Portwein

Portwein

Onkel Paul war von See da, und hatte wieder etliche Flaschen Portwein mitgebracht.

Schon nach dem Kaffeetrinken mit Sahnetorte gab es davon  ein Gläschen.

Geschwister und Anhang kamen in der Lüneburger Heide zusammen, um das Wiedersehen mit Onkel Paul zu feiern.

Da es draußen Bindfäden regnete, hatten so ca. 20 Personen in der kleinen Holzhütte von Tante Anni Platz genommen.

Nach dem dritten Glas Portwein wurde es lustig.

Als es draußen dämmerte, holte Onkel Paul seine Mandoline hervor, und alle sangen dazu.

Plötzlich stand Onkel Judel, der große stämmige Mann von Tante Erna auf und sagte:

So, nu wüllt wi no Hus, treck die an Erna un du ok Herbert!“

„ Aber ich wollte doch noch zum Brunsberg wandern“, jammerte Tante Erna!“

„ Wat wullt du nu noch op`n Brunsberg, dat is doch schon düster buten!“, sagte ihr Mann.

Die Kinder lachten:“ Hurra, wir machen eine Nachtwanderung.

Auch sie hatten am Portwein genippt.

„ Köönt ji moken, aver ick fohr nu no Hamborg trüch! 

Onkel Judel stieg in seinen VW, und fuhr los.

Tante Erna kicherte:“ Und wir wandern jetzt zum Brunsberg.

Onkel Paul und sein Bruder Heini gingen nicht mit, sie mussten ja noch nach Hause zum Flidderberg.

Mit Taschenlampen ausgerüstet, wanderte die Familie lachend und grölend durch den Wald, Tante Erna voran.

Es war stockdunkel.

Auf dem Brunsberg angekommen, machte die letzte Flasche Portwein ihre Runde.

Als die Kinder und Erwachsenen den Brunsberg wieder herunter liefen, lag Tante Erna plötzliche auf dem Boden. Keiner wusste, wie sie dahin gekommen war.

Sie konnte nicht aufstehen und jammerte:“ Mein Fuß, mein Fuß ist gebrochen!“

Onkel Bruno begutachtete den Fuß mit der Taschenlampe.

Er war dick angeschwollen.

Dann sah er die dicke Baumwurzel, über die sie gestolpert, und dann umgeknickt sein muss.

„ Steh mal auf, so schlimm ist das nicht!“ sagten die anderen.

„ Ich kann nicht aufstehen, es tut so weh!“, jammerte Tante Erna.

„ Dann musst Du hier sitzen bleiben, wir gehen zurück zum Land und holen die Schiebkarre.“

Gesagt getan.

Aber bis sie sich wieder an die Schiebkarre erinnerten, das dauerte.

Tante Erna erlitt Todesängste in dem stockdunklen Wald, dessen Geräusche in der Stille noch viel lauter zu hören waren.

Nicht einmal eine Taschenlampe hatte die Verwandtschaft dagelassen.

Nach Stunden kamen dann endlich Onkel Bruno und Onkel Ewald mit der Schiebkarre.

Beim Land angekommen jammerte Tante Erna:“ Ich muss zu einem Arzt, ich habe tierische Schmerzen!“

„Wie sollen wir an einen Arzt kommen, es gibt hier weder ein Telefon noch ein Auto, dann hättest Du mit Judel nach Hause fahren müssen.

Außerdem ist es mitten in der Nacht, wir müssen jetzt auch mal schlafen, sagte Onkel Ewald.

Tante Erna lag auf der Couch und jammerte die ganze Nacht.

Am nächsten Morgen war der Fuß so angeschwollen, dass sie nicht mehr in ihren Schuh kam.

„ Ich fahre jetzt mit dem Fahrrad ins Dorf, und hole Dr. Neuking“, sagte Onkel Bruno.

Nach einer Stunde kam er unverrichteter Dinge zurück. 

„ Das Auto von Dr. Neuking ist in der Werkstatt, und zu Fuß will er nicht den Weg durch den Wald zum Land laufen“, sagte Onkel Bruno.

Tante Erna jammerte:“ Und was machen wir jetzt?“

Alle zuckten mit den Schultern.

Die Kinder spielten Fußball.

Tante Erna blieb nichts anderes übrig, als ihren Fuß hoch zu legen und zu kühlen.

Eine Flasche Portwein hatte sich noch in der Hütte angefunden.

( © Monika Zelle 10.12.2019 )

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