Bockwurst und Brause

 

Wenn es euch interessiert, aufgepasst, Ohren gespitzt.

In den 1950iger Jahren, na, das waren noch Maifeiern, da können die Gewerkschaften von heute sich mal ne Scheibe von abschneiden.

Ein Event würdest Du heute dazu sagen.

Sternförmig sind tausende von Menschen hier in meiner Heimatstadt zum Stadtpark gepilgert.

Sternförmig waren auch die Bühnen aufgebaut.

Es gab sportliche Aufführungen.

Und die Reden von den Gewerkschaftern.

Karisma hatten die.

Toll war das kann ich euch sagen.

Für die Kinder Bockwurst und Brause umsonst. Bier für die Männer.

Wein oder Sekt für die Frauen.

Die Gewerkschaften haben sich das noch was kosten lassen.

Und Heute?

Heute stopfen sie sich die Taschen voll.

Was tun die denn noch für die Arbeiterschaft.

Seid ihr überhaupt organisiert?

Habt ihr schon mal gestreikt?

Kann ich mir nicht vorstellen.

Diese paar Piepen, die diese Alibifunktionäre heute rausholen.

Lächerlich.

Und, habt ihr einen unbefristeten Arbeitsplatz, oder seid ihr auch eins von diesen armen Schweinen mit einem Mindestlohn in prekärer Beschäftigung.

Niedriglohnempfänger ist heute das Stichwort.

Und warum?

Wisst ihr das eigentlich?

Ich weiß es.

Damit der Staat später keine hohen Renten zahlen muss.

Sozialstaat ade kann ich nur sagen.

Wo seid ihr denn?

In eurem Hamsterrad was?

Wo ihr von morgens bis abends schuftet, um Eure Schulden zu bezahlen, und Angst habt, euren Arbeitsplatz zu verlieren, der meistens auch nur befristet ist.

Auch das ist Programm.

Damit sie euch schnell wieder loswerden, wenn ihr nicht funktioniert.

Dabei hat die Masse die Macht.

Lasst euch doch nicht immer alles gefallen, ihr Einzelkämpfer.

Früher, ja früher war alles besser.

Mein Vater und mein Großvater haben noch Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaub erstritten.

Zu Tausenden sind die Arbeiter auf die Straße gegangen.

Heute werden die sozialen Errungenschaften mit Füßen getreten.

Ne, jetzt hör ich auf.

Kriege Magenschmerzen.

Lieber zurück zu meinem Maifeiertag.

Den ganzen Tag lang haben wir gefeiert.

Das war noch ein Volksfest.

Steine haben wir auch nicht an den Kopf bekommen.

Kein einziger Bulle war zu sehen.

Und auf dem Nachhauseweg? Zu Fuß natürlich.

 

Mein Vater, Gewerkschaftsfunktionär, hatte einen im Tee, torkelte neben mir her, und palawerte von dem nächsten Streik, der anstand.

Also aufgepasst, nur wer sich wehrt lebt nicht verkehrt.

Tut was!

Nur gemeinsam seid ihr stark.

Zu Haus angekommen war dann leider dicke Luft, weil ich meinen Sonntagsstaat mit Senf bekleckert hatte.

„ Wie soll ich das wieder rauskriegen“ meckerte meine Mutter, riss mir die Klamotten vom Leib, und weichte sie in Persil ein.

 

( © Monika Zelle 26.02.2019 )

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