Der Brief

Leise fiel die Wohnungstür ins Schloss. 

Kein Laut war im Treppenhaus zu hören.

Sie schlich die Treppe herunter und verließ das Haus.

Langsam schnallte sie sich ihren Rucksack auf den Rücken, schaute noch einmal zum Fenster ihrer Wohnung hinauf, alles ruhig.

Plötzlich ging in der Wohnung einer Nachbarin das Licht an.

Ein Schatten.

Schnell versteckte sie sich im Torbogen, spähte noch einmal hinauf.

Der Rucksack wog leicht. Sie hatte nur mit, was sie tragen konnte.

In der Tram schlief ein Obdachloser.

An der Endstation stieg sie aus, lief den Weg zur Hütte zu Fuß hinauf.

Nach zwei Stunden erreichte sie ihr Ziel.

Die Sonne ging gerade auf.

Sie setzte sich auf die Bank, und genoss in vollen Zügen den wunderbaren Blick ins Tal.

Dann schloss sie die Hütte auf, machte Feuer und Kaffee.

Die Habseligkeiten aus ihrem Rucksack waren schnell verstaut.

Es wurde warm in der kleinen Hütte.

Das Frühjahr sollte kommen, teilweise waren die Wiesen noch mit Schnee bedeckt.

Sie legte sich auf ihr Bett, und schlief umgehend ein.

Vom unentwegten Klopfen des Spechtes am Baum wachte sie wieder auf.

Die Sonne stand jetzt hoch am Himmel.

Sie setzte sich wieder auf die Bank, und betrachtete ihre Hände mit den kräftigen kurzen Fingern.

Sie fand sie hässlich.

Ja, zupacken konnten sie.

Morgen würde sie ins Dorf hinunter gehen, und einen Brief aufgeben, den sie noch schreiben müsste, als Absender einen Namen und eine Anschrift, die sie selbst nicht kannte.

Langsam ging sie einen kleine Abhang hinunter, und erfrischte an der Pumpe ihr Gesicht. Das Wasser war kalt und klar.

Der Schwengel quietschte ein bisschen. Ein kleiner Tropfen Öl würde reichen, um es zu  beheben.

Draußen sitzen konnte sie noch nicht lange, aber für ein Stück Brot und Käse reichte es.

Sie genoss den heißen Kaffee, der auf dem kleinen Ofen vor sich hin gezischt hatte.

Die Stille hier oben war überwältigend.

Hier würde sie endlich zur Ruhe kommen, fern ab der lauten Stadt.

Plötzlich hörte sie ein Knacken im Unterholz, schaute in die Richtung.

Nichts zu sehen.

Bestimmt nur ein Reh.

Am nächsten Morgen machte sie sich auf den Weg ins Dorf.

Misstrauisch schauten die Bewohner ihr nach.

Sie betrat den kleinen Laden mit der Poststation, und gab den Brief auf.

Per Einschreiben. 

Irgendwie kam ihr die Frau hinter dem Ladentische bekannt vor.

Oder war es nur Einbildung?

Schnell verließ sie ihn, besorgte noch einige Kleinigkeiten im Gemischtwarenladen, und machte sich wieder auf den Weg zu Ihrer Hütte.

Ja, sie war noch da, ihre Flinte unter der Holzdiele. ( © Monika Zelle 23.02.2021 )

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