Magic words
Ich bin wie hypnotisiert. Das muss ich schon sagen. Der kleine Brief in meiner Hand vibriert.
Kann es nicht fassen.
Die Magierin der Worte hat mir geschrieben.
Donnerstag 01. April um 11 Uhr,
Frühstück im Vier Jahreszeiten.
Ein Aprilscherz?
Juli im April?
Sie will mich kennenlernen.
Irgendwie muss sie auf meine Homepage www.geschichtenball.degekommen sein.
Hat meine Geschichten gelesen, die ich dort veröffentliche.
Ich muss mich erst einmal fassen.
Das kann doch alles nicht wahr sein.
Meine Königin der Worte will mich sehen.
Ich verschlinge ihre Bücher wie eine hungrige Wölfin.
Gibt es eine Neuerscheinung, bin ich die erste im Buchladen.
Ich lese dann Seite um Seite, bis ich es durch habe.
Neujahr in einer Nacht.
Und sie will mich sehen.
Im Hotel Vierjahreszeiten.
Unmöglich.
Ich war noch nie in einem so mondänen Hotel.
Ja doch einmal hat meine Mutter mich als Kind ins Gustav Adolf geschleppt, damit ich lerne, mich zu benehmen.
Und einmal war ich, aber auch nicht allein, im Cafe Demel in Wien, um den Allroundkünstler Andre Heller zu sehen. Leider konnte ich ihn nicht hinter seiner Zeitung rechts gleich neben dem Eingang entdecken.
Und nun das Vierjahreszeiten.
Ich gehe nicht gerne Unter Leute.
Bekomme jetzt schon weiche Knie, wenn ich nur daran denke.
Die kleine graue Maus, die jede Woche eine kleine Geschichte aus ihrem Leben schreibt, um es überhaupt ertragen zu können.
Wenigstens bin ich äußerlich und im Kopf ziemlich bunt.
Und meine Geschichten?
Sie müssen ihr ja gefallen haben.
Aber warum? Außer meiner Schreiberlinge interessiert sich in meinem Umfeld so gut wie niemand dafür.
Selbst meine Familie nicht.
Nur den Spruch:
„ Lasse Dir Dein Leuchten nicht nehmen, wenn es andere blendet“ hat mein Mann mir eines Tages gegeben.
Die Bücher meiner Zauberin der Worte sind immer Bestseller.
Sie ist der Wahnsinn.
Es soll natürlich auch Leser geben, die sie nicht mögen.
Das liegt halt im Auge des Betrachters.
Und nun soll ich sie treffen.
Ein neues Kleid von Gudrun Sjöden muss her.
Nein ich werde absagen.
Ich kann das nicht.
Wie oft habe ich diese Worte von meiner Mutter als Kind hören müssen.
Das kannst Du nicht.
Diese Worte fliegen mir jetzt wieder um die Ohren.
Was mache ich nur.
Vor Aufregung werde ich das Glas Champagner umstoßen, und der kostbare Inhalt wird sich über die weiße Tischdecke ergießen.
Und dann sitze ich tatsächlich da, in meinem neuen roten Kleid mit ihr, am weiß gedeckten Frühstückstisch im Vier Jahreszeiten.
Lässig sitzt sie da, strahlt mich an, macht mir Mut, die Magierin meines Herzens.
Sie nimmt mir jegliche Angst und Scheu mit ihrer Fröhlichkeit und Einfachheit.
Wir prosten uns zu.
Nichts ist passiert.
( © Monika Zelle 11.02.2020 )