Karin, Marion, Ingrid und ich spielten, wie fast an jedem Tag, in unserem Innenhof am Aschhaus Geschichtenball.
Die Hoftüren, über die man durch das Treppenhaus die Straße erreichen konnte, waren meistens abgeschlossen, damit wir Kinder nicht auf die Straße laufen konnten.
Wir hatten in diesem Hof alles was wir brauchten, sogar zwei Klettergerüste und eine Sandkiste.
Karin Rieck konnte die spannendsten Geschichten erzählen.
Wenn sie den Ball runter fallen ließ, kam die nächste von uns dran.
Der Müll im Aschhaus roch bestialisch.
Gefesselt von unseren Geschichten bemerkten wir den Gestank nicht mehr.
„ Es war einmal eine dicke alte Frau……..“, sagte ich gerade, als das Küchenfenster in der dritten Etage unseres Mietshauses aufflog.
Meine Mutter lehnte sich heraus und schrie:“ M O N I K A !“
Ich lief zum Fenster:“ Was ist denn schon wieder?“
„ Ich habe die Milch für die Pfannkuchen vergessen, lauf mal schnell zum Milchmann!“
Eingewickelt in Zeitungspapier flog die verbeulte Blechmilchkanne mit dem Heiermann aus dem Fenster.
In Windeseile erledigte ich die mir aufgetragene Aufgabe, Widerreden waren zwecklos.
Die Geschichten am Aschhaus hatten ihren Lauf genommen, ich hatte das meiste verpasst, und war wütend.
Karin sagte:“ Wir müssen uns etwas überlegen wegen Deiner Mutter!“
Fragend schauten Marion, Ingrid und ich sie an:“ Was meinst Du damit?“
Am nächsten Tag, dasselbe Theater. Ich wollte gerade anfangen, meine Geschichte von gestern weiter zu erzählen, als wieder das Fenster aufflog, und meine Mutter meinen Namen rief.
Blitzschnell ergriff Karin meine Hand und zog mich um die Ecke des Aschhauses.
„ Was machst Du?“
Karin legte den Finger an ihren Mund.
Dann kamen Marion und Ingrid dazu.
Karin lief zu meiner Mutter ans Fenster.
„ Monika ist nicht da!“
„ Was soll das heißen, sie ist nicht da?“
Schnell lief Karin zu uns zurück.
Weiter gings im Text.
Ich war glücklich, verpasste ich doch heute nicht die Fortsetzung von Karins aufregender Geschichte, und endlich konnte ich auch mal meine Geschichte weiter erzählen.
Wurden die Gaslaternen angezündet, mussten wir rauf.
Ein bisschen mulmig war mir schon, als ich die Treppenstufen zu unserer Wohnung hinaufstieg.
Ich klingelte.
Meine Mutter öffnete die Wohnungstür.
„ Wo warst Du heute Nachmittag!“
„ Wo soll ich denn gewesen sein?“
Eine schallende Ohrfeige landete auf meiner Wange, die Finger der Hand meiner Mutter konnte ich noch tagelang auf meinem Gesicht spüren.
( © Monika Zelle 27.11.2018 )