Seifenblasen

Seifenblasen

Nur fliegen ist schöner.

Das hatte sie schon als Kind gedacht, als sie mit einigen Mitschülern in einer „Alten Tante  Ju“über ihre Heimatstadt Hamburg dahin schwebte. 25 D-Mark hatten ihre Eltern sich vom Mund abgespart, um ihr diesen lang ersehnten Wunsch zu erfüllen.

Sie fühlte sich wie im siebenten Himmel, obwohl sie zeitweise dachte, ihre Trommelfelle würden von dem Dröhnen der Propellermotoren zerplatzen.

Sie war gerade mal 10 Jahre alt.

Als sie zum zweiten mal flog, war sie junge 17 Jahre alt, auf dem Weg nach Dubrovnik.

Vor der Boeing 707 stellte sie sich in Pose, ließ sich in ihrem schicken Kostüm und einer weißen Spitzenbluse fotografieren, und träumte von einem Leben als Stewardess.

Sie war gerade in eine Banklehre bei einer englischen Bank eingetreten.

Der Gedanke jedoch, sich als Stewardess bei der Lufthansa zu bewerben, ließ sie einfach nicht los.

Als sie 21 Jahre alt war, schickte sie ihre Bewerbungsunterlagen an die Lufthansa.

Sie wurde zu einem persönlichen Gespräch eingeladen.

Jung, hübsch und adrett, mit einer passablen Figur, wieder in einem schicken Kostüm, machte sie sich auf dem Weg zum Flughafen, in das Personalbüro.

Eine ältliche Sekretärin mit einer Hochfrisur begleitete sie zum Personalchef, ein kleiner dicker Mann, mittleren Alters, mit einer Halbglatze.

Höflich bat er ihr einen der beiden grünlichen Clubsessel an.

Sie setzte sich, nahm Haltung an, und schlug ihre hübschen Beine übereinander.

Wohlwollend sah der Chef sie an.

Sie befand sich die ganze Zeit in einer schillernden Seifenblase, hoch oben in den Lüften, zu Hause in der großen weiten Welt.

Inzwischen hatte die Sekretärin formvollendet Tee und Kekse serviert.

Der Chef stellte ihr einige Fragen auf Englisch, die sie perfekt beantworten konnte.

Dann überflog er ihren tabellarischen Lebenslauf.

„ Wie groß sind Sie, Fräulein Klein?“, fragte er plötzlich.

Erstaunt schaute sie ihn mit ihren großen braunen Augen an.

„ Wie, wie groß, was tut das zur Sache?“, fragte sie.

„ Ähm, na ja, stotterte er, als Stewardess muss man in Deutschland eine Größe von mindestens 1,65 Zentimeter messen.

Sie fiel aus allen Wolken.

„ Ich bin 1.58 Zentimeter groß“, hauchte sie.

Mitleidig schaute sie der Chef an.

„ Ja, Fräulein Klein, so leid es mir tut, und so gerne ich sie eingestellt hätte, vor allem aufgrund ihrer Sprachbegabung, aber in diesem Beruf als Stewardess ist bei uns eine Mindestgröße vorgeschrieben.

In diesem Moment zerplatzte ihr Traum wie eine große bunte Seifenblase.

Ihr Traum aller Träume war ausgeträumt.

Wenn sie heute an diesen Tag zurückdenkt, kommt ihr das Lied „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“ von Reinhard May in den Kopf .
Alle Ängste, alle Sorgen
Sagt man
Blieben darunter verborgen
Und dann….
Würde was uns groß und wichtig erscheint
Plötzlich nichtig und klein“, 

Ja, so fühlte sie sich. 

Nichtig und klein.

( © Monika Zelle 14.07.2020 )

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