1944

 

Bruno Klein saß in seiner Schreibstube des Wirtschafts-und Ordnungsamtes in einem kleinen Dorf bei Berlin, das er inzwischen leitete. und war froh, nicht mehr in dem Flugzeugwerk der Daimler Benz AG arbeiten zu müssen.

Die Arbeiter hatten die Tarnung vom Dach des Werkes genommen, so konnte es ungehindert bombardiert werden. Sie waren alle solidarisch. So konnte es mit Nazideutschland und Hitler nicht weiter gehen.

Der Krieg war verloren.

Als er abends nach Hause kam, saßen seine Frau Anne Christine, und die Jüdinnen Else Pecher und Anni Jacobsen schon beim Abendbrot.

Alle weinten.

Der kleine Reinhard schlief schon.

„ Bruno, kannst Du uns helfen, wir haben schon wieder eine Vorladung nach Berlin bekommen !“

Vorsichtig schob Else Bruno die Pässe zu.

Ängstlich schaute seine Frau Anne Christine ihn an.

Ruhig steckte Bruno die Pässe in seine Aktentasche.

Plötzlich klopfte es an der Tür.

Die Besitzerin der Mühle und Vermieterin der kleinen Wohnung von Bruno, Frau Ebeling ,trat ein.

„ Heil Hitler!“

„ Ach, haben sie schon wieder Besuch ihrer Freundinnen aus Genzhagen Herr Klein?

Ich möchte wissen, warum sie diese beiden Damen hier so oft beherbergen! Und warum weinen die Damen?

Naja, eigentlich wollte ich nur die Miete kassieren.“

Wortlos stand Bruno auf, ging langsam an die Schublade des Buffets, nahm den Umschlag mit dem Geld heraus, und gab ihn ihr.

Mit einem verschlagenen Blick verschwand Frau Ebeling.

Am nächsten Morgen schloss Bruno seine Bürotür ab, und machte sich an die Arbeit.

Als er gerade die neuen Pässe ausstellte, in denen die beiden Jüdinnen nur als ¼ Jüdinnen ausgewiesen wurden, klingelte das Telefon.

Der Bürgermeister, ein treuer Diener Adolf Hitlers, war in der Leitung.

„ Bruno, Du musste Trebbin so schnell wie möglich verlassen. Die Ebeling war bei mir, und hat mir gemeldet, dass Du zwei Frauen beherbergst, die ihr nicht geheuer sind!“

In einer Nacht-und Nebelaktion verließen Bruno, Anne Christine, der kleine Reinhard, und die beiden Jüdinnen mit einem LKW Trebbin in Richtung Hamburg.

Dort versteckte Bruno die beiden in der kleinen Wohnung seiner Schwiegereltern im Schanzenviertel.

Nach Kriegsende kehrte Bruno noch einmal nach Trebbin zurück, wo inzwischen die Russen einmarschiert waren.

Frau Ebling hockte in ihrer Mühle.

Als sie meinen Vater sah, flehte sie ihn an:

„ Bitte, bitte Herr Klein verraten sie mich nicht, ich bin doch kein Nazi!“

Verächtlich schaute mein Vater sie an.

„ Und ich kein Denunziant Frau Ebeling!“

 

( copyright Monika Zelle 23.09.2018 )

 

 

 

Die Gitarre und das Meer

 

S-Bahnhof Friedrichsberg. Hier muss ich aussteigen.

Das alte Gebäude des Krankenhauses.

Früher soll hier eine Irrenanstalt gewesen sein.

Sechs Wochen Isolierstation wegen einer Viruserkrankung.

Ich hatte im Planschbecken beim Tauchen Wasser geschluckt, in dem Abends die Hunde tobten.

Sechs Wochen keinen Besuch von den Eltern.

Mit vier Jahren.

Wenn ich in meinem Bett draußen lag, brachte mein Vater mir manchmal Kirschen, die er mir heimlich durch den Zaun reichte.

Gegenüber der Mühlenteich.

Ich höre das Schreien der Kinder.

Das kratzen der Kufen von den Schlitschuhen auf dem Eis.

Die Dithmarscher Straße.

Pommerenke den Spielzeugladen gibt es nicht mehr.

Meine Mutter kaufte mir einen kleinen Steiffteddy, damit ich nicht mehr auf dem Daumen lutsche. Es hat nichts genützt.

Früher ging ich mit meinem Freund Dieter ins Rondeelkino.

Umsonst.

Seine Tante saß dort an der Kasse.

Heute ist dort die Hamburger Sparkasse.

Der Süßwarenladen Tangermann.

Ich ging nicht hinein.

Vor der Tür wachten immer zwei Schäferhunde.

Ade Du süße Versuchung.

Gegenüber wohnte meine beste Schulfreundin Christa.

Ihr Vater ein Kriminaler. Sehr streng.

Der Schallplattenladen Bornemann.

Auch ihn gibt es nicht mehr.

Hier kaufte ich meine erste Single von Freddy Quinn.

Die Gitarre und das Meer.

Fische Loop in der Straßburger Straße gibt es noch.

Ein altes Familienunternehmen.

Kaffee trinken konnte man hier früher aber nicht.

100 g Krabben, höre ich mich sagen.

Nur für meinen Bruder.

LKW Fahrer.

Keine einzige Krabbe bekam ich ab.

