Seifenkistenrennen
Der Geruch von Schmieröl gehörte zu unserem Leben wie die Luft zum Atmen.
Wir waren eine Schrauberfamilie wie sie im Buche stand.
Alle Männer hatten den Beruf des Autoschlossers erlernt.
Fahrbare Untersätze waren ihre Leidenschaft.
Ich sehe meine Mutter noch an der Ruffel die Blaumänner waschen.
Und dann gewann mein Bruder 1950 mit 14 Jahren das Seifenkistenrennen am Venusberg in Hamburg.
Wochenlang hatte mein Vater mit ihm zusammen die Seifenkiste gebaut, aus Errsatzteilen, die er aus Restbeständen von seiner Arbeit mitgebracht hatte.
Und nun stand mein Bruder da, strahlend, einen Lorbeerkranz um den Hals, ein junger Mann, dem das Leben zu Füßen lag.
Er war mein Held.
Ich war gerade mal drei Jahre alt, schaute auf zu meinem Bruder, der mich oft am Kopf packte, und sagte:
„ Willst Du mal den Hamburger Michel sehen?“
Der 1. Preis war ein Luftgewehr, das mein Bruder sofort gegen ein Kofferradio eintauschte.
Waffen waren in unserer Familie verpönt.
Dann trat auch er eine Lehre als Autoschlosser bei Opel Lausse in Rahlstedt an.
Der Geruch von Schmieröl wurde stärker.
Zur bestandenen Gesellenprüfung bekam mein Bruder ein Moped von meinen Eltern geschenkt.
Von nun an versäumte ich es nicht, vor unserer Haustür zu stehen, um ihm zuzuschauen, wie er mit seinem Freund Kalle Schnoor um die Ecken sauste, und Wettrennen veranstaltete.
Später hatten dann beide eine NSU.
Ein einziges Mal durfte ich bei Kalle hinten drauf mitfahren.
Kalle war Boxer und im Milleu zu Hause.
Seine kleine Schwester Gerhild war meine Freundin.
Meine Eltern verboten später den Umgang.
Als mein Bruder sich einen Porsche kaufte, obwohl er schon eine Familie mit zwei Kindern hatte, durfte ich ein Einziges mal mit ihm durch den Freihafen fahren.
Ich war glücklich.
Der Porsche musste dann aber stantepe einer Familienkutsche weichen.
Zusammen mit unserem Nachbarn Ferdinand Koch, einem Taxenkutscher, wollten mein Vater und mein Bruder eine Tankstelle mit dazugehöriger Werkstatt kaufen, und sich selbständig machen, doch ihnen fehlte der Mut, und die Unterstützung der Frauen.
Mein Sohn wäre sehr gerne in die Fußstapfen seines Onkels getreten.
Davon konnte ich ihn erfolgreich abhalten.
Von einem Motorrad nicht.
Jetzt fährt er damit den Venusberg hinunter, von dem ich nur einige Schritte entfernt wohne, den Michel stets im Blick.
Die Bilder meines Bruders mit seiner Seifenkiste und dem Lorbeerkranz hängen in unseren Räumen, der Duft von Schmieröl auch.
( © Monika Zelle 30.10. 2018 )