Donna Clara

Groß war Donna Clara nicht, eher kleinwüchsig, von drahtiger Statur, mit einem hübschen Gesicht, von schwarzen lockigen Haaren umrahmt.

Eine Frau in bestem Alter, die kein Pardon kannte, wenn es um ihre Firma, oder gar um ihren Sohn Giovanni ging.

Sie führte ein hartes Regiment in ihrem traditionellen Familienunternehmen, und der Sohn sollte einmal übernehmen, was ihr verstorbener Mann mit seiner Hände Arbeit aufgebaut hatte.

Noch führte Giovanni mit seinen 30 Jahren ein ausgelassenes, freies Leben.

Wein, Weib und Gesang bestimmten seine Tage.

Manchmal ließ er sich auf dem Weingut blicken, naschte ein paar Trauben und war wieder verschwunden.

Seine Mutter sah es ihm gerne nach. Sollte er doch sein Leben genießen, nachdem er die Ausbildung auf dem Gut erfolgreich abgeschlossen hatte.

Ihre langjährige Sekretärin war in den Ruhestand gegangen, nun hieß es, eine Neue, sicher in Wort und Schrift einzustellen.

Es dauerte nicht lange, und es stellte sich eine junge Italienerin vor.

Elsa, blonde Haare, blaue Augen, beste Zeugnisse.

Donna Clara stellte sie ein.

Von nun an ließ sich ihr Sohn fast jeden Tag im Büro blicken.

Sollte er sich womöglich in die Tippse verguckt haben?

Ein Unding.

Mit Argusaugen verfolgte sie das Geschehen, und merkte schnell, dass sich ihre Vermutung bewahrheitete.

Sie bat ihren Sohn in ihr Büro.

„ Giovanni, es geht nicht, dass du dieser kleinen Elsa nachstellst, sie passt nicht zu uns,

und wenn Du unbedingt arbeiten willst, kümmere Dich um die Ernte!“

Ohne ein Wort verließ der Sohn das Büro seiner Mutter.

Elsa saß mit verweinten Augen an ihrem Platz, und konnte ihre Arbeit nicht mehr ordnungsgemäß ausführen.

Das führte dazu, dass Donna Clara sie entlassen musste.

Es dauerte nicht lange, und Giovanni bat sie um einen Auslandsaufenthalt,

dem sie mit Freude zustimmte.

Sollte er sich in der Ferne die Hörner abstoßen.

Er ging nach Südafrika, wo er seine Weinanbaukenntnisse erweitern wollte.

Doch nach einem Jahr bekam Donna Clara eine Nachricht, die ihr den Boden unter den Füßen wegriss.

Ihr Sohn, ihr Giovanni, war mit seinem Sportwagen auf einer kurvenreichen Straße des Tafelberges tödlich verunglückt.

Sein Körper soll bis zur Unkenntlichkeit verbrannt sein.

Donna Clara ließ die Urne mit den Überresten ihres Sohnes in die Heimat überführen.

Unter den Trauergästen sah sie Elsa, ganz in schwarz, hochschwanger.

Ihre Spuren verloren sich.

Viele Jahre später entdeckte Donna Clara ein Foto in der Zeitung, auf dem drei Personen abgebildet waren.

Darunter stand:

„Der Sohn von Giovanni und Elsa Bardolino hat beim Autorennen den großen Preis von Kapstadt gewonnen.“

( © Monika Zelle 16.04.2019 )

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Tante Rosa

Als meine Schwester Nora und ich zur Welt kamen, glichen wir nicht wie ein Ei dem anderen, obwohl wir Zwillinge waren.

Früh verließ uns der Vater, weil er dieses Leben mit Frau und zwei Kindern nicht aushielt.

Noch wohnten wir in einem großen Haus in einem  Vorort von Wien.

Als das Geld knapp wurde, zogen wir in eine der Mietskasernen in die Stadt.

Schnell merkte ich, dass die Mutter Nora viel mehr in ihren Armen hielt als mich.

Um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen, versuchte ich schon als kleines Mädchen

zu helfen, wo ich nur konnte.

Wenn Nora in den Spiegel schaute, sah sie ein Engelsgesicht. Schaute ich in den Spiegel, glotzte mir eine hässliche Fratze entgegen,

Noras Gesicht war ebenmäßig und besonders hübsch.

Früh erledigte ich fast alle im Haushalt anfallenden Arbeiten für meine Mutter und Nora, während die beiden sich in ihrer Schönheit sonnten.

Als wir größer wurden, lehrte meine Mutter mich das Kochen.

Schnell konnte ich viel besser kochen als sie.

Genüsslich verzehrten die beiden die Leckereien, während ich in der Küche schuftete.

Die Lieblosigkeit meiner Mutter ersetzte ich durch essen, und wurde immer dicker.

Eines Tages erklärte mir meine Mutter, dass ich nun nicht mehr mit meiner Schwester Nora und ihr in einem Haushalt leben könnte, weil das Geld nicht reichte.

Ich zog zu meiner Tante Rosa, einer Schwester meines Vaters.

Das Kochen sollte ich aber weiterhin für meine Mutter und Nora erledigen.

Das bedeutete eine Stunde Fußweg jeden Tag.

Meine Tante Rosa wohnte dörflich.

Sie war klein und rundlich, und sehr nett zu mir. Auch mein Vater kam mich nun öfter besuchen.

Tante Rosa hatte einen großen Garten, in dem sie verschiedenerlei Kräuter zog.

Ich bereitete nun wieder jeden Tag das Essen für Nora und meine Mutter zu, die besonders die frischen Salate mit den aromatischen Kräutern schätzten.

Trotzdem ich weiterhin gut aß, bekam mir die frische Landluft, und der einstündige Fußweg jeden Tag sehr gut.

Ich wurde wieder schlank, und meine frische Gesichtsfarbe ließ meine Fratze freundlicher erscheinen.

Meine Schwester und ich waren inzwischen zu Teenies herangewachsen.

Eines Tages sagte meine Tante zu mir:

„ Komm mein kleiner Fratz wir gehen in den Wald, da gibt es eine Stelle wo der Bärlauch wunderbar wächst.

Du wirst sehen, Deine Salate schmecken noch würziger, und wir müssen keinen Knoblauch mehr kaufen.“

Gesagt getan.

Meine Schwester Nora und meine Mutter lobten meine Salate in den höchsten Tönen.

Als ich am nächsten Tag, den Rucksack mit dem Essen auf dem Rücken, die Wohnung meiner Mutter und Nora erreichte, fand ich alle Türen verschlossen.

Ich zwängte mich durch das Kellerfenster, und lief in die Küche.

Meine Mutter und meine Schwester lagen auf dem Fußboden, die Gabeln noch in den Händen.  Beide tot.

Die Salatschüssel auf dem Tisch, zerbrochen.

Entsetzt lief ich zu meiner Tante Rosa zurück.

Als ich ihr von dem Unglück berichtete, lächelte sie nur, und hüllte sich in Schweigen.

Mir war der Tod meiner Mutter und meiner Schwester ein Rätsel.

Viele Jahre später erkochte ich mir einen Stern in meinem Restaurant in Wien.

 

 

 

( © Monika Zelle  30. April 2019 )