Mir lief das Wasser im Munde zusammen.

Die Dauerwellen meiner Mutter beim Friseur Laubinger.

Ich durfte hier die Lockenwickler sortieren.

Hier sollte ich meine Lehre machen.

Nichts für mich.

Ich gehe durch meine Straße.

Vogesenstraße. Alle Straßen sind nach dem Elass benannt.

Die Vogesen. Ich habe sie besucht. Eine herrliche Landschaft.

Die Haustüren sind nicht verschlossen.

Ich kann ungehindert durch das Treppenhaus auf den Hof gehen.

20 Kinder wohnten in einem Haus.

Das Aschhaus ist noch da.

Karin Rieck hat die besten Geschichten erzählt, mit ihrem Ball, der unaufhörlich gegen das Aschhaus prallte.

Geschichtenball.

Eine unserer vielen Leidenschaften.

Mein Weg führt mich weiter durch den Dulsbergpark, vorbei an den Planschbecken.

Ich begegne keiner Menschenseele an diesem Morgen.

Ah, die Rollerbahn, ganz neu.

Kein Kind zu sehen.

Ich setze mich auf eine Bank, schließe die Augen.

Mit wehenden Haaren sause ich mit meinem Roller über die Bahn.

 

( copywrite Monika Zelle 10. April 2018)

 

 

 

 

 

Das verlorene Kind

Es war einmal ein Kind, das suchte nach……..Ja, nach was suchte es…….

Das wusste es selbst noch nicht.

Auf seinem beschwerlichen Weg begegnete es dem Wind.

Der Wind umschmeichelte es, streichelte sein Gesicht, fuhr durch seine blonden Locken,

riss an seinen Kleidern und wirbelte es durch die Luft.

Doch seine kleine Seele konnte er nicht berühren.

Dann kam es an einen großen See, der an seinen Ufern sehr flach war.

Das Kind zog alle Kleider aus, und begab sich langsam in die Fluten.

Das Wasser streichelte seinen Körper, berührte sein Gesicht, nur seine Seele nicht.

Unterdessen suchten seine Eltern es überall.

Sie fragten sich, warum das Kind sie verlassen hatte.

Sie waren doch immer da gewesen.

Das Kind hatte ein schönes warmes Zimmer, alles Spielzeug, was das kleine Kinderherz begehrte, zu essen in Hülle und Fülle, also, warum war es weg?

Sie hatten es sich doch so sehr gewünscht, dieses Kind.

Und als der Wunsch dann endlich in Erfüllung gegangen war, glücklicher konnte doch niemand sein, als sie.

Ihr Engelchen.

Seine Mutter hatte es viele Monate gestillt, gehegt und gepflegt.

Es wuchs heran.

Ein fröhliches Kind.

Dann fing es an, sich jeden Abend in den Schlaf zu weinen.

Die Eltern waren ratlos.

Es begann, die Mutter mit den Füßen zu treten.

Was suchte es?

Dann war es weg, und es blieb verschwunden.

Eines Abends kam das Kind an ein großes Feuer.

Viele Menschen standen drum herum, tranken, lachten, sangen und tanzten.

Das Feuer wärmte es durch und durch.

Doch seine kleine Seele konnte es nicht erwärmen.

Leise hörte es in der Nähe eine warme Stimme, die zu einer Gitarre sang.

Das Kind folgte der Musik.

Es traf auf eine Gruppe von Menschen mit schwarzen Augen und schwarzen Haaren.

Irgendwoher hatte es diese Weisen schon einmal gehört.

War es im Bauch seiner Mutter?

Als die Gesänge endeten, kamen die Menschen auf das Kind zu, umrundeten es, ließen den Kreis immer enger werden, berührten seinen Körper, drückten es ganz fest an sich, wiegten es in ihren Armen hin und her, und sangen ein Schlaflied, dass das Kind vor langer Zeit schon einmal von seiner Oma gehört hatte.

Die Menschen berührten damit die Seele des Kindes, und es fiel in einen langen tiefen Schlaf.

Es träumte in den Armen seiner Mutter zu liegen, die es fest an sich drückte und koste.

Als es wieder aufwachte, lag es tatsächlich in den Armen seiner überglücklichen Eltern, die es von nun an nicht nur hegten und pflegten, sondern auch liebten und herzten.

 

( copyright  Monika Zelle 20. März 2018 )

Wie muss ich sein

Wie muss ich sein

Ich bin zu zart

Ich bin zu still

Wie muss ich sein

Jedenfalls nicht zu klein

Besser ist groß und laut

Klein und leise sein ist out

Warum kann in nicht so sein

Wie ich bin

Wo liegt da der Sinn

Schublade auf Schublade zu

Dann hat die Masse ihre Ruh?

Es kann doch auch leise Menschen geben

Wenn nun alle laut sind im Leben

Das wäre ja nicht auszuhalten

Wir sind doch Gott sei Dank verschieden

So sollten wir uns auch gestalten

Ich möcht so gern dass alle gleich sind

Und doch jeder so sein kann wie er ist

Noch macht uns die Zensur fast blind

Zu sehen nur das Schubladenkind

Drum sind die Menschen so unzufrieden

Weil ständig die Zensur sie treibt

Jeder wird erst jeden lieben

Wenn er ist wie er ist und auch so bleibt.

 

( © Monika Zelle 2018 )