Tanz auf dem Vulkan

Tanz auf dem Vulkan

„ Junggebliebene(r)“  Endsechziger möchte noch einmal einen Tanz auf dem Vulkan erleben, Kultur und Reisen genießen, immer im Gespräch bleiben, mit  zärtlicher kluger „ Sie“, durch Dick und Dünn gehen. Geld spielt keine Rolle.

Martha Koch las die Anzeige immer wieder.

Ja, das war „ER“, den sie seit langem suchte.

Eigentlich hatte sie es sich in ihrem Leben bequem gemacht.

Doch etwas fehlte.

Wie lange war sie mit ihrem Mann nicht mehr im Kino oder Theater gewesen. 

„ Noch einmal auf einem Vulkan tanzen“, ja tanzen, das wollte sie unbedingt wieder.

Ihr Mann las Zeitschriften statt Bücher und…. sprach so gut wie nie. 

Also worauf warten.

Raus aus der Eintönigkeit ihres Daseins.

Wie lange hatte sie das Meer nicht gesehen, einen Sonnenuntergang am Strand.

„ Geld spielt keine Rolle!“

Das war es doch.

Martha Koch träumte schon lange von einem Haus am Meer.

Raus aus der lauten Stadt.

Sich die frische Meeresbrise um die Nase wehen lassen.

Raus aus den stickigen Räumen ihrer Wohnung.

Zärtlich konnte Martha Koch sein, klug war sie auch.

Sie las und diskutierte gern.

Einmal wieder die Berührung eines Menschen spüren.

Ihre Hand in seiner Hand.

Gemeinsame Wege gehen.

Neue Wege beschreiten in eine unbekannte Welt.

Einmal Australien sehen.

Tanzen mit Aborigines.

Ihren Digeridoos lauschen.

Sie schrieb einen Brief an die Zeitung.

Die Chiffrenummer lautete 1008.

Einige Tage später kam die Antwort.

Sie verabredeten sich in einem kleine Cafe`.

Das Buch „ Zusammen ist man weniger allein“, sollte das Erkennungszeichen sein.

Als sie am Tag der Verabredung die Wohnung verließ, rief ihr Mann hinter ihr her:“ Wo willst Du schon wieder hin!“

Ohne ihm zu antworten ließ sie die Tür ins Schloss fallen.

Auf zu neuen Ufern.

Im Cafe` setzte sie sich an einen Fensterplatz, das Buch aufgeschlagen in den Händen. 

Auf der anderen Straßenseite hielt ein Taxi.

Ein Mann mit einem Buch in der Hand stieg aus.

Vor Schreck fiel ihr Buch auf die Kaffeetasse, deren Inhalt sich über das weiße Tischtuch ergoss.

Seit wann las er Bücher?

Martha Koch konnte nicht glauben, was sie da sah.

Bevor er die Straße überqueren konnte, verließ sie fluchtartig das Cafe`.

Wieder in ihrer Wohnung empfing sie diese fühlbare, fast greifbare, unerträgliche Stille.

Der Alltagstrott hatte sie wieder.

Sie schaute sich noch einmal die Annonce an.

Die Chiffrenummer, 1008, warum war ihr das nicht gleich aufgefallen.

Der Geburtstag und Geburtsmonat ihres Mannes. 

Der Langweiler war zum Hans Dampf in allen Gassen mutiert.

( © Monika Zelle   08. Oktober 2019 )

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