Nie wieder
Papa….
Nie wieder werde ich Dein freundliches Lachen sehen, wenn Du von Der Arbeit nach Hause kamst, Mama mit einer frischen Schürze umgebunden, Dir die Tür öffnete, und ihr Euch in die Arme nahmt.
Nie wieder werde ich mit Dir und einer Horde Nachbarskindern zum Schwimmen laufen, wo Du uns ehrenamtlich beim „ Vorwärts“ das Schwimmen beigebracht hast.
Nie wieder werde ich vorn auf meinem Kinderfahrradsattel bei Dir auf dem Fahrrad sitzen, und den Heideweg hinunter ins Dorf sausen, um beim Bäcker frische Brötchen zu kaufen.
Nie wieder mit Dir und meinen Freunden auf unserem Land wie wild Fußball spielen.
Ich war Uwe Seeler und meine Cousin Herbert Jaschin der berühmteste Torwart aller Zeiten.
Nie wieder mit Dir durch die Lüneburger Heide wandern, die Volkslieder trällernd, die heute kaum noch jemand kennt.
Nie wieder mit Dir auf dem Heideweg um die Wette laufen.
Mit 50 Jahren konntest Du noch schneller laufen als ich mit meinen 13 Jahren, obwohl ich die beste Läuferin in meiner Klasse war.
Du warst immer ein guter Sportler, vor allem im Schwimmen und Boxen.
Nie wieder werden Deine starken Arme mich an Dein Herz drücken, Du mit Deinem weichen Herz, Deinem sonnigen Gemüt, und Deiner zarten Seele.
Nie wieder mit Dir und Onkel Judel jeden Samstag am Küchentisch sitzen, über Politik diskutieren, manchmal auch streiten. Von den schweren, von Dir zweimal erlebten Kriegsjahre hören, die Du als Kind 1914 – 1918 und als junger Mann und Familienvater 1939 – 1945 erleben musstest, während Mama für uns den von Onkel Judel vom Markt mitgebrachten Fisch zubereitet hat.
Du hast jüdischen Freunden das Leben gerettet, indem Du ihre Pässe gefälscht hast, was Dir Dank Deines Amtes als Leiter eines Wirtschafts-und Ordnungsamtes möglich war.
Nie wieder werde ich nach Hause kommen, in der Stube sitzen, dich fragen hören:
„ Na, was wünschen die Damen denn zu trinken heute Abend.
Ein einziges mal ist Dir die Hand ausgerutscht, weil ich Mama wegen einer sechs im Rechnen angelogen hatte.
Du warst für mich der liebste, gütigste, lustigste und netteste Mensch, den ich mir als Papa wünschen konnte.
Was würdest Du sagen heute.
Zu Corona.
Wahrscheinlich würdest Du sagen:
“ Nu stellt ju man nich so an, ju fallt jo nich de Bomben op`n Kopp as uns freuher in Krieg. Ji hefft een Dach övern Kopp, to eeten, und een warme Stuuv, watt wüllt ji mehr. Dat geiht schon wedder vörbie.
Ja, das würdest Du sagen.
Trotzdem, wie geht es weiter.
Werde ich je wieder meine Kinder und Freunde treffen und umarmen können?
Je wieder nach Dänemark oder Frankreich reisen können?
Je wieder schwimmen gehen können?
Nie wieder Krieg, würde mein Papa sagen.
Nie wieder hungern müssen, aber die Umwelt müsst ihr beschützen, damit Euch die Welt nicht eines Tages um die Ohren fliegt.
Wir haben nur eine Erde, und Euer Geld könnt ihr nicht essen.
Währet den Anfängen, würde er sagen, wählt links, nicht rechts.
Ja, das würde er sagen, mein Papa.
( © Monika Zelle 16.02.2021 )