Nur ein Traum

 

Stille.

Diese unvergleichliche Stille.

Nur der Ruf des Kuckucks stört den Wald.

Von Glücksgefühlen umfangen.

Die Kienäppel, eingewickelt in Zeitungspapier, wie mein Vater es mich gelehrt hat, knistern im Bullerofen.

Eine wohlige Wärme umfängt mich, vom Summen des Wasserkessels begleitet.

Tropfen zerplatzen auf der Herdplatte.

Kaffeeduft breitet sich aus, umspielt meine Nase.

Der Schatten meines Vaters, in der Hand seinen Kaffeebecher.

Ein leises Quietschen der Tür meiner Hütte ist zu vernehmen.

Barfuß.

Endlich wieder barfuß.

Die Tannennadeln des Waldbodens pieksen meine Fußsohlen.

Das weiche Moos streichelt sie.

Welch eine Wonne.

Tanzen.

Tanzen durch den Morgen.

Da!

Ein Reh am Waldessaum.

Ein Specht schlägt den Baum.

Nur ein Traum.

Nur ein Traum.

 

 

( © Monika Zelle 17.02.2019 )

 

Schwimmstunde

 

Schwerfällig kommt Arno Möller, mein Nachbar, mir auf seinen beiden Krücken entgegen gehumpelt.

„ Na, gehst Du wieder zum Schwimmen?“

„ Ja“, sage ich, wie immer zweimal in der Woche.“

„ Das ist richtig, dann geht es Dir später nicht so wie mir, bleib immer schön in Bewegung mien Deern.“

Arno Möller war Hafenfiez, und hat 50 Jahre Schwerstarbeit geleistet.

Nun kann er nicht mehr.

Während ich meine Bahnen im Außenbecken des Holthusenbades ziehe, muss ich an meinen Vater denken.

„ Weißt Du noch, als Du mir bei Onkel Heini im Hessebad in Blankenese das Schwimmen beigebracht hast? Als ich das erste mal vom Beckenrand  in Deinen Arm gesprungen bin?“

Mir ist, als sei es gestern gewesen.

Onkel Heini war Schwimmmeister, und hat den Kindern aus den Schulklassen der Umgebung der Elbvororte das Schwimmen beigebracht.

„ Und weißt Du noch Papa, als wir jeden Dienstag und Donnerstag mit Manne, Norbert, Hans-Werner, Manfred und Margrit Nagel, die in unserem Haus wohnten, und noch vielen anderen Kindern aus der Nachbarschaft zum Schwimmen gegangen sind?

Alle waren wir im Schwimmverein Vorwärts, und Du Papa hast so vielen Kindern das Schwimmen gelehrt.

Ehrenamtlich!

Manchmal hast Du sogar die Vereinsbeiträge der Kinder bezahlt, wenn die Eltern das Geld nicht hatten.

6 Kilometer gingen wir zu Fuß zum Schwimmen.

Geld für das Fahrgeld mit der Straßenbahn hatten wir nicht.

Bei Wind und Wetter, eisiger Kälte, aber auch im Hochsommer, machten wir uns auf den Weg.

Es gab Zeiten, da wollte ich keine Mütze aufsetzen, im Winter, und prompt hatte ich ein Mandelentzündung.

Du hast mich gewähren lassen, Papa, und Mama hat geschimpft, sie musste mich ja schließlich wieder gesund pflegen.

Ich habe noch die Berge von geschmierten Wurstbroten vor Augen, die wir nach unserem Schwimmtraining zum Abendbrot verspeist haben.

Zu Deinem Leidwesen konnte ich keine Schwimmmeisterschaften mitschwimmen.

Angst und Aufregung haben mir einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Als ich aus der Volksschule kam, bin ich nicht mehr zum Training gegangen, weil ich viel für die Handelsschule lernen musste.

Danach die Lehre bei einer englischen Bank.

Wieder keine Zeit zum schwimmen.

Dann die Zeit des Verliebens.

Des Tanzens.

Später die Gründung einer Familie,  für die dann zu sorgen war.

Da warst Du Papa schon gestorben.

Viele Jahre kein Schwimmen.

Die Pflege von Mama.

Es war zu viel, was ich auf meinen Schultern getragen habe.

Ich musste wieder in Bewegung kommen.

Und weißt Du noch, Papa, als ich nach meiner Arbeit jeden Tag zum Schwimmen gegangen bin? Das hat meinen Schultern gefallen.

Und Dir hat das auch gefallen.

Du hast ja ja immer zugeschaut, nicht wahr?

Und jetzt schaust Du immer noch zu, wenn ich meine Bahnen ziehe.

Hör mal, ich habe ein Gedicht geschrieben:

„Wasser

 

Wasser umspült meine Sinne

Ich beginne

zu träumen

Von

Unterwasserbäumen

 

Wasser

Mein Lebenselixir

Ich komme von Dir

Gehe zu Dir

 

Nur in Dir will ich sein

In Dir will ich leben

Nur Du kannst Leben geben

 

Auch wenn ich nicht mehr bin

In Dir liegt meine Seele verborgen

In Dir wird immer wieder Morgen

 

( © Monika Zelle  21. April 2016 )

( © Monika Zelle 16.01.2019 )