Mona, Susa und Will tollen den Heideweg hinunter.
Bis ins Dorf sind es drei Kilometer.
Es regnet in Strömen. Aber warm ist es in diesen Ferien, sehr warm.
Einkaufen sollen sie dort, für ihre Eltern, die immer irgend etwas am Milch- oder Bäckerwagen, der nur alle drei Tage den Weg zum Land hochfährt, vergessen haben.
Sie kennen die Waldwege wie ihre Westentasche. Viele Male sind sie hier mit ihren Vätern gewandert.
Jetzt haben die beiden Cousinen schon die kleine Anhöhe vor den ersten Häusern des Dorfes erreicht.
Will trödelt mal wieder hinter seiner Schwester Susa und seiner Cousine hinterher.
Er ist oft in Gedanken versunken, ein verschlossener Junge, der meistens mit der Nase in einem Buch steckt, und dann auch nicht ansprechbar ist.
„ Komm schon Will, wir müssen zum Mittagessen wieder oben sein!“, ruft Mona. Wie immer reagiert er nicht.
Die Mädchen laufen vor, und besorgen bei Lorenz Mehl Zucker und Eier, es soll Bickbeerpfannkuchen geben. Das Lieblingsessen der Kinder.
Auf dem Rückweg treffen sie Will bei der Anhöhe wieder. Er hockt auf dem Boden, und quält mit dem Stock einen kleinen Mistkäfer, drückt ihn nieder, bis er in zwei Teilen auf dem Boden liegt.
Die beiden Mädchen ekeln sich. Tierquäler schimpfen sie ihn, und rufen;
„Quäle nie ein Tier zum Scherz, denn es fühlt genau wie Du den Schmerz!“
Will grinst.
„ Der Geotrupidea tut keiner Fliege mehr was zu Leide!“ höhnt er.
Dann meint Will: „ Heute gehen wir mal einen anderen Weg!“
Susa und Mona schauen ihn fragend an, folgen ihm aber an der Weggabelung, weil sie Angst haben, den Waldweg zum Land allein hoch zu gehen.
„ Wir gehen durch die Höllenschlucht zu den Dreimännerkiefern, das ist nur ein kleiner Umweg“, meint Will.
„ Kleiner Umweg“, denkt Mona,“ im Übertreiben war er schon immer gut, es ist genau so weit wie zum Land, nur in eine andere Richtung.
Nach einer halben Stunde kommen sie in der Schlucht an.
Petra klammert sich plötzlich weinend an Monas Hand.
Will befiehlt Mona bei den Kiefern zu warten, reißt seine Schwester von ihrer Hand los, und verschwindet mit ihr in der Schlucht.
Plötzlich ist alles still um Mona herum. Viel zu still.
Nur das Hämmern eines Spechts ist zu hören.
Da! Ein leises Wimmern!
Mona bekommt es mit der Angst zu tun. Sie überlegt.
Ihre Cousine hier mit dem Bruder alleine lassen und Hilfe holen?
Nein, niemals.
Vorsichtig folgt sie den beiden in die Schlucht.
Ihre Augen müssen sich erst an die Dunkelheit gewöhnen.
Langsam tastet sie sich voran.
Dann entdeckt sie die beiden.
Was sie hier sieht, mag sie nicht glauben.
Sie stürzt sich mit voller Wucht auf ihren Cousin, und versucht ihn von Susa weg zu ziehen.
Verdattert steht Will auf.
„ Wenn Du ein Wort den Eltern erzählst, dann ergeht es Dir wie dem Geotrupidea!“, schreit er, und rennt weg.
Mona hilft ihrer Cousine auf, nimmt sie wieder an die Hand.
Von seinen Drohungen würde sie sich nicht beindrucken lassen, denkt sie.
Auf dem Land angekommen, vertraut sich Mona sofort ihrem Papa an.
Susa wird in der Zinkwanne von oben bis unter abgeseift, in ein großes Handtuch gehüllt, und ins Bett gesteckt.
Heute Nacht schlafen die Kinder nicht wie sonst alle in einem Bett.
( © Monika Zelle 25.10.2020 )