ganz in der Nähe der Ferienwohnung.

Wir hatten  uns aus den Augen verloren, und ich traute mich nicht, sie in Handeloh, wenige Kilometer von unserem Heidegrundstück am Pferdekopf entfernt, zu besuchen.

( © Monika Zelle 01. Juni 2021 )

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